Montag, 14. Oktober 2024

Der Freischütz

Liebe Opernfreunde,

es ist kaum zu glauben, aber Der Freischütz war hier noch nie Gegenstand näherer Erläuterungen. Der Grund ist ganz einfach: diese Oper kennt doch jeder, da braucht es keine Erklärungen. Oder vielleicht doch?

Anlass ist auch nicht eine Berliner Premiere dieses Stücks – da haben wir schon einige hinter uns, gelungene wie weniger gelungene – und auch nicht die groß angekündigte Fernsehübertragung aus Bregenz (nach wie vor nur in der 3sat-Mediathek zu sehen und nicht auf YouTube, Sie müssen sich das Video also selbst heraussuchen), die habe ich noch gar nicht gesehen, und ich weiß auch nicht, ob ich das bis nächsten Mittwoch noch schaffe. Anlass ist die mit Spannung erwartete Neuproduktion der Oper in Cottbus unter der Musikalischen Leitung von Johannes Zurl, inszeniert von Tomo Sugao, dem Hausregissuer und Stellvertretenden Operndirektor des Staatstheaters. Sugao, der übrigens auch einige Jahre als Spielleiter an der Komischen Oper Berlin verbracht hat, hat das Werk schon einmal in seiner Heimat Japan inszeniert, aber das wird eine neue Produktion sein mit Julia Spinola als Dramaturgin. Premiere ist am 19. Oktober und die Oper wird Bestandteil des Repertoires, d. h. in der laufenden Spielzeit wird es noch Aufführungen bis Mai geben.

Der Freischütz ist einer der Grundpfeiler deutschsprachigen Musiktheaters, aber die Gespenstergeschichte vom Beginn des 19. Jahrhunderts hat es bis ins amerikanische (allerdings zuerst in Hamburg aufgeführte) Musical des 20. Jahrhunderts geschafft. Genau darüber wollen wir sprechen, über die Wandlungen der Erzählweise von einer wundersamen Geschichte. Die Ängste einer Braut, die den Bräutigam nicht recht kennt, die Ängste eines Jungen aus der hohen Gesellschaft, der beim Schießen von den verachteten Bauern übertroffen wird. Und über die Verführungskraft von Blendern, die Lösungen zum Nulltarif anbieten.

»Freikugeln« haben diese Verführungskraft in sich, die die beiden Jägerburschen zu Fall bringt. Natürlich gibt es keine Munition, die den Weg ganz alleine findet, die Künstliche Intelligenz versendet Lockrufe in die Richtung, aber der Drohnenpilot oder der Software-Entwickler muss das Gerät mit ewas füttern, und wenn er dabei einen Fehler macht, dann geht es daneben. Um von dieser Verantwortung abzulenken, werden immer wieder Geschichten von Hexerei und bösme Blick erfunden. Im 15. Jahrhundert ist zum ersten Mal von magischen Kugeln, oder eben Freikugeln die Rede. Immer negativ, als Teufelszeug konnotiert. 1449 wird ein Söldner in Basel ertränkt mit der Begründung, er habe magische Kuglen benutzt. 50 Jahre später wird aus Tiengen, einer Kleinstadt in der Nähe von Basel, von der Hinrichtung eines Juden berichtet. Er wurde offensichtlich nur hingerichtet, weil er Jude war, aber als man eine Begründung brauchte, kam man später darauf, dass er Freikugeln benutzt habe.

Europa stand vor der konfessionellen Spaltung, der Buchdruck revolutionierte die Kommunikation von Grund auf. Die »Kleine Eiszeit«, die gerade eine noch stärkere Abkühlung und Verkürzung der Vegetationszeit bewirkte, trug zur Verunsicherung der Bevölkerung bei. Dem Glauben an das Heil durch Christus oder Maria stellte sich ein negativer Wunderglauben entgegen, auf dem Eiferer wie der Dominikaner Heinrich Kramer (1430–1505) aufbauen konnten. Hexenprozesse erreichten einen ersten Höhepunkt. Die Religionskriege des 16. Jahrhunderts mündeten in den großen europäischen Krieg des 17., den Dreißigjährigen Krieg 1618–1648. Die Folgen dieses Krieges wählten der Librettist Friedrich Kind und Carl Maria von Weber als Folie, vor der sie ihre romantische Oper ausbreiteten.

Gerne wird im Zusammernhang mit dem Freischütz auch ein österreichisch-preußischer Kammerherr und Autor des 18. Jahrhunderts genannt, der sich mit Geistergeschichten auseinandersetzte, Otto von Graben zum Stein (1690–1756). In 18 Bänden veröffentlichte er ab 1730 Unterredungen von dem Reiche der Geister zwischen Andrenio und Pneumatophilo. Unter Friedrich Wilhelm I., der ihn als Beamten (und vielleicht auch österreichischen Spion, Gerüchte gab es) gewähren ließ, fing er sich damit 1731 ein Publikationsverbot ein. Und Friedrich II. strich ihm nach der Thronbesteigung gleich sämtliche Gehälter. (Keine »Gelder an die Narren.«) Die Unterredungen enthalten zwar eine Geschichte, in der es um das Kugel Gießen geht, die aber als Vorlage nicht in Frage kommt, bestenfalls als Ermutigung, sich mit solchen Geschichten zu beschäftigen.

Dies tat u. a. der Leipziger Jurist und Schriftsteller August Apel (1771–1816). Zusammen mit Friedrich August Schulze (1770–1849), der unter dem Namen Friedrich Laun Unterhaltungsromane und Theaterstücke verfasst hatte, gab er 1810–1815 ein Gespensterbuch in mehreren Bänden heraus, das den Weg für die Sammlungen von Sagen und Märchen der Brüder Grimm und von Ludwig Bechstein bereitete. Gleich den ersten Band eröffneten sie mit der Erzählung vom Freischütz, mit einem von der Oper deutlich abweichenden Schluss. Da gibt es nämlich keineHochzeit. Der fehlbare Jägerbursche endet im Wahnsinn. Das ist eine Parallele zu einer berühmten englischen Geschichte vom Teufelspakt, A Rake's Progress, zunächst eine Gemäldeserie von William Hogarth (1697–1764) und heute vor allem bekannt als Oper von Igor Strawinsky (1882–1971).

Schon 1812 kam Der Freyschütze in München als Schauspiel mit Musik auf die Bühne, der Text stammte von Franz Xaver von Caspar (1772–1833), die Musik von dem Violinisten Carl Neuner (1778–1830). Die beiden erfanden den »glücklichen« Schluss, an dem noch heute jeder Regisseur verzweifelt, weil er unlogisch ist. Carl Maria von Weber jedoch nahm die Lösung begierig auf, als er sich zusammen mit Friedrich Kind an die Arbeit an seiner Romantischen Oper nach der Gespenstergeschichte von August Apel machte.

Auch in den Deutschen Sagen der Brüder Grimm (1816/1818) finden sich zwei Stücke, die eine deutliche Nähe zum Freischütz haben. Der sichere Schuss und Der herumziehende Jäger. Wie die Unterredungen der Geister... sollten sie nicht als Vorlage angesehen werden, sondern als Beweis dafür, dass solche Geschichten gerade sehr beliebt waren, als die Oper herauskam.

Die Uraufführung des Freischütz am 18. Juni 1821 im neu erbauten Schauspielhaus am Gendarmenmarkt war ein unermesslicher Erfolg. Kaum eine andere Oper ist je schon bei der ersten Aufführung von Publikum so gefeiert worden. Und die Beliebtheit hat bis heute kaum nachgelassen. 

Die Geschichte vom Schwarzen Jäger hat auch unabhängig von der Oper bis heute ihre Attraktivität bewahrt: 1990 wurde in Hamburg The Black Rider uraufgeführt, den Tom Waits (*1949) und William S. Burroughs (1914–1997) auf Anregung uns zusammen mit Robert Wilson (*1941) schrieben, eine moderne Version der alten Geschichte, die inzwischen auch schon historisch geworden ist.

Der Volkshochschulkurs in Zehlendorf geht Corona-bedingt erst am 23. Oktober weiter.
Bis dann, ich freue mich, Ihr Curt A. Roesler

Samstag, 7. September 2024

Start in die neue Opernsaison

Liebe Opernfreunde, es geht wieder los: am 18. September treffen wir uns zu den traditionellen »Zehlendorfer Operngesprächen«. Danach gibt es eine kleine Pause, bis wir in neun weiteren Gesprächsrunden die erste Hälfte der neuen Spielzeit in Berlin und anderswo besprechen, denn ich bin noch einmal 14 Tage außerhalb von Berlin.

Ein Überblick ist schnell gemacht: bis zum Januar bringen die drei Berliner Opernhäuser in zehn Premieren Werke von neun verschiedenen Komponisten neu auf die Bühne; nehmen wir sie einmal alphabetisch: Charles Gounod, Georg Friedrich Händel, Engelbert Humperdinck, György Kurtág, Jacques Offenbach, Ottorino Respighi, Stephen Sondheim, Richard Strauss, Giuseppe Verdi. Die meisten kennen Sie natürlich, sie tauchen regelmäßig in unseren Gesprächen auf. Aber selbst einer von den selteneren, Ottorino Respighi, kam in den letzten 20 Jahren schon einnal mit einer Premiere an der Deutschen Oper Berlin vor und wurde in der Zehlendorfer VHS dementsprechend schon einmal bedacht, Ottorino Respighi. Wirklich neu dürfte Ihnen György Kurtág sein und vermutlich auch Stephen Sondheim. Zu den beiden werden wir im November kommen.

Vorher noch sind Sie alle eingeladen, am 13. September, 19.00 Uhr in den Piscator-Saal ins »Kulturvolk« zu kommen (im Verwaltungsgebäude der ehemaligen Freien Volksbühne, die jetzt Kulturvolk heißt, Ruhrstraße 6, 10709 Berlin). Da werde ich im Rahmen eines »Gesellschaftsabends« der Gesellschaft für Theatergeschichte e. V. einen Vortrag über die Interpretationsgeschichte von Don Giovanni halten. So ähnlich kam das auch schon einmal bei den Zehlendorfer Operngesprächen vor (ich glaube es war in der Corona-Zeit, also nur online), aber mit Mozarts Meisteropern kann man sich nie genug befassen.

Am 18. September dann also in Zehlendorf ein Überblick über das Herbstsemester und eine kurze Einführung zu La fiamma von Ottorino Respighi (Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 29. September). Die weiteren neun Termine habe ich mir folgendermaßen zurechtgelegt – für einige Abende sind Alternativen aufgeführt, also Sie können sich noch etwas wünschen:

9. Oktober
Nabucco von Giuseppe Verdi (Premiere in der Staatsoper Berlin am 2. Oktober)
oder Der Freischütz vn Carl Maria von Weber (Premiere in Cottbus am 19. Oktober)
16. Oktober
Mefistofele von Arrigo Boito (Premiere in Dresden am 28. September mit Aufführungen bis 24. Oktober)
oder Le Grand Macabre von György Ligeti (Premiere in Wiesbaden am 28. September mit Aufführungen bis 31. Oktober)
23. Oktober
Königskinder von Engelbert Humperdinck (Premiere in Münster am 12. Oktober mit Vorsellungen bin 18. Januar)
oder Fedora von Umberto Giordano (Premiere in Genf am 12. Dezember)
30. Oktober
Roméo et Juliette von Charles Gounod (Premiere in der Staatsoper Berlin am 10. November)
6. November
Sweeney Todd von Stephen Sondheim (Premiere in der Komischen Oper im Schillertheater am 17. November)
13. November
Macbeth von Giuseppe Verdi (Premiere in der Deutschen Oper Berlin asm 23. November)
20. November
Fin de partie (oder auch Endgame) von György Kurtág (Premiere in der Staatsoper Berlin am 12. Januar)
27. November
The Listeners von Missy Mazzoli (Premiere in Essen am 25. Januar) 
oder 2 x Zemlinsky = Der Kreidekreis (Premiere in Düsseldorf am 1. Dezember) und Kleider machen Leute (Premiere in Cottbus am 25. Januar)
4. Dezember
Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss (Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 26. Januar)

Den endgültigen Plan verabreden wir gemeinsam am 18. September und selbstverständlich können Sie jederzeit Änderungswünsche anbringen. Es kann auch von Woche zu Woche noch Modifizierungen geben, wir bleiben darüber im Gespräch.

Wenn Sie sich jetzt schon ein wenig mit La fiamma befassen wollen: es gibt zwei Aufnahmen bei Youtube, eine ist aus Rom von 1997, Nelly Miricioiu singt die Hauptpartie. Die andere ist acht Jahre früher in Barcelona entstanden, dort singt Monserrat Caballé

Die Handlung fer Oper dreht sich um Anne Pedersdotter, die 1590 in Bergen (Norwegen) als Hexe verbrannt wurde. Der heute wenig bekannte Schriftsteller Hans Wiers-Jenssen hatte 1908 ein Theaterstück über sie geschrieben, das nicht nur von Ottorino Respighi zur Grundlage für seine Oper gemacht wurde, sondern auch von Carl Theodor Dreyer für seinen Spielfilm Tag der Rache (Vredens dag, 1943) verwendet wurde, den Sie hier sehen können.

Dann also bis 18. September, ich freue mich auf den Kurs,
Ihr Curt A. Roesler



Dienstag, 19. März 2024

Abschluss des Frühjahrskurses

Mit Le nozze di Figaro beenden wir den Frühjahrskurs in den »Zehlendorfer Operngesprächen.« Die Partitur von Wolfgang Amadeus Mozart ist so etwas wie eine Bibel für die Opernschaffenden. Sie kommt hier nicht zum ersten mal vor, zuletzt sprachen wir in der Corona-Zeit über die drei Operrn, die Mozart mit Lorenzo da Ponte geschrieben hat, davor – und das ist jetzt mehr als acht Jahre her – anlässlich der letzten Neuinszenierung Le nozze di Figaro an der Berliner Staatsoper.

Es ist das Werk, mit dem Daniel Barenboim sich 1978 in Berlin als Operndirigent eingeführt hat. Von Siegfried Palm wurde er an die Deutsche Oper Berlin verpflichtet, als Regisseur kam Götz Friedrich dazu, der bis 1972 an der Komischen Oper gewirkt hatte und seit 1977 an der Deutschen Oper. Beide hatten danach leitende Funktionen in der Berliner Kultur, Götz Friedrich 1981 bis zu seinem Tod 2001 als Generalintendant und Chefregisseur der Deutschen Oper, Daniel Barenboim seit 1992 als Chefdirigent der Staatsoper. Götz Friedrich hat die Inszenierung zeit seines Lebens mit regelmäßigen Auffrischungsproben lebendig erhalten und sie ist auch heute noch zu sehen, allerdings mit großen Einschränkungen im Bühnenbild. Einige Erfindungen von Götz Friedrich sind noch da, so der Sprung des Cherubino in den Orchestergraben, aber ansonsten wird es schwierig, da die ersten Spielleiter ebenfalls schon verstorben sind und die einzige Spielleiterin, die noch mit Götz Friedrich gearbeitet hat, demnächst in Rente geht.

Daniel Barenboim seinerseits suchte ständig die Auseinandersetzung mit dem Werk und hat es in mehreren Inszenierungen an der Staatsoper herausgebracht, die letzte allerdings im November 2015 dirigierte er nicht selbst. Er überließ den Taktstock Gustavo Dudamel, das Ergebnis (Inszenierung vom ehemaligen Intendanten Jürgen Flimm) ist nach wie vor hier zu sehen. Das Schillertheater übrigens, wo die Staatsoper damals spielte, ist der ideale Ort für diese Oper.

Am Anfang der Auseinandersetzung mit Le nozze di Figaro steht die Frage, ob denn die Oper von Mozart genauso »revolutionär« sei wie die Vorlage von Beaumarchais, La folle journée ou Le mariage de Figaro. Leicht kann man dabei auf Äußerungen des Librettisten Lorenzo da Ponte hereinfallen. Er nämlich musste gegenüber dem Kaiser rechtfertigen, wieso ein Stück, das von der Zensur verboten worden war, als Oper aufgeführt werden soll. Also musste er alles Revolutionäre herunterspielen, sonst hätte er das Ziel niemals erreichen können. Und ja: so explizit wie Figaro im 5. Akt des Tollen Tages seinen Dienstherrn als Nichtsnutz beschimpft, tut das der Bassbariton in seiner Arie des 4. Aktes nicht. Er bleibt im Persönlichen der Eifersucht stecken und fordert die Welt auf, die Augen aufzumachen (»Aprite un po' quegl' occhi«) und er gibt keine konkreten Empfehlungen für die Konsequenzen. Aber das ist in einer Oper ohnehin nicht notwendig, denn in der Oper kommt zu den Worten noch etwas Entscheidendes hinzu: die Musik. Und wer möchte behaupten, dass Mozarts Musik nicht revolutionär sei?

Also lassen wir den Streit und wenden wir uns der Musik zu, die zum Bedeutendsten gehört, was je für die Bühne geschrieben wurde. Die Trennung zwischen klavierbegleiteten Rezitativen für den Fortgang der Bühnenhandlung und Arien als kontemplative Ruhepunkte oder auch emotionale Ausbrüche ist genretypisch gewahrt. Doch dazwischen liegen die Ensembles: Duette, Terzette und ein Sextett. Und dazu kommen drei ausgedehnte Finali, in denen alle rezitativischen Abschnitte vom ganzen Orchester begleitet sind, kleine Dramen für sich. Auf das Finale des zweiten Aktes, das über 20 Minuten dauert (in einer üblichen Opera buffa der Zeit sind die Finali meist sehr kurz) war Mozart besonders stolz. Aber auch das letzte Finale, in dem sich eine in der Zeit beliebte Komödien-Situation wiederholt, wurde zum Vorbild für Finali im 19. Jahrhundert, bis Verdi mit seinem verlöschenden Ausklingen in Aida einen neuen Standard setzte.

Verwechslung gehört zur Grundausstattung aller Komödien. Im ersten Finale ist das Überraschungmoment – nicht für den Zuschauer, der weiß es schon vorher, sondern für das Grafenpaar – dass tatsächlich, wie von der Gräfin behauptet, Susanna aus dem Kabinett kommt und nicht Cherubino, den der Graf erwartet und den auch die Gräfin annehmen muss. Am Schluss tauschen Susanna und die Gräfin ihre Kleider, um ihre Männer in den Senkel zu stellen. Figaro merkt schnell, dass die »Gräfin« in Wirklichkeit Susanna ist. Und so kann er – ohne irgend etwas Unmoralisches zu tun – den Grafen eifersüchtig machen. Und ihn blamieren, wenn sich »Susanna«, mit der dieser sein Rendezvous genießen wollte, als Gräfin entpuppt. Ganz ähnliche Situationen bietet etwa L'amant jaloux von Grétry an, eine opéra comique von 1778.

Jede der 29 musikalischen Nummern in Le nozze di Figaro ist ein Lehrstück ganz eigener Prägung, und fast jede dieser Nummern ist Unterrichtsstoff an den Musikhochschulen. Wer ein Bariton werden will, muss »Hai gia vinta la causa –Vedrò mentre io sospiro«, Retzitativ und Arie des Figaro aus dem 3. Akt im Schlaf beherrschen. Wer eine Karriere als Bassbuffo anstrebt, muss »La vendetta«, die Arie des Bartolo aus dem ersten Akt, herausbringen, ohne sich die Zunge zu brechen. Und die Duette gehören in den szenischen Unterricht. »Vi resti servita«, Susanna und Marcellina im ersten Akt müssen zeigen, dass sie einander die Augen auskratzen und trotzdem im Takt singen können. »Cosa sento«, das Terzett Susanna, Basilio und Conte, ebenfalls aus dem ersten Akt, ist ein Stück mit vier handelnden Personen, denn Cherubino ist von Anfang an mit dabei, doch wird er erst in der Mitte des Stücks entdeckt, und wenn nun noch einmal die gleiche Musik erklingt, erklingt sie anders.

Am Mittwoch mehr davon,

Ihr Curt A. Roesler

Dienstag, 12. März 2024

Lortzing, noch einmal

Es ist noch kein halbes Jahr, dass wir uns mit Lortzing befasst haben, ich verweise auf den damaligen Beitrag, der ist noch nicht veraltet, er ist hier zu finden (und darin finden sich weitere Verweise und vor allem Links zu Ton- und Videoaufnahmen). Der heutige Beitrag gibt nur noch ein paar kleine zusätzliche Anmerkungen zu Hans Sachs. 1825 war in Leipzig der »Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig« gegründet worden, die Urzelle der bis heute bestehenden Leipziger Buchmesse. Schon 1632 war die Leipziger Messe bedeutender geworden als Frankfurt am Main, was Bücher betrifft. 1840 galt es, ein Jubiläum zu feiern: 400 Jahre Buchdruckkunst. So genau kann man das, was in den 1440er Jahren in Mainz vor sich ging, aber eigentlich gar nicht datieren. Johannes Gutenberg jedenfalls war 1440 gar nicht in seiner Geburtsstadt Mainz, sondern in Straßburg, und auch der Haarlemer Laurens Jansszoon Coster hatte erst um 1442 einen Schüler namens Johannes samt Typen und Werkzeug nach Mainz verloren. Die Costerschen Typen waren übrigens noch aus Buchenholz und nicht aus Blei, aber auch damit konnte man ganze Bücher drucken.

Nun also die »Säcularfeier«. Felix Mendelssohn Bartholdy schrieb zuerst einen Festgesang zum Gutenbergfest für Männerchor und zwei Blasorchester, der auf dem Marktplatz aufgeführt wurde. Davon gibt es nur diese Aufnahme mit Klavier. Ein zweites Werk schrieb er für das Gewandhaus-Orchester und die Thomas-Kantorei, eine große Sinfoniekantate mit dem Titel Lobgesang, die zweite seiner fünf Sinfonien. Hier gibt es eine schöne Aufnahme aus dem Kloster Eberbach (passt doch zu Lortzing...) mit Alain Altinoglu. Das Kirchenlied »Nun danket alle Gott«, das auch im Festgesang zitiert wird, spielt dabei eine große Rolle. Für den protestantischen Kirchenmusiker Mendelssohn bedeuete Gutenberg natürlich vor allem: Gutenbergbibel. Deswegen suchte er sich Texte in der Bibel für sein Werk, das am 25. Juni 1840 in der Thomaskirche zur Uraufführung kam. Zwei Tage davor hatte im Leipziger Stadttheater Hans Sachs von Albert Lortzing seine Premiere.

Lortzing und seine Schauspielkollegen Philipp Reger (1804–1857) und Philipp Jacob Düringer (1809–1870), die ihm beim Libretto halfen, nahmen sich dafür ein Schauspiel des Burgtheaterdirektors Johann Ludwig Deinhardstein (1790–1859) zur Vorlage. Deinhardstein befasste sich gern mit Künstlerpersönlichkeiten in dramatischer Form. Fünf davon veröffentlichte er später unter dem Titel Künstlerdramen (1845, Leipzig). Boccaccio war 1816 sein erster großer Erfolg, Hans Sachs folgte 1827 und Garrick in Bristol 1832. 1847 schrieb er noch Fürst und Dichter, der Dichter darin ist Goethe. 

Laut Libretto spielt Hans Sachs 1517. Im Jahr davor war Sachs von der Gesellenwanderung wieder nach Nürnberg zurückgekommen, aber Meister war er natürlich noch nicht, das wurde er erst 1520. Dem Kaiser Maximilian I. war er in Innsbruck auf der Wanderung begegnet und die Begegnung soll ihn dazu animiert haben, den Minnesang zu studieren. Geheiratet hat er 1519 und zwar die Bergbauerntochter Kunigunde Creutzer aus Markt Wendelstein. Eoban Hesse ist die vierte historische Figur in dem Spiel, ebenfalls mit Ungenauigkeiten, denn Helius Eobanus Hessus (oder Eoban Koch) kam erst 1526 nach Nürnberg und zwar nicht als Ratsherr, sondern als Rhetorik- und Poetik-Professor, und auch nicht aus Augsburg, dort hatte er gar nichts zu tun, sondern aus Erfurt. Die Verbindung Maximilians I., der 1519 starb, mit Nürnberg hat außer Hans Sachs nooch einen berühmten Namen: Albrecht Dürer.

Also vier Namen auf dem Personenzettel von Hans Sachs sind geschichtsträchtig: Kaiser Maximilian I., Hans Sachs, Kunigunde und Eoban Hesse. Dazu kommen die erfundenen Figuren Meister Steffen (als Goldschmied das Vorbild für Wagners Veit Pogner), der (und nicht ein Bergbauer) der Vater Kunigundes sein soll, Cordula, eine Nichte Steffens, Görg, Lehrbursche Sachsens und damit Vorbild für David, Meister Stott, als erster Merker Vorbild für Wagners Beckmesser, sowie zwei Ratsherren, zwei Bogenschützen und die Frau Saberl, eine Zeltwirtin.

Die Handlung nimmt manches vorweg, was Wagner in den Meistersingern von Nürnberg weiterspinnt, aber einige Punkte sind ganz anders: so ist Wagners Sachs gar nicht jung, sondern schoon Witwer, und er hat in Walther von Stolzing einen ganz anderen Gegenspieler, als das Görg ist bei Lortzing, der ihm das Lied stiehlt und wegwirft, oder Eoban Hesse oder Maximilian I.

Der Sängerwettstreit steht bei Lortzing im zweiten Akt und hat damit eine zentrale Stellung (nicht so in der CD-Aufnahme mit Karl Schmitt-Walter, wo der zweite Akt mit dem zweiten Bild des ersten Aktes anfängt); eine Entführung wird im zweiten Akt auch geplant, es ist aber Sachs, der Kunigunde entführen will, er wird erwischt und aus der Stadt verbannt. Heimlich kehrt er im dritten Akt zurück, um den Kaiser zu sehen, dabei wird Eoban mit dem falschen Lied, das er nun als seins behauptet, erwischt und seinerseits aus der Stadt verbannt. Allgemeiner Jubel.

Mehr am Mittwoch,
Ihr Curt A. Roesler

Dienstag, 5. März 2024

Minimal Music und Oper

Nixon in China, die Oper, die im Juni, fast 37 Jahre nach ihrer Uraufführung, zur Berliner Erstaufführung kommt, ist keineswegs die erste Oper, die nach den Prinzipien der Minimal Music komponiert wurde. Das ist, wenn schon, Einstein on the Beach (1976), von den Berliner Opernhäusern bisher ebenso ignoriert wie alle anderen Werke dieser Kategorie. John Adams, Jahrgang 1947 wird bereits zur »zweiten Generation« der Minimal Komponisten gezählt, während Philip Glass, der Komponist von Einstein on the Beach (und Satyagraha, und Akhnaten sowie bisher 24 weiterer Opern) noch zur »ersten Generation« gehört, obwohl er nur zehn Jahre älter ist. Übrigens: alle vier Komponisten, die man als Gründer der Minimal Music bezeichnen kann, sind Amerikaner, und alle vier, zwischen 1935 und 1937 geboren, leben noch: Terry Riley, La Monte Young, Steve Reich, Philip Glass.

Vielleicht wäre es genauer, statt von der »zweiten Generation« von einer »internationalen Generation« zu sprechen, den hier sind erstmals Europäer dabei. Neben den Amerikanern Frederic Rzewski (1938–2021) und John Adams (um nur die prominentesten zu erwähnen), werden dabei u. a. zwei Deutsche genannt, von denen einer, der Berliner Erhard Grosskopf, sogar ein Jahr älter ist als Terry Riley und La Monte Young. Der andere, Peter Michael Hamel, ist gleich alt wie John Adams. Wer seit 40 Jahren alle Produktionen an der Deutschen Oper Berlin gesehen hat, wird zumindest den Namen Erhard Grosskopf kennen, 1987 wurde Lichtknall von ihm als Ballett produziert, von Lucinda Childs choregrafiert, von Achim Freyer ausgestattet und inszeniert. Lucinda Childs ist auch mit John Adams seit 1983 verbunden, er schuf die elektronische Musik für Available Light, inzwischenauch etwa im Hebbeltheater gezeigt. Achim Freyer, war der Regisseur und Bühenbildner der Deutschen Erstauffühurng Satyagraha 1981 in Stuttgart, war also ebenfalls schon früher mit Minimal Music in Berührung gekommen. Grosskopf übrigens vermied es damals, sich als Minimalisten zu bezeichnen, lieber wies er auf die Wurzeln in der Reihenkomposition Arnold Schönbergs hin, die ihn zu seinen Lösungen brachte. Es gab in Deutschland damals eine gewisse Skepsis gegenüber allem, was »über den großen Teich« kam, und dazu gehörte Minimal Music. Die weiteren bisher genannten Komponistennamen werden den meisten von Ihnen unbekannt sein. In der »zweiten« oder »internationalen« Generation aber taucht der Name eines Engländers auf, der zumindest den Filmfans unter Ihnen bekannt sein könnte. Wer hat nicht 1993 den Oscar-Prämierten Film The Piano von Jane Campion gesehen? Die Musik stammte vom 1944 geborenen Michael Nyman. Hier ist die Titelmelodie zu hören. Der aggressive Klavieranschlag des Komponisten gefällt mir nicht wirklich, wenn er auch zu der rauen Geschichte passt. Das ist aber nur ein Problem, wenn man die Musik ohne die entsprechenden Bilder hört. Wie man hier sehen und hören kann, wo die Klaviermusik den Moment begleitet, wo Ada as Klavier vo Bord werfen lässt und erst nicht klar ist, ob sie sich selbst zusammen mit dem Klavier im Meer versenken will. Die Melodie ist jedoch eine Erfindung, die sich weiterspinnen lässt, wie in diesem Arrangement, das zwischen »Klassik« und »Unterhaltung« liegt, »easy listening« gewissermaßen.

Was aber ist »Minimal Music«, wo kommt sie her? In der Musikgeschichte gibt es mehrere Übergänge, wo das Neue nicht darin bestand, das Herkömmliche immer noch komplexer zu machen, sondern es zu vereinfachen. Einen solchen Übergang haben wir im 18. Jahrhundert, als die Söhne und andere Nachfolger Bachs, sich weigerten den Kontrapunkt noch vielstimmiger und undurchsichtiger zu machen, um zu etwas Neuem zu gelangen, sondern ihre Musik auf einfache Melodien und Begleitungen reduzierten. Oder am Anfang des 20. Jahrhunderts, als Igor Strawinsky mit Histoire du soldat ein Musiktheater erfand, das mit wenigen Instrumenten und Darstellern den größtmöglichen Gegensatz zu den nach Wagner immer noch größer gewordenen Orchestern mit kaum noch beherrschbaren Klangmassen darstellte. Oder eben 1960 mit der Entwicklung in den Künsten zu einer möglichst konsequenten Reduktion. Das Stichwort dazu ist »Fluxus«, eine vom litauisch-amerikanischen Künstler George Maciunas (1931–1978) gegründete Bewegung in der Kunst. In New York fanden die ersten entsprechenden Veranstaltungen 1961 statt und schnell kam die Bewegung nach Wiesbaden, wo Maciunas mit der US-Army stationiert war. Hier traf sie auf Künstler wie Nam June Paik, Wolf Vostell und Joseph Beuys, die schon ähnliche Konzepte einer Aktionskunst ausprobiert hatten. An der Fluxusbewegung waren immer auch Musiker beteiligt wie John Cage und Karlheinz Stockhausen. Aber parallel dazu gab es Komponisten, die sich auf das musikalische Material konzentrierten. So schrieb der schon erwähnte La Monte Young 1960 die Composition 1960 No. 7, die aus nur zwei Tönen im Quintabstand (h und fis) besteht und in beliebiger Besetzung aufgeführt werden kann. Die Dauer ist nicht fest vorgeschrieben (die Anweisung ist: »To be held for a long time«), es gibt Realisierungen, die über eine Stunde dauern und welche, die sich auf 10 Minuten beschränken. Der musikalische Verlauf aus Abwechslung und Repetition entsteht aus dem Zusammenklang und aus möglichen improvisierten Abweichungen vom reinen Ton. Es kann also so klingen von einem gemischten Ensemble oder so von einem Steichquartett. die Uraufführung 1961 wurde von einem Streichtrio realisiert und dauerte 45 Minuten. Eine minimalistische Aufführung will ich Ihnen zum Schluss auch nicht vorenthalten, sie wird auf einem entsprechend eingestimmten Hurdy-Gurdy gespielt (ohne Melodie, nur die Bordunsaiten werden benutzt) und dauert eine Minute und zehn Sekunden.

Wesentliches Charakteristikum der Minimal Music ist die Repetition. Das trifft übrigens auch auf Composition 1960 No. 7 zu, denn auf fast jedem Instrument muss man mehrmals ansetzen, um die Töne für eine lange Zeit halten zu können. Eine weitere ikonische Komposition der Minimal Music ist In C (1964) von Terry Riley, hier in einer CBS-Tonaufnahme von 1968. Die Komposition besteht aus 53 »Modellen«, kleinen rhythmischen und melodischen Keimzellen, die von einer beliebigen Anzahl von Musikern durchgespielt werden, wobei sie die Freiheit haben, jedes einzelne Modell beliebig oft zu wiederholen. Zusammengehalten wird das Stück durch das unablässig wiederholte ganz hohe C des Klaviers. Hier die Tonaufnahme von 1968 mit Terry Riley selbst am Saxophon. Und hier eine aktuelle Aufführung aus Prag (ohne Klavier, das geht auch), die fast doppelt so lange dauert und bei der der schweizerische Posaunist Roland Dahinden mitwirkt, der auch sein Alphorn mitgebracht hat. 1965 veröffentlichte Steve Reich, der dritte unter den ersten vier Minimal Komponisten It'gonna rain. Auch diese Komposition basiert auf unablässiger Repetition und sie führt das Tonbandgerät als Musikinstrument ein. Grundlage sind zwei identische Tonbänder von einem banalen Satz über den Regen, die versetzt abgespielt werden. Die Aufnahme wurde 1964 in San Frncisco gemacht und zu hören ist ein Pfingstprediger; im ersten Teil ist es tatsächlich nur der eine Satz, interessanter wird es im zweiten Teil, wo die Zeitverschiebung zwischen den beiden Tonbandmaschinen deutlicher wahrzunehmen ist. Hier die Originalkomposition, der zweite Teil beginnt bei etwa 8 Minuten. 

Bevor wir zur Oper kommen, noch ein kurzer Überblick über die Vorgänger der Minimal Music, also reduzierte Musik seit 1900, und über weitere Einflüsse. Fangen wir bei Erik Satie (1866–1925) an, dem von den Akademikern immer wieder gesagt wurde, er würde sich zu wenig um die Form in seinen Werke kümmern. Er reagierte darauf 1903 mit einem Werk für vierhändiges Klavier Trois Morceaux en forme de poire avec une manière de commencement, un prolongement du même et un en plus suivi d’une redite (Drei Stücke in From einer Birne mit einer Art Anfang, einer Verlängerung und noch einer, gefolgt von einer Wiederaufnahme). Jedes Wort dieses langen Titelsist eine Verhöhnung des akademischen Musikbetriebs, so sind es etwa nicht drei sondern sieben Stücke und die Wiederaufnahme stellt eine völlig neue Musik dar. Satie ist dem Dadaismus nah (der allerdings erst 1916 gegründet wurde), wie die Minimalisten es der Fluxusbewegung sind. Hier mit Noten. Charles Ives (1874–1954) schrieb 1906 The Unanswered Question, ein Werk in drei Ebenen: ein Streicherensemble, das mit lange liegenden Akkorden eine Grundlage bildet; ein Ensemble von 4 Flöten, die an einigen Stellen überhaupt nicht dazu passende schnell bewegte Kommentare abgeben; eine ferne Trompete, die eine Melodie in einem ganz anderen Takt spielt. Hier das Rundfunkorchester des Hessischen Rundfunks unter Andrés Orozco-Estrada. Die Gleichzeitigkeit von verschiedenen, auf einfachen Partikeln (Patterns) bestehenden musikalischen Elementen, ist ebenso ein Charakteristikum der Minimal Music. John Cage (1912–1992) schließlich erfand eine Musik der Stille mit 4'33", vier Sätze »Tacet« (heißt: »hat hier nicht zu spielen«) für alle beteiligten Instrumente. Hier aufgeführt von Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern, kurz vor dem zweiten Corona Lockdown. Das Erkunden der Stille ist ebenfalls ein Element in der Minimal Music, wenngleich man gerade bei den Opern eher einen gegenteiligen Eindruck gewinnt, also den Versuch, Wagner an Bombast noch zu übertreffen. Wie die gesamte westliche Kultur der 1960er Jahre sind auch die Minimalists von der Neuentdeckung Indiens geprägt. Ravi Shankar (1920–2012) bereiste die ganze Welt mit seiner Tabla und machte nicht nur das indische System der Ragas (eine Zusammenfassung von Tonarten und Spielanweisungen für den jeweiligen Charakter eines Stücks) und der Talas (Zeiteinteilungen, die nicht mit den westlichen Taktarten zu vergleichen sind), sondern auch die indische Philosophie bekannt. Die Beatles reisten nach Indien, die Gurus verschiedenster Richtungen hatten großen Zulauf, die Ashrams (Einsiedeleien) wurden von Westlern bevölkert. Und damit kommen wir endlich zu Philip Glass. 1965 traf er in Paris Ravi Shankar, der dort war, um die Musik für den LSD-Film Chappaqua, in dem er auch selbst mitwirkte, aufzunehmen. Shankar brauchte jemanden, der seine Musik in westliche Notation brachte, damit sie von örtlichen Musikern gespielt werden konnte. Ornette Coleman, der auch in dem Film mitwirkt, schrieb ursprünglich die Musik, die jedoch offenbar nicht oder nur teilweise verwendet wurde. Das Ergebnis gibt es auch auf YouTube, hier. Glass vertiefte sich in die indische Musik, lernte Tabla spielen, wurde Buddhist, traf den Dalai Lama und blieb in ständigem Kontakt mit Ravi Shankar, wovon das Album Passages von 1990 zeugt, hier zu hören.

Mit Robert Wilson entwickelte er 1975 das Konzept für Einstein on the Beach, alles andere als eine konventionelle Oper, aber auch nicht eine avantgardistische Kampfansage an das Genre wie Die Soldaten von Bernd Alois Zimmermann oder der LICHT-Zyklus von Karlheinz Stockhausen. Eine durchgehende, nachvollziehbare Handlung hat Einstein on the Beach ebensowenig wie die darauf folgenden Satygraha und Akhnaten. 1976 kam Einstein on the Beach in der Regie von Robert Wilson und mit Lucinda Childs als Darstellerin und Choreografin in Avignon heraus. Um die Oper auch in seiner Heimat zu zeigen, mietete Glass die Metropolitan Opera an, zwei ausverkaufte Aufführungen bescherten ihm einen Haufen Schulden. In Berlin ist das Werk bisher nur 2001 von einer freien Truppe in der ehemaligen Staatsbank der DDR gezeigt worden. 2014 brachte das Theatre du Châtelet in Paris eine Neuproduktion durch Robert Wilson, Lucinda Childs und den Dirigenten Michael Riesman, der auch schon bei der Urauffühurng dabei war. Die Produktion wurde übertragen und bei YouTube haben sich größere Ausschnitte erhalten, die in dieser Playlist zusammengfasst sind. Es fehlen namentlich der Prolog und die Knee Plays (Vor- und Zwischenspiele, Knee Play 5 ist eine Art Epilog) 1, 2 und 5, sowie die erste Szene des driten und die zweite Szene des 4. Aktes.

Inzwischen spielt die Metropolitan Opera Philip Glass in eigenen Produktionen, so 2019 Akhnaten mit weltweiter Kinoübertragung. Kann man auf deren Hompage leihen. Öffentlich zugänglich ist natürlich nur der Trailer. Aber kommen wir nun endlich zu John Adams. Er war an der Harvard University Schüler von Leon Kirchner (1919–2009), der seinerseits in Kalifornien bei Arnold Schönberg studiert und dessen Tochter Gertrude geheiratet hatte. Seine erste minimalistische Komposition legte Adams 1977 vor, Phrygian Gates für Klavier solo. Hier zu hören mit Noten, die Nähe zu In C ist unverkennbar. Er zog nach San Francisco, wo 1981 sein Chorwerk Harmonium zur Uraufführung kam, das auch die Aufmerksamkeit von Sir Simon Rattle auf sich zog, der es zuerst in Birmingham und 1990 bei den »Proms« in London zur Aufführung brachte. Inzwischen ist es dort schon eine Art Klassiker, hier die Aufnahme von 2017 mit dem BBC Symphony Orchestra and Chorus. 1982 bis 1985 war er »Composer in residence« bei der San Francisco Symphony, deren Chefdirigent Edo de Waart war.  Den Abschluss bildete Harmonielehre, ein dreiteiliges Orchesterwerk, das inzwischen ebenfalls zu den ikonischen Stücken der Minimal Music gehört. Der Titel ist eine Hommage an den Lehrer seines Lehrers, dessen theoretische Schrift Harmonielehre, zur Pflichtlektüre aller Komponisten gehört. Hier eine Aufnahme vom Mostly Modern Festival in Saratoga Springs NY 2019.

Schon 1983 traf er den jungen Regisseur Peter Sellars, der mit Inszenierungen der Da-Ponte-Opern Mozart Furore gemacht hatte und der im Folgejahr als Direktor des American National Theatre im Kennedy Center nominiert wurde. Die Mozart-Inszenierungen, die in einem Diner in Cape Cod in einem Luxus-Appartement im Trump-Tower und in der New Yorker Harlem City spielen, wurden auch als Fernsehfilme produziert. Sellars wollte, dass Adams eine Oper schreibt, weil er etwas Zeitgenössisches haben wollte, aber der sträubte sich zuerst. Vor allem wollte er einen erfahrenen Autor als Librettisten an seiner Seite haben. Erstaunlich, dass sie sich dann gemeinsam auf Alice Goodman einigten, eine junge Literaturwissenschaftlerin, die zwar auch schon ein paar Gedichte veröffentlicht hatte, die Adams gelesen hatte, die aber keinerlei Erfahrungen mit Theater oder Oper hatte. Als man sich auf ein Sujet geeinigt hatte, nämlich den Besuch Richard Nixons 1972 in China, war Adams Feuer und Flamme, weil er die Möglichkeit sah, aufzuzeigen, wie aus realen Ereignissen Mythen entstehen. Unter uns: das ist genau das Prinzip von Giulio Cesare in Egitto, Gustave III., Les huguenots, Le prophète, Don Carlos etc. Allerdings wird man kaum eine barocke, klassische oder romantische Oper finden, deren Hauptpersonen aus der realen Welt zum Zeitpunkt der Uraufführung nicht schon längst tot waren.

Außer der Washington Opera fanden sich als Auftraggeber noch die Brooklyn Academy of Music (dort gibt es ein wunderschönes Neo-Renaissance-Opernhaus mit 2100 Plätzen) und die Houston Grand Opera, wo das Werk am 22. Oktober zur Uraufführung kam, Peter Sellars inszenierte und John DeMain dirigierte. Sechs Hauptpersonen führt das Libretto auf: Richard und Pat Nixon, Bariton und Sopran, Mao Tse-tung und Chiang Ch'ing (Schreibweisen wie im Libretto), Tenor und Koloratursopran, Chou En-lai und Henry Kissinger, Bariton und Bass. Dazu kommen als Sidekicks drei Sekretärinnen Maos, Mezzosopran, Alt und tiefer Alt. Dass Henry Kissinger von einem Bass dargestellt wird, ist wohl klar, denn als Tenor hätte diese Figur wohl niemand akzeptiert. Die Verteilung Tenor–Bariton zwischen Mao und Nixon zwingt aber zum Nachdenken. Wieso ist Nixon nicht der Held und Mao der Bösewicht? Und wieso ist Maos Gattin Koloratursopran? Dass Chou En-lai Bariton ist, dem das Schlusswort zukommt, ist bleibt sicher unwidersprochen.

Von den drei Akten sind die ersten beiden in jeweils drei Bilder aufgeteilt. Es beginnt spektakulär mit der Ankunft der Nixons und Kissingers am Peking Airport, Chou erwartet sie, der Chor singt die Regeln der Disziplin und der Achtsamkeit ab, man tauscht Höflichkeiten aus und Nixon muss natürlich erwähnen, dass das alles historisch ist. Das zweite Bild bringt uns in Maos Büro, wo die Sekretärinnen die kryptischen Worte des »Überragenden Führers« sekundieren. Man tauscht Banalitäten aus. Das dritte Bild führt uns in die Große Halle des Volkes, wo Chou und Kissinger Toasts ausbringen. Kissinger, der weiß, dass man ihn als »Kommunistenfresser« kennt, versteigt sich zu: »I opposed China, I was wrong«. Im ersten Bild des zweiten Aktes folgen wir Pat Nixon bei einer Führung durch die Stadt, Fabrikarbeiter geben ihr einen Spielzeugelefanten, der wie sie anmerkt das Wappentier der Republikaner ist, der Partei, die ihr Mann anführt; in einer Schule erinnert sie sich an die eigene Zeit als Lehrerin. Im zweiten Bild ist sie in einem Sommerpalast, wo sie in einer Arie die wunderbare Zeit des Friedens voraussieht. Der absolute Höhepunkt kommt im dritten Bild, in der Peking Oper wird Das rote Frauenbataillon von Chiang Ch'ing zu Ehren der Gäste aufgeführt, die natürlich nichts davon verstehen, Pat Nixon versucht sogar einzugreifen und fordert eine wütende Arie Chiang Ch'ings heraus, in der sie die Kulturrevolution preist, worauf ein Revolutionschor folgt. Der dritte Akt ist eine Simultanszene der Schlafzimmer. Die Nixons erinnern sich an ihre Jugend im Zweiten Weltkrieg, wie sie sich um das Radio versammelten, auch Mao erinnert sich, Chiang war ein junger Star und suchte ihn in der Revolutionszeit auf, sie aber bleibt auf dem rechten Pfad: »The revolution must not end«; Chou ist alt und kann nicht schlafen, er resumiert sein Leben und fragt sich »How much of what we did was good?«

Eine Aufführung der Oper aus dem Pariser Théâtre du Châtelet von 2012 ist hier zu sehen. Die Fernsehübertragung der Uraufführung ist etwas versteckt, aber man findet sie auch auf YouTube, hier.

Dann also bis Mittwoch Abend, Ihr Curt A. Roesler

Dienstag, 27. Februar 2024

»Heiteres Musiktheater«

Den Begriff »Musiktheater« prägte Walter Felsenstein. 1947, als die DDR noch nicht existierte, gründete er im Metropoltheater – nicht zu verwechseln mit dem Admiralspalast, der später diesen Namen bekam und ihn bis heute trägt – die Komische Oper und leitete damit auch eine ganz neue Phase in seinem Schaffen als Regisseur ein. Hatte er als Schauspielregisseur vor und während des 2. Weltkriegs in Österreich, Deutschland und der Schweiz auch Opern und Operetten inszeniert, so konzentrierte er sich jetzt auf musikalische Bühnenwerke, beginnend mit Die Fledermaus von Johann Strauß. Er führte dabei Inszenierungsmethoden ein, die bis daher nur im Schauspiel bekannt waren. So begannen seine Proben grundsätzlich mit der Lesung des Textes mit dem gesamten Ensemble, was in der Oper unüblich ist, weil dort jeder Sänger seine Partie bereits auswendig kennt, wenn er zur ersten Probe kommt, und sie nicht da erst ausgehändigt bekommt. Auch setzte er nicht von vornherein ein Premierendatum an, sondern es wurde so lange probiert, bis alles aus seiner Sicht perfekt war – und auch nach der Premiere wurde weiter probiert, wenn er mit irgend etwas unzufrieden war. Vieles von dem, was er als künstlerisches Ideal vor sich hertrug, deckte sich mit Elementen dessen, was in der Sowjetunion unter dem Begriff »sozialistischer Realismus« zur Doktrin für die Künste geworden war. Oper wurde (und wird von vielen auch heute noch) wahrgenommen als Kunst für die Privilegierten, für die Bürger, die im 20. Jahrhundert an die Stelle der Adligen getreten waren. Es musste also ein neuer Begriff her, der möglichst viele Facetten des gesungenen Theaters abdeckt: Musiktheater. Das konnten Operetten sein, oder opéras comiques, von denen der Begriff Komische Oper kommt, später waren es zuweilen auch Musicals, aber auch Opern und jede denkbare experimentelle Form zwischen Oratorium und Oper. Was Felsenstein nun in seinem Theater praktizierte, nannte sich »realistisches Musiktheater«. Ein Widerspruch in sich selbst, denn es ist kaum realistisch, dass ein Operntext im wirkichen Leben gesungen würde. Man kann sich damit behelfen, dass man erläutert, die Opernfiguren seien Menschen, die sich in einer ganz außergewöhnlichen emotionalen Verfasssung befänden, und die Texte, die sie zu singen hätten, können ma gar nicht sprechen, sie müssten in der Gemütsverfassung, in der sich die Personen befänden, auf jeden Fall gesungen werden.

Selbst während des 2. Weltkriegs sind in Deutschland (zumindest bis zur Ausrufung des »totalen Kriegs) Operetten gespielt worden. Wie viel mehr gab es nach der Befreiung 1945 das Bedürfnis nach unterhaltender Kunst. Kurz vor der Komischen Oper in Berlin wurde in Dresden das Apollo-Theater mit Die lustige Witwe eröffnet, Vorgänger-Institution zur Staatsoperette. In anderen Städten mussten die Theater, die eigentlich für das Unterhaltende gebaut waren, für die weit mehr zerstörten Opernhäuser einspringen, in Berlin der Admiralspalast für die Staatsoper und das Theater des Westens für die Städtische Oper, in Leipzig das Haus Dreilinden. Alle sollten später einmal, wenn die Opernensembles wieder in ihre eigenen Häuser zurückgekehrt waren, der Operette und dem Musical Platz machen, heute existiert aber nur noch Staatsoperette.

Es gab also das Bedürfnis nach leichter Unterhaltung, es gab einige wenige Spielstätten und es gab den Begriff »Musiktheater«. Flugs entstand das »Heitere Musiktheater«. Ein Begriff, der fast nur in der DDR verwendet wurde – und heute einen Wikipedia-Eintrag hat. Ein paar Komponisten standen dafür zur Verfügung, Eberhard Schmidt (1908–1996) etwa, Guido Masanetz (1914–2015) oder Conny Odd (1916–1986). Der gerade 20jährige Gerd Natschinski sollte erst noch Meisterschüler bei Hanns Eisler werden.

Mit dem Spielfilm Meine Frau macht Musik (hier auf YouTube) etablierte sich Natschinski 1958 als Filmkomponist, den größten Erfolg als solcher hatte er 1968 mit Heißer Sommer. Schaut man den Vorspann von Meine Frau macht Musik, wundert man sich, wer da alles mitwirkt. Berlin war offensichtlich noch eine offene Stadt. Da wirken SED-Mitglieder mit, wie Günther Simon, aber auch Evelyn Künneke oder Jens Keith, der Chorerograph der Städtischen Oper. Zu Evelyn Künnekes Mitwirkung berichtet Wikipedia eine wilde Geschichte, die ich allerdings nicht vollkommen nachvollziehen kann. Dass keine Musik von Siegfried Wegener enthalten sein durfte, der ja beim RIAS, also beim »Großen imperialistischen Satan«, beschäftigt war, leuchtet ein, aber »Caramba, Señores« (bei 50:28) ist auf jeden Fall von Gerd Natschinski, das sagt auch die GEMA-Datenbank, und dass die Musik auf schon bestehendes Filmmaterial aufkopiert worden sein soll, ist wenig wahrscheinlich. Es kann natürlich sein, dass ursprünglich noch zwei weitere musikalische Nummern von Evelyn Künneke im Film waren, die später ganz herausgenommen wurden.

In Heißer Sommer, einer 60er Jahre Teenie-Komödie, spielte das Schlager-Ehepaar Frank Schöbel und Chris Doerk mit, es war einer der größten DEFA-Erfolge. Den ganzen Film gibt es derzeit nicht suff YouTube, aber »Woher willst Du wissen, wer ich bin«, wo man die beiden hören und seheh kann, gibt es hier.

Die beiden größten Bühnenerfolge von Gerd Natschinski sind die Operette Messeschlager Gisela (1960) und das Musical Mein Freund Bunbury (1964). Mein Freund Bunbury ist – natürlich auch wegen der geschickt gewählten Vorlage von George Bernard Shaw – bis heute ein Erfolgsstück. Es wurde seinerzeit außer in den sozialistischen Ländern auch in der BRD, in Österreich und der Schweiz gespielt. Von beiden sind derzeit keine Videos verfügbar. Messeschlager Gisela wurde 1965 mit Gisela May und Eva-Maria Hagen für den DFF aufgezeichnet, vielleicht gibt es eine Wiederbegegnung in der ARD, die ja die Bänder haben muss. Von beiden Werken erschienen Querschnitte auf 25-cm-Schallplatten, die man auf YouTube finden kann. Mein Freund Bunbury ist das einzige Werk von Gerd Natschinski, das Eingang in die Enzyklöpadie des Musiktheaters gefunden hat. Und es ist auch das einzige »Heitere Musiktheater« in der Enzyklopädie, soweit ich sehen konnte.

1998 brachte die Neuköllner Oper Messeschlager Gisela in einer kammermusikalischen Fassung von Frank Schwemmer und Peter Lund heraus. Es ist ein Stück, das nach Belrin gehört. Der »Messeschlager« darin ist eine kurz vor dem Mauerfall in einem Berliner VEB entworfene (Haute-)Cuture, die auf der Leipziger Messe groß herauskommt, weil das vorgesehene Prachtstück, eine Nachahmung der Pariser Mode, plötzlich verschwunden ist. Allerhand Intrigen und Liebesgeschichten ranken sich um die gemeinsame Fahrt nach Leipzig, woraus sich Anlässe für herrlich unkomplizierte Musik ergeben. Es wird nun höchste Zeit, dass dieses besondere Werk wieder einmal in Berlin gespielt wird.

Mehr wie immer am Mittwoch in der Alten Feuerwache.
Ihr Curt A. Roesler

Mittwoch, 21. Februar 2024

Russische Geschichte mit »Chowanschtschina«

Modest Mussorgski hat 13 Mal einen Anlauf genommen für ein Bühnenwerk; nur eines ist ganz fertig geworden, diese aber in zwei unterschiedlichen Fassungen, Boris Godunow; eines, Die Heirat nach Gogol, liegt immerhin zu einem Drittel vor; zwei sind halbwegs rekonstruierbar, Chowanschtschina und Der Jahrmarkt von Sorotschinzy. Die letzte Oper haben wir behandelt, als die Komische Oper sie herausbrachte, 2017. Heute geht es um Chowanschtschina, die Staatsoper hat eine Produktion mit Claus Guth als Regisseur vor.

Wie Boris Godunow behandelt Chowanschtschina einen Moment in der Geschichte des russischen Zarenreichs. Spielt Boris Godunow in der Zeit von 1598 (Krönung) und 1605 (Tod und Wirren um die Nachfolge), so kann man Chowanschtschina auf das Jahr 1682 eingerenzen – mit einem Ausblick auf spätere Zeiten bis 1698. Der Titel ist schwer zu übersetzen, ganz sicher bedeutet Chowanschtschina (Хованщина) nicht »Die Fürsten Chowanski« wie das in der ersten deutschen Übersetzung wiedergegeben wurde. Und »Die Sache Chowanski« – wie die Staatsoper den Titel auf ihrer Homepage erläutert, ist vielleicht ein wenig zu schwach. Lew Dodin, der die Oper 2014 an der Wiener Staatsoper inszeniert hat, hat sich bei der Einführungsmatinee (hier bei YouTube) ausführlich dazu geäußert.  Chowanschtschina (den Begriff soll Peter I. geprägt haben) heißt demnach so etwas wie »Die Schweinereien der Chowanskis«.

Die Vorgeschichte beginnt 1643 mit dem Tod des Zaren Michael I., der die Regierungsgewalt ganz offiziell an seinen 16järigen Sohn Alexei I. übergibt. Dieser hat insgesamt 14 Kinder, 11 mit seiner ersten Frau Maria Miloslowskaja, drei mit der zweiten, Natalija Naryschkina. Unter den Kindern aus der ersten Ehe sind der künftige Fjodor III. (Regierungszeit 1676–1682) und Ivan V., sowie die künftige Regentin Sofia. Der Erstgeborene in der 2. Ehe ist der künftige Zar Peter I., später »der Große« genannt. Sofia und Peter I. sollten ursprünglich in der Oper Chowanschtschina auftreten, manche Inszenierungen rekonstruieren das. 

1666 spaltet sich die orthodoxe Kirche. Die Altgläubigen, später »Raskolniki« (»Spalter«) genannt, lehnen die Reformen des Patriarchen Nikon ab, dieser wird zwar später entmachtet, aber die Spaltung bleibt, die Altgläubigen werden als Ketzer verfolgt, aber bis heute nicht ausgelöscht. Einer ihrer Anführer war Awwakum Petrow, der 1682 mit seiner Familie in Sibirien auf dem Scheiterhaufen endete. Kurz nach diesem Ereignis stirbt Fjodor III., der mit seinen Reformen das Volk gegen die Zarenherrschaft aufgebracht hatte, kinderlos. Es brechen Unruhen in Moskau aus, an deren Spitze sich die Strelitzen (wörtlich: Schützen) setzen, eine Söldnerarmee, von Ivan IV. 1550 als Palastgarde gegründet und inzwischen etabliert und mit Privilegien ausgestattet, die Fjodor einschränkte. Der Erste Strelitzen-Aufstand mit der zweimaligen Erstürmung des Kreml bricht aus, als sich das Gerücht verbreitet, Naryschkina habe den rechtmäßigen Thronerben Iwan (der jüngere Bruder des verstorbenen Fjodor) ermorden lassen, um ihren Sohn Peter (den Halbbruder Fjodors) auf den Thron zu bekommen. Bei der zweiten Erstürmung des Kreml ermorden die Strelitzen zwei Onkel Peters vor dessen Augen, was einen unversöhnlichen Hass auf die Strelitzen und ihren Anführer Iwan Chowanski zur Folge hat. Der Patriarch Ioakim kann die kämpfenden vorerst beruhigen, als Kompromiss wird Sofia, die ältere Schwester Iwans als Regentin eingesetzt, Peter wird »Mitzar«. Im Herbst versucht Iwan Chowanski, nicht nur Stelitzenführer, sondern auch Anhänger Awwakums, die Herrschaft an sich zu reißen. Wassily Golizyn und Fjodor Schaklowity bereiten dem Aufstand im Namen der geflüchteten Regentin und der beiden Zaren ein Ende. Chowanski wird hingerichtet, Schaklowity ersetzt ihn als Anführer der Strelitzen.

Noch ist Peter nicht alleiniger Zar, obwohl es im 3. Akt ein wenig so ausieht. Das kommt erst 1689, als Golizyn sich gegen den Naryschkin-Clan wendet und die Krönung Sofias zur Zarin fordert. Er wird hingerichtet und Sofia ins Kloster gesteckt. 1698 kommt es zu einem weiteren Aufstand der Strelitzen, der von Peter blutig niedergeschlagen wird.

Anders als bei Boris Godunow gab es für Chowanschtschina keine literarische Vorlage. Mussorgski musste sich den Text selbst schreiben, untersützt wurde er von dem bedeutenden Kunstkritiker und Kenner der Geschichte Wladimir Stassow, einem seiner engsten Freunde, dem er auch mehrere Werke gewidmet hat, darunter die Bilder einer Ausstellung und natürlich auch Chowanschtschina. Der Briefwechsel dazu ist sehr aufschlussreich. Mussorgski hatte viel zu viele Ideen, die er immer wieder einkürzen musste. Am Ende blieb ein Klavierauszug mit ganz wenigen Lücken im Vergleich zur Libretto-Ausgabe. Das Libretto übrigens wurde natürlich zensiert, das Wort »Raskol« (»Spaltung«) durfte z. B. nicht vorkommen. Nach Mussorgskis Tod instrumentierte Nikolai Rimsky-Korsakow die Oper und nahm einige kleine Ergänzungen vor, 1886 wurde die Oper so in einem Privattheater in St. Petersburg uraufgeführt und 1892 auch erstmals in Moskau gezeigt. Bei der Premiere im Solodnikow-Theater in Moskau 1897 sang Fjodor Schaljapin den Dosifei. So auch in St. Petersburg 1911 und 1913 in Paris. Für die Pariser Aufführung mit der Truppe der Ballet-Russes von Serge Diaghilev wurden Igor Strawinsky und Maurice Ravel mit einer neuen Fassung beauftragt. Schaljapin weigerte sich jedoch, eine andere Fassung zu lernen und so blieb sie zumindest teilweise unaufgeführt. Dmitri Schostakowitsch nahm auf Grundlage des von Pawel Lamm herausgegebenen originalen Klavierauszugs Ende der 1950er Jahre eine Neubearbeitung vor, die zuerst in einer Filmproduktion mit dem ukrainischen Bass Mark Reizen als Dosifei verwendet wurde, dann 1960 in einer Bühnenproduktion in der Kirov-Oper in Leningrad (heute Mariinski-Theater, St. Petersburg).

Es gibt ein paar interessante Videos bei YouTube, mit denen man die verschiedenen Fassungen auch vergleichen kann. Die Fassung von Rimsky-Korsakow wurde 1946 von Kräften des Leningrader Kirow-Theaters (darunter auch Mark Reizen) unter der Leitung von Boris Khaikin erstmals für die Schallplatte aufgenommen hier die sehr hörenswerte Aufführung und hier das Konkurrenzprodukt des Bolschoi-Theaters von 1950 unter der Leitung von Wassili Nebolsin ebenfalls mit Mark Reizen als Dosifei. In Moskau hielt man noch lange an Rimsky-Korssakow fest, so auch in diesem Video von 1979. Mark Reizen hatte offensichtlich kein Problem damit, eine andere Fassung zu studieren, hier sehen wir ihn in dem (stark gekürzten) sowjetischen Film von 1959. Interessant wird es ab 1989, da brachte Caludio Abbado die Oper in Wien zusammen mit Alfred Kirchner auf die Bühne. Er entschied sich für die Schostakowitsch-Fassung, aber mit dem von Strawinsky realisierten Finale, was sich inwzischen zum Standard entwickelte. Wie immer bei Abbado gibt es allerdings noch einige Eigenheiten, die von ihm selbst stammen. Hier aber ist (verbotenerweise, denn es gibt das ja auch als DVD) die Aufführung bei YouTube. Empfehlenswert wäre noch die Aufführung aus München 2007, Dirigent Kent Nagano, Regisseur Dmitri Tcherniakov. Die gibt es aber nur als DVD oder BluRay, im Moment aber nicht bei jpc.

Dann bis heute Abend,
Ihr Curt A. Roesler

Montag, 12. Februar 2024

Die Zeitoper »Intermezzo«

Das Gejammer darüber, dass im Theater und später vor allem in der Oper immer nur Stoffe behandelt werden, die in der Vergangenheit oder in einer fernen Märchenwelt spielen und nichts mit der Realität des Alltags zu tun haben, ist so alt wie das Theater selbst. In der Antike wurde dafür sehr schnell die Komödie erfunden, in der Gegenwärtiges auf die Schippe genommen werden konnte. Deren Meister wurde Aristophanes mit Werken wie Die Wolken oder Lysistrata. In der französischen Klassik war hauptsächlich Molière dafür zuständig, der mit Le bourgeois gentilhomme (Der Bürger als Edelmann) und Monsieur de Pourceaugnac (Übersetzungsversuch: Der Herr vohn Schweinigel) dem Komponisten Anregungen lieferte, mit dem wir uns am Mittwoch wieder einmal befassen wollen. In der Oper schließlich brachte das 18. Jahrhundert die »Opera buffa« hervor, von den einen als Vergnügen für den »Dritten Stand« verachtet, von anderen aber in Form des Intermezzos in die Zwischenakte der ernsten Oper integriert und schließlich Publikumsmagnet. In Frankreich wurde das Prinzip mit der Opéra comique nachgeahmt, in England mit der Ballad Opera und in Deutschland mit dem Singspiel. Meisterwerke des Singspiels und der Opera buffa brachte Mozart hervor: Die Entführung aus dem Serail, Le nozze di Figaro

Die 1920er Jahre brachten eine neue, allerdings eher kurzlebige, Gattung der Oper hervor, die Zeitoper. Seltsamerweise gibt es darüber nur in der englischen und französischen Wikipedia einen Eintrag, obwohl es eine typische Erscheinung der Weimarer Republik ist. Viele Operetten der sogenannten silbernen Ära, eingeleitet durch Die lustige Witwe (1905) von Franz Lehár, handeln in der Traditionslinie der Opéra comique und der französischen Operette ebenfalls in der Gegenwart, nicht aber die meisten Opern dieser Zeit (Salome, Elektra, Die ersten Menschen). Auch Jenufa, Madama Butterfly und La fanciulla del West spielen genau genommen in der Vergangenheit, allerdings in keiner sehr fernen. Die bekannteste (aber eher selten gespielte) Zeitoper hat Ernst Krenek geschrieben: Jonny spielt auf. Heute nur spielbar mit einem ähnlichen Warnhinweis, wie er für den Roman Uncle Tom's Cabin gilt. Sie wird auch als Jazzoper bezeichnet, weil sie musikalische Elemente des Jazz verwendet, sie kam 1927 heraus, etwas mehr als zwei Jahre nach Intermezzo von Richard Strauss. Dem Werk von Strauss geht als Zeitoper noch ein anderes Werk von Krenek voraus, Der Sprung über den Schatten, ebenfalls als Jazzoper bezeichnet, die fast in der Gegenwart spielt, nämlich in einem kleinen deutschen Fürstentum. Jazz in der klassischen Musik ist aber nicht Kreneks Erfindung, L'histoire du soldat von Igor Strawinsky (1918) enthält schon u. a. einen Ragtime. 

Kurt Weill schrieb eine Reihe von Zeitopern. Gern könnte man auch Die Dreigroschenoper (1928) darin einreihen, sie wird jedoch von den Erben Bertolt Brechts hartnäckig als »Schauspiel mit Musik« verteidigt. Royal Palace (1927), Der Zar lässt sich photographieren (1928), Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930) und Die Bürgschaft (1932) sind die weiteren Titel; nur zu Mahagonny schrieb Bertolt Brecht noch einmal den Text, die anderen Libretti stammen von Ivan Goll, Georg Kaiser und Caspar Neher. Eine eigene Betrachtung verdiente Der Lindberghflug, ursprünglich keine Oper, sonderrn ein Radio-Experiment mit Text von Bertolt Brecht und Musik von Paul Hindemith und Kurt Weill. Paul Hindemith schuf seinerseits zusammen mit Marcellus Schiffer zwei bedeutende Zeitopern, den kurzen Einakter Hin und zurück (1927) und Neues vom Tage (1929).

Sind die bis jetzt genannten Werke alle zwar typisch 1920er Jahre und modern, aber nicht mit der Avantgarde verknüpft, wie sie vor allem nach 1945 für diese Zeit gesehen wurde, so hat doch auch Arnold Schönberg zwei Zeitopern geschrieben, den Einakter Die glückliche Hand sogar schon vor dem Ersten Weltkrieg, zur Aufführung kam er aber erst 1924, zwei Wochen vor Intermezzo. Die glückliche Hand ist so etwas wie das expressionistische (und atonale) Gegenstück zu Intermezzo. Wie Intermezzo – Strauss hatte von der Existenz dieser Oper vermutlich keine Kenntnis – hat Die glückliche Hand einen autobiografischen Hintergrund und verwendet einen vom Komponisten selbst geschriebenen Text. Von heute auf morgen (1930), die zweite Zeitoper von Arnold Schönberg, ist ebenfalls ein Einakter, dauert aber drei Mal so lang wie Die glückliche Hand. Sie gilt als die erste »Zwölfton-Oper« und bildet eine Art Gegenstück zu Neues vom Tage, mit der sie die Verwendung von Jazz-Zitaten verbindet (was aber 1929/1930 nichts Besonderes mehr ist). Auch die von Alban Berg unvollendet hinterlassene Lulu ist eine Zeitoper, denn auch wenn sie einen Text aus wilheminischer Zeit (die gleichnamige »Monstre-Tragödie« von Frank Wedekind) verwendet, ist sie ein Gegenwartsstück. Zwei Werke verdienen außerdem noch Erwähnung: Maschinist Hopkins (1929) von Max Brand und Transatlantic (1930) von George Antheil.

Alle hier genannten Werke und ihre Komponisten galten in Deutschland ab 1933 als »entartet« und wurden nicht mehr aufgeführt. Die meisten kamen erst lange nach 1945 wieder zur Aufführung. Einige von ihnen wurden in den 1980er Jahren in die Reihe »Entartete Musik« der DECCA aufgenommen und auf Schallplatte bzw. CD veröffentlicht, fast alle wurden in der gleichen Zeit in Bielefeld von John Dew auf die Bühne gebracht, Tonaufnahmen auch davon sind später veröffentlicht worden. Sie können diese Aufnahmen bei der Naxos Music Library oder bei Spotify und ähnlichen Streamingdiensten finden, allerdings nicht alle überall.

Nun aber zu Richard Strauss. Die Idee, eine autobiografische Oper zu schreiben, hatte Strauss schon während der Umarbeitung der Ariadne auf Naxos, die vom musikalischen Supplement zu einer Komödie von Molière zur eigenständigen Oper werden sollte. Hugo von Hofmannsthal lehnte es jedoch ab, ein entsprechendes Libretto zu schreiben, und empfahl Hermann Bahr. Der hatte schon 1909 ein Stück mit ähnlichem Inhalt verfasst, das er Richard Strauss widmete, Das Konzert. Hier ein Mitschnitt der Komödie aus dem Wiener Burgtheater von 2015. Die Entwürfe für ein Libretto überzeugten jedoch weder Strauss noch den Verfasser, deshalb entschied sich Strauss, noch einmal selbst ein Libretto zu schreiben – nicht mehr als Universalgenie in der Nachfolge von Richard Wagner, wie bei Guntram, sondern aus rein praktischen Erwägungen, wie einst Albert Lortzing.

»Eine bürgerliche Komödie mit sinfonischen Zwischenspielen« nannte Strauss sein zweiaktiges Intermezzo, das in Wien und am Grundlsee in der Steiermark spielt. Zwischenspiele sind schon deswegen nötig, weil ein häufiger Szenenwechsel vorgesehen ist, der erste Akt besteht aus acht Bildern, der zweite aus fünf. Insgesamt sind es allerdings nur zehn Schauplätze, da sich einige wiederholen: 

1. Akt, 1. Bild: Ankleidezimmer in der Villa des Kapellmeisters Storch am Grundlsee. Storch macht sich bereit zur Abreise nach Wien und gerät in Streitereien mit seiner Frau Christine; 1. Akt, 2. Bild: Rodelbahn. Christine stößt mit dem viele Jahre jüngeren Baron Lummer zusammen; 1. Akt, 3. Bild: Wirtshaus am Grundlsee. Christine geht mit Lummer tanzen; 1. Akt, 4. Bild: Möbliertes Zimmer am Grundlsee. Das Zimmer wird von Christine für Lummer gemietet; 1. Akt, 5. Bild: Esszimmer in Storchs Villa. Christine schreibt an ihren Mann, Lummer kommt zu Besuch; 1. Akt, 6. Bild: Möbliertes Zimmer am Grundlsee. Lummer schreibt einen Bettelbrief an Christine; 1. Akt, 7. Bild: Bild: Esszimmer in Storchs Villa. Lummer ist wieder zu Besuch und Christine lehnt sein Anpumpen empört ab, aber ein Brief an Storch, den sie liest, ändert alles, sie ist von seiner Untreue überzeugt und reicht telegrafisch die Scheidung ein; 1. Akt, 8. Bild: Franzls Schlafzimmer in Storchs Villa. Christine erläutert ihrem Sohn, wieso sie sich von Storch trennt; 2. Akt, 1. Bild: Skatzimmer beim Kommerzienrat in Wien. Storch und seine Freunde sprechen über Christine, nach Eingang des Telegramms verlässt Storch die Runde; 2. Akt, 2. Bild: Beim Notar am Grundlsee. Christine versucht, den Notar zur Übernahme des Scheidungsfalls zu übernehmen; 2. Akt, 3. Bild: Im Prater, Wien. In Gewitter und Sturm läuft Kapellmeister Stroh Storch hinterher und beichtet ihm, dass seine Freundin Mieze versehentlich einen Brief für ihn an Storchs Adresse am Grundlsee geschickt hat, Storch fordert von ihm, nach Grundlsee zu reisen und die Sache bei Christine aufzuklären; 2. Akt, 4. Bild: Toilettenzimmer in Storchs Villa. Christine misstraut dem Telegramm von Storch und bereitet weiter ihren Auszug vor, der Besuch von Stroh wird gemeldet; 2. Akt, 5. Bild: Esszimmer in Storchs Villa. Christine empfängt Storch kühl, verteidigt ihn aber gegenüber Lummer, der kompromittierendes Material aus Wien beibringt, schließlich sprechen sich die Eheleute aus und alles ist gut...

Daraus hätte man auch eine Operette machen können, aber Franz Lehár, der Intimfeind von Richard Strauss in der Tantiemenfrage, hätte diese Operette sicher nicht komponiert – längst war er darüber hinaus, dass das Ende immer »gut« sein soll. Strauss hat ein handwerklich einwandfreies Konversationsstück daraus gemacht und wunderte sich zeitlebens, dass es kein wirklicher Erfolg wurde. 

Nach der Uraufführung in Dresden am 4. November 1924 gab es zwar Erstaufführungen in Berlin (unter der musikalischen Leitung von Richard Strauss), Graz, Prag, Zürich, München, Wien, Bern, Burdapest und Barcelona, dann aber wurde es still. Im Tausendjährigen Reich war Intermezzo genauso verpönt wie Neues vom Tage und alle anderen Zeitopern. Nach dem Krieg waren Wien (1954) und München (1960) die ersten Opernhäuser, die das Werk wiederzubeleben versuchten. Die Münchner Produktion wurde 1963 in Wien mit Hermann Prey und Hanny Steffek unter der Musikalischen Leitung von Joseph Keilberth für das Fernsehen aufgezeichnet, das können Sie hier sehen. Auch New York kam dazu (1963) und 1974 Glyndebourne in englischer Sprache. 1983 wurde die Produktion von John Cox unter der Leitung von Gustav Kuhn wiederaufgenommen und davon gibt es hier ein Video. In der Ära Wolfgang Sawallisch gehörte Intermezzo dann wieder in die Reihe der Strauss-Opern an der Bayerischen Staatsoper, allerdings dirigierte er nicht selbst, sondern ebenfalls Gustav Kuhn. Eine Schallplattenaufnahme mit Lucia Popp und Dietrich Fischer Dieskau produzierte Sawallisch in der Zeit mit dem Bayerischen Rundfunk (hier zu hören). Und jetzt kommt das Werk in die Reihe der Strauss-Opern an der Deutschen Oper Berlin, dessen Orchester ebenfalls sehr an Richard Strauss hängt. Mehr darüber am Mittwoch.

Ihr Curt A. Roesler

Montag, 29. Januar 2024

Hector Berlioz

Die bedeutendeste, wenn auch nicht oft gespielte, Oper von Hector Berlioz (1803–1869) ist Les Troyens. Die Premiere an der Deutschen Oper Berlin liegt weit über zehn Jahre zurück. Damals, 2010, sprachen wir in unserem Kurs über das Werk und einer der ersten Beiträge dieses Blogs war ihm gewidmet. Auch La damnation de Faust, keine Oper, sondern ursprünglich als »Opéra de concert« konzipiert und später als »Legende dramatique« bezeichnet, wurde hier besprochen, als sie in der Inszenierung des heutigen Berliner Ballettdirektors, Christian Spuck, an der Deutschen Oper Premiere hatte. Auch von der siebensätzigen »Symphonie dramatique« Roméo et Juliette ist da die Rede. Das Dramatische spielt in vielen Werken von Hector Berlioz eine große Rolle, so auch in seiner Symphonie fantastique, seinem berühtmtesten Werk, und vor allem in deren Fortsetzung Lélio ou le retour à la vie. Und auch die Grande messe des morts, sein Requiem hat mit dem Einsatz der vier Fernorchester in den vier Ecken der Kathedrale ein theatrales Element. Als Opernkomponist war er leider nicht sehr erfolgreich. Les Troyens – geschrieben 20 Jahre nach dem Fiasko mit Benvenuto Cellini – wurde zu seinen Lebzeiten nur fragmentarisch aufgeführt. Und die späte Opéra comique Béatrice et Bénédict hat zwar viele satirische Qualitäten, auch an ihrem Uraufführungsort Baden-Baden wurde sie dennoch von dem jüngeren Musiksatiriker, Jacques Offenbach überstrahlt.

Jetzt aber werden die erste und die letzte Oper von Hector Berlioz, an zwei deutschen Theatern vorbereitet: Béatrice et Bénédict in Braunschweig und Benvenuto Cellini in Dresden. Schade, dass beides nicht in Berlin zu sehen ist. Aber wenn die Bahn nicht srteikt, kann man ja reisen. Gehen wir chronologisch im Schaffen von Berlioz vor.

Alfred de Vigny, ein französischer Dramatiker und Übersetzer, der uns hier auch schon einmal vorgekommen ist, nämlich als Autor eines Cinq-Mars, woraus Charles Gounod eine Oper gemacht hat, soll Berlioz 1834 auf die gerade in französischer Übersetzung erschienene Autobiografie von Benvenuto Cellini aufmerksam gemacht haben. Berlioz erkannte sofort die Bühnentauglichkeit dieser Renaissance-Persönlichkeit, von der wir heute vor allem zwei ganz unterschiedliche Skulpturen bewundern. Einerseits die monumentale (über fünf Meter hohe) Perseus-Statue, die in Florenz steht, und andererseits das Salzsfass aus Gold, Ebenholz und Elfenbein, das er 1540–43 in Paris für für François I. schuf und das seit 2006 wieder im Kunsthistorischen Museum Wien zu besichtigen ist. 2003 war sie dort gestohlen worden, aber zum Glück nicht eingeschmolzen wie vermutlich die Goldmünze aus dem Bode-Museum. Berlioz bat Léon de Wailly (1804–1864), einen Freund von de Vigny, und Auguste Barbier (1805–1882) ihm ein Libretto nach Motiven aus dem Leben Cellinis zu schreiben. Leon de Wailly war ein Schriftsteller und Übersetzer, der nicht nur Shakespeare übersetzte, sondern auch u. a. eine Biografie der schweizerisch-österreichischen Malerin Angelika Kauffmann verfasste. Zuerst schien sich eine Möglichkeit zu ergeben, die Oper an der Opéra-Comique aufzuführen, deswegen gehen die ersten Entwürfe noch von einer Form mit gesprochenen Dialogen aus. Da sich jedoch bald eine Mögichkeit ergab, das Werk an der Opéra herauszubringen, wurde das Libretto schon früh daraufhin umgearbeitet. Seltsame Bedingungen allerdings stellte die Opéra. So sollte das Werk nur zwei Akte haben. Auch das konnte bewerkstelligt werden, der erste Akt umfasste somit zwei Bilder (wie auch der zweite in der ursprünglichen Fassung). Von Benvenuto Cellini gibt es drei Fasssungen, die in der neuen Gesamtausgabe der Werke von Hecor Berlioz bei Bärenreiter berücksichtigt werden. 1. Die Partitur, die Berlioz Anfang 1838 bei der Opéra abgeiefert hat; 2. Die Partitur, die nach der Uraufführung am 10. September 1838 für das Archiv der Opéra hergestellt wurde; 3. Der Klavierauszug der 1856 nach den Aufführungen in Weimar (1852) und London (1853) veröffentlicht wurde. Die Weimarer (und Londoner) Fassung sind in drei Akten, die beiden Bilder des ersten Aktes sind dabei in einzelne Akte aufgeteilt. Der zweite Akt in Paris, der schon für die Aufführungen stark gekürzt worden war, wurde in Weimar und London zum dritten Akt. 

Inzwischen ist eine weitere Fassung als Opéra comique mit gesprochenen Dialogen aufgetaucht, die 1856 für eine geplante, aber nicht zustande gekommene Aufführung im Théâtre-Lyrique entstanden war und 2004 in Gelsenkirchen erstmals aufgeführt wurde. Dresden gibt an, die »Weimarer Fassung« zu spielen. Seltsamerweise allerdings wird dabei als Gattungsbezeichnung »Opéra-comique« angegeben. Hier der Einführungstext mit Inhaltsangabe.

Warum die Uraufführung zum Fiasko wurde? An der Besetzung kann es nicht gelegen haben: Benvenuto Cellini wurde gesungen von Gilbert Duprez, der Edgardo in der Uraufführung von Lucia di Lammermoor im Jahr davor und dem künftigen Fernand (in La favorite) und Dom Sébastien in der gleichnamigen Oper von Donizetti. Teresa war Julie Dorus-Gras, Marguerite de Valois in Les huguenots zweieinhalb Jahre davor und künftige Pauline (in Les martyrs von Donizetti). Die Hosenrolle Ascanio wurde von der 23jährigen Rosine Stoltz gesungen, die Sopran- wie auch Mezzosopran- oder sogar Altrollen zu singen vermochte – und ohne die der Direktor, Léon Pillet, keine Oper durchgehen ließ. Donizetti musste später von seinem Projekt Le duc d'Albe ablassen, weil es keine Rolle für sie gab, und komponierte stattdessen La favorite mit Léonor für sie. Prosper Dérivis, der den Balducci sang, war wiederum aus Les huguenots bekannt, später wirkte er auch in mehreren Verdi- und Donizetti-Uraufführungen mit. Der Anfang der Oper wurde in der Uraufführung noch ganz gut aufgenommen, doch bald wühlte sich das Publikum offensichtlich überfordert. Es fing an zu zischen und das während des Abends immer mehr. Die Länge des Werks kann es auch nicht wirklich gewesen sein, man denke nur an Les huguenots zweieinhalb Jahre davor. Auch die Aufführungen in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt, 1852 waren kein wirklicher Erfolg. Hier allerdings gab es widrige Umstände: Der Tenor Karl Beck (er hatte zwei Jahre davor den Lohengrin in der Uraufführung gesungen) war schon nicht mehr ganz auf der Höhe seiner Karriere, er verlangte weitere Kürzungen, dann wurde er krank und die Erstaufführung musste verschoben werden, denn auch Rosa von Milde (die Elsa in der Uraufführung des Lohengrin) war krank, die den Ascanio singen sollte.

Es exisitieren eine ganze Reihe von Aufnahmen von Benvenuto Cellini, die man auf CDs und DVDs erwerben kann. Die meisten basieren auf der Weimarer Fassung in drei Akten, allerdings oft mit Zusätzen aus der allerersten Fassung, also mit Teilen, auf die Berlioz schon in der Uraufführung verzichtet hatte, so ist es auch bei der spektakulären Aufnahme aus Salzburg 2007, dirigiert von Valery Gergiev und inszeniert von Philip Stölzl. Ein Meilenstein in der Berlioz-Rezeption ist die Schallplattenaufnahme von Colin Davis 1972 mit Nicolai Gedda in der Titelpartie, die man hier auf YouTube hören kann.

Bétarice et Bénédict basiert auf Shakespeares Much Ado about nothing und war wie schon erwähnt zu Berlioz Lebzeiten ebenfalls nicht besonders erfolgreich. Vielleicht kam das Werk zu spät, vielleicht traf es den Geschmack des Publikums trotz Berlioz' explizitem Bemühen nicht. Auch dieses Werk hat Colin Davis in den 70er Jahren für die Schallplatte aufgenommen, doch hier existiert auch eine Konzert-Aufnahme mit ihm von 2009 mit Joyce DiDonato, hier. Ein Video gibt es von einer Aufführung in Lyon 2021, hier.

Soviel für heute, dann bis Mittwoch, ich freue mich auf das Abenteuer mit Berlioz.
Ihr Curt A. Roesler

Montag, 22. Januar 2024

Pique Dame (Пиковая дама)

Alexander Puschkin hat für die russische Oper mit eine ähnliche Bedeutung wie Victor Hugo für die italienische. Gerade steht an der Komischen Oper Berlin (im Schillertheater) die Premiere Der goldene Hahn von Nikolai Rimsky-Korsakow bevor – wir sprachen darüber im letzten Kurs. War es bei Hugo die Kraft der Erneuerung im Zuge der ersten biedermeierlichen Revolution, die den »Bürgerkönig« Louis-Philippe hervorbrachte, so ist es bei Puschkin vor allem die Besinnung auf die russische Tradition. Beispielhaft sind dabei das Versdrama Boris Godunow (Борис Годунов) und das unvollendete Drama Rusalka (Русалка). Alexander Dargomyshski war der erste, der (nachdem er Esmeralda nach Victor Hugo komponiert hatte!) einen Originatext von Puschkin als Libretto verwendete, eben Rusalka – darüber sprachen wir vor zwei Wochen kurz anlässlich der gleichnamigen Oper von Antonín Dvořák – und damit den Weg ebnete für Mussorgskis Boris Godunow. Noch vor Dargomyshski brachte Michail Glinka einen Stoff von Puschkin auf die Bühne ohne seine Worte zu benutzen, das Märchen Ruslan und Ludmila (Руслан и Людмила).

Von Peter I. Tschaikowskys 11 Opern gehen drei auf Puschkin zurück. Eugen Onegin, Mazeppa und Pique Dame. Eugen Onegin wurde 2008 von Achim Freyer an der Staatsoper Unter den Linden und 2016 von Barrie Kosky an der Komischen Oper Berlin inszeniert; an der Deutschen Oper Berlin ist Eugen Onegin immer noch in der Inszenierung von Götz Friedrich verfügbar (einen Video-Trailer kann man auf der Homepage sehen, aber Aufführungstermine gibt es nicht). Die Produktion der Komischen Oper war eine der ersten, die bei OperaVision übertragen wurde. Wer es damals gesehen und aufgezeichnet hat, kann es weiterhin nachschauen. Mazeppa brachte Daniel Barenboim 2013 im Schillertheater heraus, da gibt es einen Beitrag aus den Anfangstagen dieses Blogs. Pique Dame sollte schon 2020 an der Deutschen Oper Berlin herauskommen, im März, als wir uns bereits als Online-Kurs etabliert hatten, bestand noch Hoffnung, dass es auch zu einer Aufführung kommen könnte, wenn auch möglicherweise ohne Publikum. Bald darauf musste die Produktion ganz abegsagt werden. Nun endlich, nach vier Jahren wird sie nachgeholt. Allerdings ist der Regisseur Graham Vick inzwischen verstorben. Der junge Regisseur Sam Brown übernimmt aber den Ausstatter Vicks, Stuart Nunn, und den Choreografen, Ron Howell.

Auch an der Komischen Oper wurde 2016 der russische Titel für Eugen Onegin verwendet, natürlich nicht mit kyrillischen Buchstaben, sondern in der gängigen Umschrift Jewgeni Onegin. So geschieht es jetzt auch an der Deutschen Oper, wo sie sich für Pikowaja Dama entschieden haben. Wenn Sie bei YouTube nach Opernaufführungen suchen wollen, ist das allerdings die am wenigsten gängige Form, Sie werden sogleich gefragt, ob Sie nocht vielleicht pikovaya dama gemeint haben. Pique Dame führt umwegloser zum Ziel, auch Glyndebourne und St. Petersburg werden gefunden. Wenn Sie auch historische Filme finden wollen, ist es eine gute Idee, die russische Form Пиковая дама einzugeben, YouTube kann Kyrillisch, allerdings werden dann auch Filme gefunden, die mit Tschaikowsky nichts zu tun haben; kopieren Sie den Titel einfach hier und setzen Sie ihn ein.

Das Libretto zu Pique Dame stammt von Tschaikowskys Bruder Modest und folgt der Novelle Puschkins in den wesentlichsten Zügen. Aus der Gegenwart Puschkins verlegte er die Handlung ins 18. Jahrhundert, in die Zeit der Zarin Katharina. Das gab Tschaikowsky Gelegenheit seine Stilstudien zu Rokokomusik (Stichwort: Rokoko-Variationen für Cello und Orchester und die Suite Mozartiana) einzusetzen. Außerdem wurde das Verhältnis Hermanns und Lisas mehr in den Vordergrund gestellt im Sinne einer scheiternden Beziehung – Tschaikowsky war immer noch gezeichnet vom Scheitern seiner Ehe. 

Im ersten Akt lernen wir den melancholischen Offizier und Spieler Hermann (German ist der russische Name) kennen, der sich im Sommergarten ergeht. Ganz am Anfang steht ein Kinderchor – der hat nichts mit Puschkin zu tun. Tschaikowsky hatte in Paris Carmen gesehen und war vom Kinderchor im ersten Akt so fasziniert, dass er so etwas auch komponieren wollte. Hermann erfährt, dass die unbekannte Schöne, die Braut des Fürsten Jeletzki ist, eines guten Bekannten. Sie erscheint selbst Sommergarten mit ihrer Tante, der berühmt-berüchtigten Gräfin. Graf Tomsky weiß von ihr in einer Ballade zu berichten, dass ihr notorisches Glück im Spiel auf dem »Geheimnis der drei Karten« beruht. Das prägt sich Hermann ein, doch vorerst ist er nur darauf aus, dem Fürsten die Braut auszuspannen. Ein Gewitter treibt alle auseinander. Das zweite Bild des 1. Aktes führt uns in das Haus Lisas, der unbekannten Schönen. Sie musiziert mit ihrer Schwester Pauline, was die Gouvernante auf die Palme bringt, die den Zorn der Gräfin über das ausgelassene Gehabe der beiden fürchtet. Bettzeit. Aber Lisa will nicht, dass das Fenster geschlossen wird. So kommt Hermann über den Balkon in ihr Zimmer, um sie mit Selbstmorddrohung dazu zubringen, ihr Verlobung aufzulösen. Vor der Gräfin versteckt sie ihn und als die wieder gegangen ist, fällt sie ihm in die Arme.

Der zweite Akt beginnt mit einem Maskenball, auf dem Hermann von seinen Kameraden wegen seiner Obsession mit dem Geheimnis der drei Karten gehänselt wird und auf dem Jeletzki seine Liebe zu Lisa in einer Arie ausbreitet. Ein Schäferspiel wird aufgeführt, in dem traditionell Pauline eine Rolle übernimmt (in der Uraufführung war das noch nicht so). Lisa lässt Hermann den Schlüssel zum Zimmer der Gräfin zukommen, der sich damit am Ziel seiner Wünsche sieht, ehe eine Polonaise zur Ankunft Katharinas der Großen getanzt wird. Das zweite Bild bringt uns in das Zimmer der Gräfin, wo sich Hermann eingeschlichen hat und sich versteckt, als sie ihre Nostalgie mit einer Arie von Grétry pflegt. Danach aber will er ihr das Geheimnis der drei Karten entlocken. Sie bleibt stumm und als er sie mit der Pistole bedroht, trifft sie der Schlag. Lisa erkennt, dass Hermann mehr am Geheimnis interessiert war als an ihr.

Im dritten Akt treffen wir zuerst Hermann in seiner Stube. Er hat einen Brief von Lisa erhalten; sie bittet ihn zu einem Treffen am Kanal. Er fängt an zu fantasieren, der Geist der Gräfin erscheint ihm und sie nennt ihm die drei Karten: Drei, Sieben, As. Lisa wartet am Kanal, Hermann kommt und faselt nur von der Gräfin. Sie sieht alles verloren und stürzt sich in den Kanal. Das letzte Bild führt uns in die Spielhölle. In der Verzweiflung über die gelöste Verlobung kommt Jeletzki hierher. Tomski weiß noch ein lustiges Lied. Hermann spielt gegen Jeletzki, verliert aber, weil die letzte Karte nicht As sein sollte sondern Pique Dame. Er hört die Gräfin lachen und ersticht sich.

Aus dem überreichen Angebot bei YouTube seien hier drei herausgehoben: Bolschoi-Theater, Moskau in der heißesten Phase des Kalten Krieges, 1983, mit der nicht mehr ganz jungen (48 war sie, um genau zu sein) Tamara Milashkina als Lisa und dem unverwüstlichen Wladimir Atlantow als German – der Klassiker; nur zwei Jahre davor Köln, Gerd Albrecht dirigiert eine Neuinszenierung von Rudolf Noelte (der hatte ein paar Jahre zuvor die Opernwelt mit Eugen Onegin in München aufgemischt, wo Lenski sich in seiner Arie bincht bewegen durfte) mit René Kollo als Hermann und Martha Mödl als Gräfin, dazu das Hausensemble mit Uta-Maria Flake als Lisa an der Spitze – einige von Ihnen werden sich an Martha Mödl erinnern, sie sang die Gräfin 1978 an der Deutschen Oper Berlin, es dirigierte ebenfalls Gerd Albrecht; in Glyndebourne hatte Graham Vick die Oper schon 1992 inszeniert, es wäre sicher ganz anders geworden in Berlin, aber auch diese Inszenierung ist schon alles andere als konventionell – der Ton ist leider nicht ganz ideal, wenn Sie können, weichen Sie mit Ihrem Bibliotheksausweis auf medici.tv aus, da können Sie die Untertitel außerdem auch auf deutsch einstellen. Eine noch modernere aus Salzburg, 2018 von Hans Neuenfels inszenierte, mit ebenfalls einer unvergesslichen Gräfin, Hanna Schwarz, ist leider nicht mehr verfügbar.

Mehr dazu am Mittwoch.
Ihr Curt A. Roesler