Mittwoch, 3. November 2010

Hector Berlioz – Les Troyens

Heute, nach den vielen Verweisen auf die Vorgängeropern mit trojanischem und karthagischem Sujet, befassen wir uns mit Berlioz selbst. In der Musikgeschichte hat auch sein theoretisches Werk einen hohen Stellenwert, die Instrumentationslehre Grand Traité d’Instrumentation et d’Orchestration Modernes ("Große Abhandlung über die moderne Instrumentation und Orchestrierung") vor allem in der Bearbeitung von Richard Strauss. Die Frage beschäftigte uns auch schon einmal, was ist überhaupt der Unterschied zwischen "instrumentieren" und "orchestrieren"? Hans Bartenstein geht darauf ein in seiner wichtigen Untersuchung Hector Berlioz' Instrumentationskunst und ihre geschichtlichen Grundlagen – und stellt fest, dass Berlioz selbst, obwohl er im Titel beides vereint, nicht konsequent differenziert. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Instrumentation gehört zum kompositorischen Schaffensprozess, der Instrumentalklang gehört zur musikalische Idee, das Orchestrieren ist dem nachgeordnet, es gibt einer musikalischen Erfindung, einer Melodie, einer Harmonie, einem Rhythmus den notwendigen Rahmen indem die einzelnen Töne auf die vorhandenen Instrumente verteilt werden.
Les Troyens greift in mancher Hinsicht auf Vorhandenes zurück (Stichwort: "unzeitgemäß") und bildet im Werk von Berlioz so fast etwas wie einen Rückschritt. So bleibt beispielsweise die Monumentalität der "Grand opéra" als gegeben anerkannt und bewusst werden "Nummern" aneinandergereiht. Aber fangen wir ganz vorne an:
Keine Ouvertüre. Es beginnt mit einem Freudenchor der titelgebenden Trojaner - Endlich kein Krieg mehr. Die instrumentale Begleitung stützt sich zuerst ganz auf die Bläser, vorwiegend Blechbläser – und diese überraschende Wirkung wäre vermutlich von einer Ouvertüre zerstört worden. Auf dem Grab Achills spielen drei Hirten die Doppelflöte. Sie sind zwischendurch, schon im instrumentalen Vorspiel, zu hören. Einer weist darauf hin, dass hier das Zelt Achills war und nun das Grab. Jubelnd eilen die Trojaner davon, das berühmte Pferd anzuschauen. Zurück bleibt Cassandre mit ihren düsteren Ahnungen. Das Rezitativ, ganz wie im klassischen Vorbild, ist auf den Streicherklang gestützt, Bläser kommen nur vereinzelt vor zur Modifizierung des Klangs.
Springen wir zum Ende des 1. Akts. Frauen haben Waffenklänge aus dem Inneren des Pferd gehört. Doch der Jubel geht weiter und wieder bleibt Cassandre allein zurück, allein mit ihren Vorahnungen.
2. Akt. Vergil und Shakespeare. Wo bei Vergil die Götter eingreifen, ist es auch bei Berlioz das Übersinnliche, nämlich die in Shakespeares Theater bewährten "Schatten". Hier ist es der Schatten Hectors, der Aeneas erscheint. Das gestopfte Horn gibt der Szene den charakteristischen Klang. Man darf durchaus an den Tarnhelm bei Wagner denken. Wenn der verletzte Panthée am Ende hereinstürzt haben wir die Hornklänge wieder offen.
Schluss des 2. Aktes: die Frauen verabreden sich zum kollektiven Selbstmord. Harfenklänge dürfen nicht fehlen, denn "sie nehmen ihre Leiern zur Hand". Trompeten symbolisieren die einstige Größe. Cassandre und Polyxène erstechen sich vor den Griechen, die andern folgen ihnen. Der Ruf: "Italie".
Zurück in den 1. Akt. Das einzige "Leitmotiv" der Oper: Marsch und Hymne. Es ist nicht etwa zuerst ein Marsch und dann eine Hymne, sondern beides gleichzeitig. Das Marschieren wird von der großen Trommel und den Pauken markiert, die sich immer wieder über die getragene Melodie senken. Am Schluss auch ein Glockenspiel.
4. Akt: Königliche Jagd und Gewitter. Ein berühmtes Stück auch außerhalb der Oper. Es ist die Szene, die wir am letzten Mittwoch bei Vergil gelesen haben. Überraschend ist, dass Berlioz nicht ein großes Liebesduett für Tenor und Sopran daraus macht, sondern eine reine Pantomime mit Chor, der allerdings nur Vokalisen (und gelegentlich wieder das Wort "Italie") zu singen hat. Das Horn hier ein klares Beispiel für "moderne Instrumentation". Es vertritt den Jagdklang, spielt aber nicht etwa Hornsignale (die dann Bühnengeräusch wären wie Donner-, Regen- oder Windmaschinen), sondern ausladende Melodien. Ähnlich wird die Oboe (Instrument des Pan) eingesetzt.
Schluss: In einer unendlich traurigen absteigenden Linie Ruft Didon Pluton an. Flöten und Klarinetten geben eine instrumentale Note die den Brand vorausahnen lassen. Streicher lassen die Elefanten von Hannibal stampfen, den sie als Rächer beschwört. Dann stürzt sie sich ins Schwert. Todesschreie, fast nur von Streichertremolo begleitet. Dann die Erscheinung Roms mit Rückkehr zur Musik der Trojaner am Anfang.

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