Mit einiger Verzögerung kam die Kunstform Oper in Russland an. Am streng orthodoxen Hof in Moskau nämlich galten Musikinstrumente als uangemessen. Lediglich in den deutschen Vorstädten gab es überhaupt Instrumentenbauer und Musiker, die ernst zu nehmen waren. Und selbst unter Peter I., der den Hof 1710 an das Baltische Meer in die von ihm gegründete Stadt St. Petersburg brachte, gab es zwar viele Nachahmungen westlicher Kultur und Lebensweise, aber nicht eine einzige Opernaufführung. Er kannte die Kunstform aber sicherlich. Zu der Zeit, als er sich in Paris und Versailles aufhielt, wurden in Paris Hypermnèstre von Charles-Hubert Gervais und Tancrède von André Campra aufgeführt. Ob er eine der Opern gesehen hat, habe ich allerdings nicht herausgefunden. Sicher ist, dass er den siebenjährigen König Louis XV. auf den Arm genommen hat, davon gibt es ein Bild, zu sehen in den Annalen von Versailles, hier.
Erst in der Zeit der Kaiserin Anna (Regierungszeit 1730–40, die »dunkle Epoche« genannt wegen der vielen erfolglosen Kriege, vom eigentlichen Machthaber Ernst Johann Biron befehligt) gab es Opernaufführungen in St. Petersburg. Unter ihrer Nachnachfolgerin Elisabeth II. gab es schon erste Bemühungen die italienische »opera seria« an den russischen Geschmack anzupassen, etwa dadurch, dass die Handlung nach Russland versetzt wurde. Das Publikum bestand selbstverständlich ausschließich aus Höflingen. Aber nicht alle beherrschten westliche Sprachen und daher wurden auch Übersetzungen zur Verfügung gestellt. Sie holte Francesco Domenico Araja nach St. Petersburg, der die erste Oper in russischer Sprache komponierte, Tsefal i Prokris, 1755. Zu einem richtigen Opernzentrum wurde St. Petersburg aber erst unter Katharina II. (Regierungszeit 1762–1796). Sie holte u. a. Giovanni Paisiello nach St. Petersburg, der dort von 1777–1783 zahlreiche Opern zur Uraufführung brachte, die den Weg über ganz Europa fanden, wie etwa Il barbiere di Siviglia, wir sprachen hier auch schon darüber. Von ihr gingen aber auch Bestrebungen aus, Oper noch weiter zu russifizieren. 1772 kam mit Anjuta von Wassili Alexejewitsch Paschkewitsch (1742–1797), Libretto von Michael Popow (1742–ca.1790), die wohl erste komische Oper in russischer Sprache im chinesischen Theater in Tsarskoye Selo auf die Bühne. Größeren Erfolg hatten die beiden mit der sieben Jahre später in St. Petersburg aufgeführten Oper Unglück wegen einer Kutsche. Für die erste russische Märchenoper lieferte Katharina II. selbst den Text: Fewej, Musik wiederum von Paschkewitsch, uraufgeführt am 19./30. April 1786 im Theater in der Eremitage in St. Petersburg. Der vollständige Titel klingt schon ganz ähnlich wie die Titel der Märchenopern von Rimsky-Korsakow, Сказка о царевиче Февее. Аллегорическая сказка (Die Legende vom Zarewitsch Fewej. Allegorische Legende). Paschkewitsch soll ukrainische Vorfahren haben, vielleicht sogar in der heutigen Ukraine geboren sein. Aber wie viele andere mit ukrainischen Wurzeln zählt er zu den Kunstschaffenden, die die russische Kultur prägten. Zwei weitere Werke von ihm sind noch zu erwähnen, Skupoi (Der Geizige, Libretto von Knjaschnin nach Molière, 1781) und Fedul und seine Kinder (noch ein Libretto von Katharina II., 1791, Gemeinschaftskomposition mit Vicente Martín y Soler, der 1788 bis 1794 in St. Petersburg weilte).
In dieser Zeit wirkten auch die Komponisten Dmitri Stepanowitsch Bortnjanski (1751–1825, der ist wirklich in der heutigen Ukraine, bei Sumy, geboren) und Jewstignei Ipatowitsch Fomin (1761–1800). Bortnjanski kennt man hierzulande eher als Komponist geistlicher Werke (»Ich bete an die Macht der Liebe«), er hat in der ersten Zeit aber auch Opern geschrieben. In Italien, wohin ihn sein Lehrer Baldassare Galuppi (1765–68 fest in St. Petersburg) mitgenommen hatte, hatte er zwischen 1776 und 1779 mit mindestens drei Opern Erfolg. Zurück in St. Petersburg schrieb er noch vier Opern auf französische Libretti von Franz-Hermann Lafermière. Die bekannteste ist Le faucon (uraufgeführt 1786 in Gattschina, 45 km südlich von St. Petersburg). Davon gab es zu LP-Zeiten eine Gesamtaufnahme zusammen mit dem Geizigen von Paschkewitsch auf vier Schallplatten. Fomin wird gern erwähnt, wenn es um frühe russische Oper geht. Oft wird dabei Orfej angeführt. Dieses Bühnenwerk hat tatsächlich einen russischen Text (die Tragödie von Knjaschnin), ist aber keine Oper, sondern ein Melodram. Orpheus singt darin nicht – also nicht sein Gesang kann die Unterwelt erweichen, sondern nur sein Lyraspiel. Gesungen wird aber doch in dem Werk, nämlich vom wie in der antiken Tragödie kommentierenden Chor. Das ist eine Besonderheit des russischen Melodrams in Abgrenzung zu den Vorbildern von Rousseau und Benda. Den abschießenden Furientanz, komponiert 30 Jahre nach Gluck, hören Sie hier. Fomins bekannteste Oper ist Ямщики на подставе (Die Kutscher auf der Poststation, 1787). Auch davon gab es früher eine Schallplattenaufnahme, hier das Finale mit Beschreibungen, die ich natürlich nicht verstehe. Was wir von italienischen, französischen und deutschen komischen Opern nicht gewohnt sind: der große Anteil des Chores.
Michail Glinka – und jetzt müssen wir endlich zu ihm kommen – ist also keineswegs der erste Komponist, der Opern in russischer Sprache komponierte. Dennoch gilt er zu Recht als der »Vater der russischen Oper«, denn mit ihm erst begann die große Tradition des russischen Operngesangs. Michail Iwanowitsch Glinka wurde am 20. Mai / 1. Juni 1804 in Nowopasskoje im Gouvernement Smolensk geboren (damals russisch, seit 1924 zu Belarus gehörend). Er hatte eine abgeschiedene Kindheit. Aufgezogen von der Großmutter, waren seine einzigen musikalischen Eindrücke Kinderlieder und Kirchenglocken. Im Alter von zehn Jahren (die Großmutter war bereits gestorben und er lebte jetzt bei seinen Eltern) hörte er ein Klarinettenquartett von Bernhard Henrik Crusell (1775–1838) und war so begeistert, dass ihn die Musik nicht mehr losließ. Es muss sich um das erste Klarinettenquartett gehandelt haben, denn das zweite schrieb Crusell erst 1817. Hier kann man es hören. Für eine vermutlich angedachte Beamtenlaufbahn begann Glinka am Adelsinstitut in St. Petersburg zu studieren, wo einst auch Puschkin studiert hatte. Nachdem er schon in seiner Heimat Violine spielen gelernt hatte, nahm er nun bei John Field Klavierunterricht (das ist der, der das »Nocturne« für Klavier solo als erster, lange vor Chopin, verbreitet hat). Field zog aber bald nach Moskau weiter und Karl (Charles) Mayer übernahm Glinka als Schüler. Puschkins jüngerer Bruder studierte mit Glinka, aber vor allem der Lehrer Wilhelm Küchelbecker, ein glühender Dekabrist, begeisterte ihn für den großen Dichter, der 1820 mit dem Gedicht Ruslan und Ljudmila einen großen Erfolg feierte, sich damit aber auch bei den Herrschenden unbeliebt machte. Den Dekabristenaufstand im Dezember 1825 erlebte Glinka, jetzt Beamter in der Kanzlei des Verkehrsamtes, auf dem Senatsplatz mit, wo die blutige Niederschlagung begann. Danach zog er sich nach Novopasskoje zurück bis er 1830 endlich einen Reisepass bekam und nach Italien fahren konnte. Auf dem Weg durch Deutschland sah er zum ersten Mal Fidelio und lernte auch den Freischütz kennen. Im Dezember 1830 kam er in Mailand an, gerade rechtzeitig für die Aufführungen von I capuleti ed i Montecchi von Vincenzo Bellini, die ein Dreiviertel Jahr vorher in Venedig zur Uraufführung gekommen waren, an der Scala. Und zur Uraufführung der Anna Bolena von Gaetano Donizetti im Teatro Carcano. Im dritten Opernhaus Mailands, dem Teatro alla Canobbiana kommt im Frühjahr 1831 eine Neufassung der Le convenienze ed inconvenienze del teatro von Donizetti heraus. Im Dezember dann Norma von Bellini wieder an der Scala und im Früjahr 1832 zwei neue Donizettis – an der Scala Ugo, conte di Parigi und am Canobbiana L'elisir d'amore. Die drei Jahre, die Glinka in Mailand bleibt und von da aus die anderen Opernzentren Italiens besucht, gehören zu den produktivsten der italienischen Operngeschichte. 1833 traf er sich in Venedig mit Bellini anlässlich dessen Einstudierung der Beatrice di Tenda. Auch mit Felix Mendelssohn Bartholdy traf sich Glinka bei seinem Italienaufenthalt und zum ersten Mal mit Hector Berlioz. Klaviervariationen über Themen aus Anna Bolena und I capuleti ed i Montecchi schrieb er zweifellos auch zum eigenen Vortrag in Gesellschaften. Die Eindrücke von Venedig fasste er in die Venezianische Nacht für Singstimme und Klavier (hier vielleicht etwas zu elegisch zu hören). Das bedeutendste Werk aus der Zeit jedoch ist das Trio pathétique, das jedes klassische Klaviertrio in seinem Repertoire hat, wie hier z. B. David Oistrakh, Sviatoslav Knushevitsky und Lev Oborin. Komponiert ist das Trio allerdings für Klavier, Klarinette und Fagott, das klingt so.
Die Rückreise führte über Berlin, wo Glinka noch einmal »in die Schule« ging. Sein Lehrer war der nur fünf Jahre ältere Siegfried Dehn. Ein Musikwissenschaftler und Bilbliothekar. Später lernten u. a. Peter Cornelius und Anton Rubinstein bei ihm. Nach den Studien bei Dehn fühlte sich Glinka bereit für die Komposition seiner ersten Oper. Auf Anregung des bedeutenden russischen Dichters der Romantik Wassili Andrejewitsch Schukowski wählte er dafür einen Stoff, der schon einmal für die Opernbühne bearbeitet worden war. Es geht um eine Legende aus dem russisch-polnischen Krieg 1609–18. Ein einfacher Bauer namens Iwan Sussanin soll Michail Romanow vor plündernden und mordenden Kosaken gerettet haben, als der sich aus dem belagerten Moskau zur Krönung nach Kostroma begab, indem er die Kosaken auf eine falsche Fährte brachte, wofür diese ihn im Wald erschlugen. Die 1815 von Catterino Cavos komponierte und in St. Petersburg uraufgeführte Oper endet allerdings nicht mit dem Tod des Helden, sondern mit dessen Errettung. Die Oper von Cavos hat den Titel Iwan Sussanin. Diesen Titel sollte auch die Oper von Glinka erhalten, aber man entschied sich kurzfristig für Ein Leben für den Zaren, denn hier endet die Geschichte tragisch, so wie es die Legende will. In der Sowjet-Zeit wurde wieder der ursprüngliche Titel verwendet. Für die Komposition brauchte Glinka zwei Jahre, 1836 wurde die Oper in St. Petersburg uraufgeführt und stand viele Jahre neben Cavos' Iwan Sussanin im Repertoire. Von den Tonaufnahmen empfehle ich die von 1957 mit dem Orchestre Lamoureux und dem Chor der Belgrader Oper unter der Leitung von Igor Markevitch mit Boris Christoff als Iwan Sussanin, Teresa Stitch-Randall als Antonida und Nicolai Gedda als Sobinin. Die finden Sie bei den Streamingdiensten (Spotify, Naxos Music Library, Deezer etc.) hier gibt es nur den Epilog mit dem Chor. Und hier die Arie des Sobinin.
1837 begann Glinka seine zweite Oper, jetzt nach Puschkins Gedicht, das Glinka seit 1820 kannte, Ruslan und Ljudmila. Puschkin wollte sogar selbst das Libretto schreiben, aber dann liess er sich ja bekanntlich im Duell umbringen. 1842 wurde die Oper, die nun eine ganze Reihe von Textautoren hat, ebenfalls in St. Petersburg zur Uraufführung gebracht. Sie spielt in einem märchenhaften Russland, denkbar im Kiewer Reich, also im 9. oder 10. Jahrhundert. 1. Akt: Festsaal in Kiew Die Hochzeitsfeier für Ruslan und Ljudmila wird jäh unterbrochen von zwei Ungeheuern, die die Braut entführen. Der Brautvater verspricht demjenigen, der sie zurückbringt, die Hälfte seines Reiches und Ljudmilas Hand. Außer Ruslan wollen das auch Farlaf und Ratmir, die leer ausgegangenen Freier, versuchen. 2. Akt, 1. Bild: Finns Höhle Der gute Zauberer Finn erklärt, dass der böse Zauberer Tschernomor mit Ljudmila entflohen ist. Bevor er Ruslan in den Norden schickt, erzählt er seine eigene traurige Geschichte mit Naina, die ihn verfolgt. 2. Akt. 2. Bild: Öde Gegend Naina schickt Farlaf nach Hause und verspricht, ihm Ljudmila zu bringen. 2. Akt 3. Bild: Weites Feld Ruslan findet in der Wüste einen riesigen Kopf, der sich als Überbleibsel von Tschernomors ermordetem Bruder entpuppt, unter dem ein Schwert liegt, mit dem Ruslan Rache nehmen soll. 3. Akt: Nainas Zauberschloss Mädchen betören Reisende. Gorislawa, die verlassene Braut von Ratmir sucht diesen und findet ihn auch, aber er ist ebenso betört von den Mädchen wie der bald auftauchende Ruslan. Finn erscheint und erinnert Ratmir und Ruslan an ihre Bestimmung. Sein Zauberstab verwandelt das Schloss in einen Wald. 4. Akt: Tschernomors Zaubergärten Tschernomor wird von einer Trompete zum Kampf gerufen und versetzt die gefangene Ljudmila, die sich immer noch nach Ruslan sehnt, in einen Zauberschlaf. Tschernomor wird getötet aber dennoch dauert Ljudmilas Schlaf an. Ruslan, Ratmir und Gorislawa beschließen, die Heilkünstler Kiews um Hilfe zu bitten. 5. Akt, 1. Bild: Nachtlager in einem Tal Die vier haben sich zur Ruhe niedergelassen, Ratmir ist froh, wieder mit Gorislawa vereint zu sein. Die schlafende Ljudmila wird erneut entführt, Ruslan eilt ihr nach. Finn erklärt, dass Ljudmila jetzt von Naina entführt wurde und gibt Ratmir einen Zauberring, mit dem er Ljudmila erwecken kann. 5. Akt, 2. Bild: Festsaal in Kiew Farlaf brachte Ljudmila nach Kiew, konnte sie aber nicht erwecken. Ruslan, Ratmir und Gorislawa erscheinen und bringen Ljudmila mit Hilfe des Zauberrings ins Leben zurück. Das Volk preist die Götter, das Vaterland und die Paare.
Die klassische Schallplattenaufnahme von Ruslan und Ljudmila stammt aus dem Jahr 1952 und wurde am Bolshoi-Theater in Moskau unter der musikalischen Leitung von Kirill Kondrashin gemacht. Die Besetzung ist allererste Güte. Den Ruslan singt Iwan Petrow, der auch als Boris Godunow international berühmt war. Über Vera Firsova gibt leider nur die russische Wikipedia Auskunft (das können Sie sich ja übersetzen lassen). Als ihre Glanzpartien werden dort außer Ljudmila und Antonina (Das Leben für den Zaren) u. a. Rosina (Il barbiere di Siviglia) und Violetta (La Traviata) genannt. Von alledem wie auch von den entsprechenden Partien in den Opern von Rimsky-Korsakow kann man bei YouTube Aufnahmen finden. Die beiden Tenorpartien werden von Sergei Lemeshev (Bajan) und Georgi Nelepp (Finn) gesungen. Hier ist die Aufnahme in voller Länge, fast dreieinhalb Stunden. Anfangen sollten wir diese russische Oper aber wieder einmal mit Schaljapin. Das Rondo des Farlaf nahm er in London in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre auf. Farlaf ist eine Nebenfigur, aber wie in Boris Godunow, wo Schaljapin auch andere Basspartien im Repertoire hatte – und gleich ihm auch später Boris Christoff. Das Lied des Warlaam sollten wir uns gleich danach anhören, verblüffend ist nämlich die Nähe zu Farlaf. Die Titelpartie Ruslan sang Schaljapin selbstverständlich auch, da gibt es diese Aufnahme, etwas älter, noch aus der akustischen Ära. Diese Arie des suchenden und zweifelnden Ruslan leitet das dritte Bild des 2. Aktes ein, unmittelbar nach dem prahlerischen Rondo des Farlaf, der voll auf Naina hereingefallen ist.
Ljudmila ist eine Koloraturpartie, die musikalisch nicht weit entfernt von den sogenannten »Belcanto-Partien« ist. Das war eine ideale Partie für die junge Anna Netrebko, Sie finden das auch bei YouTube, sogar in einer szenischen Form der Kooperation von Mariinski-Theater mit San Franciso noch vor der Jahrtausendwende, aber nur in Ausschnitten. Der Link aus meinem letzten Post dazu von November 2020 ist aus urheberrechtlichen Gründen inzwischen gesperrt. Aber Netrebko singt die Partie auch in der CD-Aufnahme mit Gergiev, die Sie bei den Streamingdiensten finden. Wir gehen hier stattdessen in die Schallplattengeschichte. 1937/38 wurde das Werk zum ersten Mal vollständig aufgenommen und in den 50er Jahren von Melodiya auf 4 bzw. 5 Schallplatten veröffentlicht. Wir hören daraus den Abschied der Braut von ihrem Vater und den Freiern auf der Hochzeitsparty. Es singt Valeria Barsova, Mark Reizen (Ruslan) und Maksim Mikhailov (Swetosar) sind auch zu hören, Chor und Orchester des Bolschoi-Theaters, Moskau, stehen unter der Leitung von Samuel Samosud: »Grustno mne, roditel dorogoi«. Hören Sie doch ein wenig in ein anderes Werk, das 1842 uraufgeführt wurde – nein, nicht in Dresden (Rienzi) und auch nicht in Mailand (Nabucco), sondern in Wien: Linda di Chamounix von Gaetano Donizetti. Olga Peretyatko singt »O luce di quest'anima« im Konzert in Grafenegg. Die Ähnlichkeiten sind deutlich, aber auch die Unterschiede.
2011 inszenierte Dmitri Tcherniakov am Bolschoitheater, Moskau, Ruslan und Ljudmila, es dirgierte Vladimir Jurowski. Die Aufführung wurde bald verboten, doch nicht bevor eine DVD-Aufnahme gemacht wurde. Die können sie kaufen oder z. B. in der Naxos Video Library finden. Bei YouTube finden Sie die Aufnahme vielleicht auch, aber sie scheint irgendwelchen Beschränkungen zu unterliegen, jedenfalls ist sie 18+, vielleicht wegen der Kopulierungsandeutungen in Nainas Reich und einiger Nackter im 4. Akt.
1844 unternahm Glinka weitere Reisen. In Paris traf er sich nun mehrfach mit Hector Berlioz, aber auch nach Spanien zog es ihn. Dort ließ er sich zu zwei »Spanischen Ouvertüren« inspirieren, die erste wurde bekannt als Jota aragonesa, da sind reichlich Kastagnetten dabei, die Melodie im Hauptteil erinnert allerdings an etwas sehr Bekanntes, was man eher mit Venedig in Verbindung bringen würde. Das dirigiert hier Toscanini. Die zweite, Erinnerungen an eine Sommernacht in Paris, veröffentlichte er erst 1851, hier vom Bolschoi-Orchester gespielt, dirigiert von Lev Steinberg.
1856 brach er noch einmal in den Westen auf. Er besuchte in Berlin, wo er drei Monate blieb, Siegfried Dehn, mit dem ihn inzwischen eine tiefe Freundschaft verband. Mit ihm studierte er noch einmal intensiver die Fugen Bachs. Meyerbeer führte in einem Konzert Ausschnitte aus Ein Leben für den Zaren auf. Völlig unerwartet starb Glinka am 15. Februar 1857 in Berlin an einer schweren Erkältung.
Mehr wie immer am Mittwoch in der Alten Feuerwache. Ich freue mich darauf,
Ihr Curt A. Roesler