Vor ziemlich genau drei Jahren haben wir in den »Zehlendorfer Operngesprächen« einige Abende dem französischen Komponisten Ambroise Thomas (1811–1896) gewidmet. Er war ein Zeitgenosse von Giuseppe Verdi, was man selbst an seinem Äußeren sehen kann. Dieses anonyme Porträt von Ambroise Thomas wurde lange Zeit als ein Porträt Verdis angesehen.
Wir haben damals drei Opern etwas genauer unter die Lupe genommen, Mignon, die einstmals auch im deutschen Sprachraum weit verbreitete Goethe-Adaptation, Le songe d'une nuit d'été, die etwas ganz anderes ist, als eine französische Form des Midsummer Night's Dream, und eben Hamlet, eine der ganz großen Shakespeare-Opern, die bis in die Zeit des Ersten Weltkriegs noch sehr häufig gespielt wurde, dann aber in Vergessenheit geriet und erst in den letzten zwanzig Jahren wieder häufiger auf die Bühne kam. Das Revival von Le songe d'une nuit d'été in Wexford (2021) stand damals noch bevor. Heute gibt es davon eine DVD und man die unter Covid-Restriktionen leidende Inszenierung auch hier sehen. Mignon hingegen stand damals irgendwo auf dem Spielplan, wo genau habe ich nicht mehr in Erinnerung, aber Hamlet stand in Berlin bevor. Konzertant zwar nur in der Deutschen Oper Berlin, mit Diana Damrau als Ophélie und Florian Sempey als Hamlet und unter der Musikalischen Leitung von Yves Abel. Weder der rbb noch Deutschlandradio interessierten sich damals für eine Rundfunkübertragung, daher gibt es von diesem Ereignis auch kein Tondokument.
Diesen Blog gab es damals schon und daher können Sie hier auch noch einmal nachlesen, was ich damals zu Hamlet geschrieben habe (die Tippfehler müssen leider drin bleiben, sonst wird es noch komplizierter, den Beitrag zu finden, ich bitte sie zu entschuldigen). Hier gebe ich jetzt wie üblich ein paar Medientipps. Bei YouTube ist Hamlet von Ambroise Thomas zur Zeit ganz gut vertreten. Zuerst empfehle ich die Inszenierung von Olivier Py am Théâtre de la Monnaie 2013. Stéphane Degout, dem wir auch bei Così fan tutte begegnet sind, singt den Hamlet, die sonst eher im barocken Repertoire bekannte Lenneke Ruiten die Ophélie, Mark Minkowski ist der Dirigent. Wer prominentere Besetzung sucht, findet die in einer Übertragung aus dem Théâtre du Châtelet von 2000. Michel Plasson dirigiert, Thomas Hampson ist Hamlet, José van Dam Caludius und Nathalie Dessay Ophélie, die Inszenierung ist von Nicolas Joël. Drei Jahre später singt Nathalie Dessay in Barcelona, Dirigent ist Bertrand de Billy, Patrice Caurier und Moshe Leiser haben inszeniert, auch interressant.
1706 verfassten Apostolo Zeno und Pietro Pariati in Venedig ein Opernlibretto Ambleto, das zuerst von Francesco Gasparini vertont wurde und später auch noch von Domenico Scarlatti. Die Oper von Gasparini hat Herbert Handt für den italienischen Rundfunk 1971 mit Elena Zilio als Ambleto in Neapel einstudiert, der Mitschnitt ist hier zu hören, das ist Barockoper, wie man es damals verstanden hat. Zu den Komponisten, die den Stoff noch vor Thomas vertont haben, gehört auch Saverio Mercadante. Aus seiner Vertonung gibt es das Finale hier zu hören. Ganz kurz vor Thomas kamen Franco Faccio und Arrigo Boito mit ihrem Amleto heraus, hier eine Tonaufnahme des 1. Teils aus New Mexico und hier des 2.
Für Christine Nilsson schrieb Thomas die Rolle der Ophélie. Nach 20 Jahren übernahm sie ein neuer Star, Nellie Melba, die zur Fortbildung bei der berühmten Gesangslehrerin Mathilde Marchesi nach Poaris gekommen war. In einer Matinee in deren Haus sang sie die Wahnsinnsszene zum ersten Mal und hatte gleich einen durchschlagenden Erfolg. Viel später hat sie die Szene mehrere Male auf Schallplatte aufgenonmmen, hier die erste von 1904. Außer der Wahnsinnsszene sind Thomas' Hamlet noch mindestens zwei »Hits« der Opernliteratur zu verdanken: Das Trinklied »O vin dissipe la tristesse« und das melancholische Arioso des Hamlet aus dem letzten Akt, »Comme une pâle fleur«. Auch in Italien war um die Jahrhundertwende Hamlet von Ambroise Thomas noch sehr populär, Faccios Amleto hingegen schon wieder vergessen. Daher kommt es, dass einige der schönsten frühen Aufnahmen von Hamlets Trinklied in italienischer Sprache sind. Hier Titta Ruffo 1907. Auch das Duett Hamlets mit Ophelia »Doute de la lumière« haben wir hier in einer italienischen Fassung, es singen Georges Baklanoff, den wir früher gan einfach als russischen Bariton bezeichnet haben und seine zeitweilige Gattin Lydia Lipkovska aus Bessarabien, heute Teil der Republik Moldau und der Ukraine. Baklanoff ist in Riga geboren und studierte in Kiew, damals beides ebenso russisch wie Bessarabien. Jetzt noch »Comme une pâle fleur« in einer Aufnahme von 1929, es singt Arthur Endrèze, der seine gesamte Karriere in Frankreich absolvierte, aber ein waschechter Amerikaner war und eigentich Arthur Krackman hieß. Damit verlassen wir die Zeit der historischen Aufnahmen und kommen zur ersten Gesamtaufnahme. Die erfolgte erst 1985 und es war wie so oft Richard Bonynge, der die »Ausgrabung« für seine Frau, Joan Sutherland, vorantrieb. Hier eine Playlist bei YouTube. Sie können die Aufnahme selbstverständlich auch beim Streamingdienst Ihres Vertrauens finden (Spotify z. B., ich habe Deezer abonniert, aber es gibt noch viele andere, darunter die Naxos Music Library, die Sie gratis zur Verfügung haben mit einem Ausweis der Vereinigten Öffentlichen Bilbiotheken in Berlin).
Vielleicht möchten Sie sich noch mit dem Hamlet von Shakespeare auseinandeersetzen? Hier der Klassiker von und mit Laurence Olivier. Und hier eine aktuelle Inszenierung von Johan Simons für das Schauspielhaus Bochum. Sandra Hüller spielt hier die Titelfigur und nimmt damit eine Tradition aus dem 19. Jahrhundert wieder auf, wo etwa Sarah Bernhardt als Hamlet auftrat. Davon gibt es sogar eine Filmaufnahme, stumm natürlich, hier.
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