Montag, 1. Dezember 2025

Lady Macbeth von Mzensk

15 Sinfonien, ebensoviele Streichuartette, Konzerte für Soloinstrumente und Orchester, Klaviertrios, Liedzyklen und Oratorien, drei Ballette, eine Operette, zwei vollendete Opern und vier Opernfragmente umfasst das Gesamtwerk von Dmitri Schostakowitsch. Dazu kommen noch unzählige Kompositionen für Theater und Film. Als wir 2018 über Korngold sprachen, hatte ich in diesem Blog auch etwas über Schostakowitschs Filmmusik gepostet. Die darin enthaltene YouTube-Playlist ist nicht mehr ganz aktuell, einige Filme stehen nämlich nicht mehr zur Verfügung, vielleicht gibt es dafür neue. Auch damals folgte nämlich auf an Berliner Bühnen Schostakowitsch auf Korngold. Es war Die Nase, die damals an der Komischen Oper herauskam, wenige Wochen nach dem Wunder der Heliane an der Deutschen Oper.

Vorab: In diesem Vortrag der britischen Musikwissenschaftlerin Marina Frolova-Walker mit vielen Videobeispielen können Sie alles Wesentliche, was wir am Mittwoch besprechen, weit kompetenter präsentiert bekommen, als ich es vermöchte. Ich werde mich aber redlich bemühen.

Lady Macbeth von Mzensk gab es in Berlin zuletzt an der Deutschen Oper in einer Neuinszenierung, das war 2015, und selbstverständlich gab es aus dem Anlass in diesem Blog einen Beitrag zu Schostakowitsch. Damals habe ich noch nicht so sehr mit YouTube-Links gearbeitet, da kann einiges nachgeholt werden (übrigens: Sie müssen das nich alles sofort durchhören, sie können sich daraus auch eine Wunschliste zusammenstellen). Lady Macbeth von Mzensk existiert in zwei verschiedenen Fassungen, die zweite trägt zur besseren Unterscheidbarkeit den Titel Katerina Ismailowa. Sie wird allerdings heute nicht mehr gespielt – genauso, wie es sich bei Cardillac von Hindemith oder bei Petruschka von Strawinsky verhält. Ähnlich wie bei Strawinsky waren es äußere Umstände, die Schostakowitsch veranlassten, das Werk neu zu fassen, allerdings nicht urheberrechtlich finanzielle, sondern das Verbot Stalins, das auch unter Chruschtschow (schreibt man den jetzt noch so?) weiter bestand. Nach wie vor existiert bei YouTube die Lenfilm-Produktion von 1966, bei der – und das ist interessant – Galina Wishnewskaja die Titelpartie verkörperte, die später bei der Verbreitung der ursprünglichen Fassung im Westen eine wichtige Rolle spielte. Der Lenfilm ist eine gekürzte revidierte Version von 1963 mit kurzen gesprochenen Zwischentexten. Erst in dieser Fassung durfte die Oper in der Einflußsphäre der Sowjetunion wieder gespielt werden. An der Berliner Staatsoper kam die revidierte Fassung 1973 heraus und blieb drei Spielzeiten auf dem Spielplan. 1987, als im Westen längst die ursprüngliche Fassung gespielt wurde, kam die revidierte Fassung noch einmal bei einem Gastspiel des Schewtschenko-Musiktheaters Kiew zur Aufführung. An der Deutschen Oper Berlin stand damals die Erstaufführung der Originalfassung unmittelbar bevor. Günter Krämer inszenierte sie 1988 mit Karan Armstrong in der Titelpartie. Mstislaw Rostropowitsch und seine Ehefrau Galina Wischnewskaja hatten 1978 dafür gesorgt, dass die Originalpartitur in den Westen kam, sie hatten selbst die Sowjetunion schon 1974 verlassen. In London spielten sie nun die Urfassung für die Schallplatte ein, hier die Playlist vom Umschnitt auf CDs. Was mich damals (und auch heute noch) irritierte, ist, dass diese Aufnahme gar nicht so viel »härter« klingt, wie es versprochen war. Die sowjetische Aufnahme von 1965 mit der Zweitfassung, die ich damals schon besaß, klingt oft viel eckiger und ungestümer, hier können Sie die auch hören, aber Vorsicht, beim Digitalisieren der Schallplatten sind die Seiten durcheinandergeraten (s. unten den Nachtrag). Es liegt vermutlich am Dirigat von Rostropowitsch, der auch in vielen anderen Aufnahmen etwa von Tschaikowsky eher den Schönklang als die Härten herausstellt. Lady Macbeth von Mzensk gibt es in erstaunlich vielen Videos komplett auf YouTube, die aktuellste von 2025 in Düsseldorf (Regie: Elisabeth Stöppler) scheint allerdings schon wieder verschwunden zu sein, aber von 2024 gibt es eine aus Paris, Dirigent: Ingo Metzmacher, Regisseur: Krzysztof Warlikowski, hierAušrinė Stundytė, heimisch an allen Berliner Operhäusern, singt die Titelpartie, Pavel Černoch den Sergej. Interessant ist die Übertragung aus der Helikon Oper in Moskau, wo 2000 die erste Aufführung der frühen seit 1936 stattfand. Die Aufzeichnung scheint etwas neuer zu sein. Die Inszenierung von Dmitri Bertman wurde übrigens 2014 auch in Bologna gezeigt. Weiter finden Sie Aufführungen aus Novosibirsk, aus Riga, aus Amsterdam oder aus der English National Opera, London (in englischer Sprache, Inszenierung: David Pountney, Ton gewöhnungsbedürftig). Sie finden auch eine Tonaufnahme mit Partitur (das ist die Rostropowitsch-Aufnahme) und eine mit Klavierauszug (das ist die von Myung Whun Chung mit Maria Ewing). Daneben Ausschnitte von überall auf der Welt. Außerdem diesen Kinofilm, von Petr Weigl mit Schauspielern gedreht, auf Grundlage der stark gekürzten Rostropowitsch-Aufnahme.

Von der Überleitungsmusik vom 6. zum 7. Bild existiert diese Klavieraufnahme von Schostakowitsch selbst, sie muss vor 1936 entstanden sein. Das ist auch ein beliebtes kurzes Orchesterstück, hier von Leopold Stokowski mit seiner Symphony of th Air eingespielt. Die Überleitungsmusik vom 4. zum 5. Bild ist etwas ganz anderes. Es ist eine Passacaglia, also ein Stück, das an die Orgeltradition von Bach anschließt. Und tatsächlich, es gibt auch Aufnahmen mit Orgel, z. B. aus der Elbphilharmonie, hier. Es spielt Iveta Apkalna.

Das und mehr besprechen wir am Mittwoch. Ich freue mich, Ihr Curt A. Roesler.

Nachtrag: Melodia-Aufnahme Katerina Ismailova bei YouTube (die Akt-Angaben stimmen ganz und gar nicht): 1. LP-Seite 00:00–26:46 (1. Bild, neues Zwischenspiel, 2. Bild bis Adagio »dann begreifst du vielleicht, was eine Frau kann« / Damit du weißt, was für eine Kraft eine Frau hat« [100]); 2. LP-Seite: 2:15:50–2:40:59 (2. Bild ab »Nun gut! Gib mir die Hand drauf, wenn das alles wahr ist« / »Wenn Ihr das tut, erlaubt mir eure Hand zu küssen« [100] bis 4. Bild »Auch als ich jung war kein Schlaf, jedoch aus andern Gründen«, 8 vor [205]); 3. LP-Seite: 54:50–1:22:28 (4. Bild ab »Zum Fenster manch einer schönen Frau« / »Da schlich ich unter die Fenster schöner Frauen« [205] bis Zwischenspiel, Passacaglia [296]); 4. LP-Seite: 1:22:30–1:49:15 (5. Bild Anfang [296] bis 6. Bild Ende [392]); 5. LP-Seite 1:49:15–2:08:31 (7. + 8. Bild [392] bis [464]); 6. LP-Seite 2:08:32–2:15:50  (9. Bild Anfang [464] bis Ende Chor [475]) 7. LP-Seite: 26:46–54:50 (9. Bild ab »Stepanitsch! Bitte, lass mich durch« [475] bis Schluss). Die Ziffern [] entsprechen dem Klavierauszug von der ursprünglichen Fassung.

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