Montag, 12. Januar 2015

Dmitri Schostakowitsch

Zehn Jahre und ein pianistisches Wunderkind, dem sein Klavierlehrer bald erklären würde, dass er ihm nun nichts mehr beibringen könne, war Dmitri Schostakowitsch als die Februar-Revolution den Zaren vom russischen Thron fegte und später mit der Oktober-Revolution die Bolschewiki die Macht übernahmen. Er wurde Augenzeuge, wie ein Arbeiter bei einer Demonstration von Polizisten erschossen wurde und schrieb daraufhin eine Hymne an die Freiheit und einen Trauermarsch für die Opfer der Revolution. Die 1. Sinfonie, die er mit 19 Jahren zum Abschluss seines Kompositionsstudiums in Leningrad schrieb, wurde schnell zu einem Welterfolg. Toscanini und Stokovsky dirigierten das Werk in den USA, Bruno Walter in Berlin. Die junge Sowjetunion war vor der Entmachtung und Verbannung Trotzkis noch ein relativ offenes Land, dessen kulturelle Institutionen in regem Austausch mit dem Westen standen. In Musik, Theater und bildender Kunst herrschte eine Experimentierfreude, die von keiner Zensur gemaßregelt wurde. Je mehr jedoch Stalin an Einfluss gewann, desto mehr Künstler kehrten ihrer Heimat den Rücken. Stravinsky war schön längst im Westen angekommen und zeigte keine Lust nach Russland zurückzukehren, Prokofjew und Rachmaninow zogen es ebenfalls vor, im Ausland zu bleiben und selbst Glasunow ließ sich nach einer Tour durch die Vereinigten Staaten 1930 in Paris nieder, angeblich aus gesundheitlichen Gründen. So blieb er ein geachteter Sowjet-Komponist – im Gegensatz zu den Vorgenannten.
Zur Zehn-Jahres-Feier der Oktober-Revolution erhielt der 21-jährige Komponist den Auftrag, eine Hymne zu schreiben. Daraus wurde seine zweite Symphonie H-Dur, mit der die Revolution gefeiert wird, nicht ohne humoristische und sarkastische Einschübe, was jedoch von den Behörden nicht bemerkt wurde. Die ersten Probleme mit der Zensur bekam Schostakowitsch mit dem Ballett Der Bolzen, das Industrie-Sabotage zum Inhalt hat. Es wurde 1931 abgesetzt.
Seine erste Oper Die Nase nach Gogols Satire ist ein wildes Werk vom Ende der Zwanziger Jahre, ein ganzes Zwischenspiel wird nur vom Schlagzeug bestritten, das sich aber überall in den Vordergrund drängt. Gesang wird hauptsächlich als rhythmische Deklamation eingesetzt. Das Werk verschwand nach 16 Aufführungen im Maly-Theater, Leningrad, wieder von der Bühne – nicht auf Verlangen der Zensur, sondern wohl schlicht aus mangelndem Publikumsinteresse. Groß jedoch war das Interesse an seiner zweiten Oper, Lady Macbeth von Mzensk. Oder Katerina Ismailowa, wie das Werk zuerst auch hieß. Es war ein großer Publikumserfolg, weil der Komponist hier sowohl mit dem Stoff, wie auch mit seiner Musik, die nun sehr viel mehr von der russischen Tradition, namentlich von Mussorgsky, aufgenommen hatte, den Nerv der Zeit traf. Über 80 Vorstellungen erlebte es von 1934 bis 1936 in Leningrad, etwa 100 in Moskau. Doch nachdem Stalin am 16. Januar 1936 eine Aufführung im Bolshoi-Theater bis zur Pause besucht hatte, wurde das Werk in der Sowjetunion verboten. Stalins kleinbürgerliche Moralvorstellungen gaben keine Sympathie für eine Ehebrecherin und Mörderin her. Natürlich wurde nicht einfach nur die Aufführung des Werks verboten, sondern Schostakowitsch wurde in einem Artikel der »Prawda« als Komponist angegriffen. Wenig hätte gefehlt, dass er in ein Straflager geschickt worden wäre, das er mit Sicherheit mit seiner schwachen Gesundheit nicht überlebt hätte.
Mit der 5. Sinfonie, im November 1937 in Leningrad durch den jungen Jewgeni Mrawinski uraufgeführt, kehrte Schostakowitsch vorerst wieder in den Schoß der Sowjetunion zurück. Das bis heute populäre Werk trägt optimistische Züge, ob sie »erzwungen« oder freiwillig zutage treten, ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall war das eine Musik, wie sie den Kunstexperten des Politbüros unverdächtig vorkam.
Lady Macbeth von Mzensk aber konnte nur noch außerhalb der Sowjetunion aufgeführt werden, so etwa in Düsseldorf 1959. Hier die Reaktion im Spiegel. Nach langem Bemühen erreichte Schostakowitsch 1963 eine Rehabilitation der Oper. Das konnte er aber nur um den Preis einer grundlegenden Umarbeitung in die Wege leiten. Die heiklen Stellen wurden im Libretto und in der Harmonik entschärft. Nur in dieser Form durfte die Oper – dann unter dem Titel Katerina Ismailowa – fortan in der Sowjetunion bis zu deren Zusammenbruch gespielt werden. Mstislaw Rostropowitsch jedoch schmuggelte um 1980 die Originalpartitur in den Westen und seit jener Zeit wird das Werk hierzulande fast ausschließlich in der ursprünglichen Form gespielt.
Es lohnt sich jedoch, die beiden Fassungen genauer zu vergleichen und auch eine Parallele zu ziehen zu Neufassungen von Werken der 10er und 20er Jahre von Stravinsky und Hindemith.

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