La Rondine (Premiere in der Deutschen Oper Berlin am 8. März) hat im Blog aus Zeitmangel keinen Niederschlag gefunden. Jetzt geht es aber weiter mit Puccini. Schon am 1. März hat in der Komischen Oper Berlin Gianni Schicchi Premiere. Dieser Einakter wird nicht – wie vor einigen Jahren an der Deutschen Oper Berlin – nicht zusammen mit einem oder zwei weiteren Einaktern von Puccini gespielt, die zu dem Triptychon gehören, das in Abwesenheit des Komponisten am 14. Dezember 1918 an der New Yorker Met zur Uraufführung kam, sondern mit Herzog Blaubarts Burg von Béla Bartók, einem Einakter, der ein gutes halbes Jahr früher in Budapest zum ersten Mal aufgeführt wurde. Natürlich haben die beiden Werke außer dem Uraufführungjahr wenig gemeinsam. Man kann nicht einmal behaupten, dass sie zur gleichen Zeit komponiert wurden, denn Bartók hatte seine Oper schon im September 1911, also fast drei Jahre vor dem Beginn des Ersten Weltkriegs, vollendet, während Puccini erst 1917, nach Vollendung und Uraufführung von La Rondine, das Libretto für Gianni Schicchi von Giovacchino Forzano erhielt. Zwar hatte er schon 1907 die Idee, einen Opernabend aus zunächst zwei – einem tragischen und einem komischen – Einaktern zu komponieren, aber bis 1916 war lediglich Il tabarro, die Tragödie, fertig, die er teilweise parallel zu La Rondine schrieb. Danach erst kamen die religiös-lyrische Suor Angelica und Gianni Schicchi dazu. La Rondine ist die erste Komödie (genauer: sentimentale Komödie) Puccinis, und Gianni Schicchi ist ohne diese Erfahrung kaum denkbar, wenngleich Puccini in mancher Hinsicht darin ganz andere Wege ging. So ist Gianni Schicchi eher mit Falstaff von Verdi zu vergleichen, während La Rondine deutliche Bezüge zu Der Rosenkavalier aufweist. So ist etwa der vielfache Gebrauch des Walzers in La Rondine ein Element, das auf wienerische Traditionen verweist – allerdings nicht nur, denn mit Ausnahme eines zentralen Walzers im 2. Akt, sind die Walzer in La Rondine Pariser Walzer und stehen in der Tradition von Meyerbeer und Gounod (oder auch Verdi, dessen Ballettmusik zu Macbeth ebenfalls einen Walzer enthält). Ein deutliches Zitat aus dem Rosenkavalier ist allerdings in Gianni Schicchi doch versteckt. Mit einer Parodie des Schlusstertzetts umschmeicheln die Frauen des Hauses Donati Gianni Schicchi.
»O mio babbino caro« ist eine der bekanntesten Arien Puccinis. Es ist ein schlichtes Lied, mit dem Lauretta, die Tochter Schicchis ihren Vater bezirzt, der für die Donatis, die er verachtet, erst überhaupt nichts tun will. Wenn aber das Erbe nicht gerettet wird, dann wird es auch nichts mit einer Heirat mit dem Donati-Sproß Rinuccio. Lauretta singt also um ihr Leben und ihre Liebe.
Den Stoff zu Gianni Schicchi fanden Puccini und Forzano in der Göttlichen Komödie von Dante. Im 30. Gesang der Hölle trifft Dante unter den betrügerischen Imitatoren auf einen besonders auffälligen. Man sagt ihm dass es sich um Gianni Schicchi handelt, der sich als Buoso Donati ausgegeben hat, um sich sein Erbe zu erschleichen. Die Familie Donati gab es im mittelalterlichen Florenz, Dantes Frau Gemma stammte aus ihr. Und so ist es kaum verwunderlich, dass ein Schicchi, also einer aus einem Bauerngeschlecht, in die Hölle verdammt wird. In einer Ausgabe von Pietro Fanfani von 1866, in der in einem Appendix die Geschichte noch etwas ausgeschmückt wird. Dort wird erzählt, dass der Sohn Buoso Donatis, Simone, seinen Vater daran hinderte, ein Testament zu machen. Als Buoso dann starb hatte Simone den Verdacht, dass sein Vater doch heimlich ein Testament gemacht haben könnte, in dem er nicht genügend bedacht wurde. Deswegen lässt er Schicchi holen, der dann die Idee hat, sich als alten Donati zu verkleiden und ein neues Testament zu machen. Simone verspricht ihm, ihn dafür fürstlich zu belohnen, doch Schicchi lässt es nicht darauf ankommen und vermacht sich selbst eine stattliche Summe und die Mühle der Donatis. Simone bekommt zwar den ganzen Rest, aber unter der Bedingung, dass er seinen Besitz innerhalb von vierzehn Tagen unter den Erben aufteilt, sonst geht alles an die Armenhäuser.
Ebenfalls ins Mittelalter geht das Märchen vom Blaubart zurück. Als Märchen taucht die Geschichte zuerst bei Charles Perrault 1697 auf. Die historische Figur, die sich dahinter verbirgt, ist Gilles de Rais, einer der Financiers der Jeanne d'Arc. Als solchen sind wir ihm auch in Jeanne d'Arc – Szenen aus dem Leben der Heiligen Johanna von Walter Braunfels begegnet. Hinter den Türen verbergen sich die Geheimnisse des Lebens. Die letzte Tür verbirgt drei frühere Frauen Blaubarts und Judith muss ihnen folgen, nachdem sie verbotenerweise auch diese Tür geöffnet hat. Die Spannung zwischen der vom Impressionismus beeinflussten Musik und dem expressionistischen Text des späteren Drehbuchautors und Filmtheoretikers Béla Balázs ist das Hauptmerkmal dieser Oper, die nach ihrer Vollendung für unaufführbar galt.
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