Montag, 4. November 2024

Roméo et Juliette

Die unsterblichen Liebenden von Verona haben Vorgänger in der Antike. Das babylonische Liebespaar Pyramus und Thisbe fand durch Ovid Eingang in die Weltliteratur. Ihre Kommunikation durch einen Spalt in der Wand zwischen den Häusern ihrer verfeindeten Eltern kennen wir vor allem durch die ungeschickte Darstellung der Handwerker im Sommernachtstraum, womit wir schon bei Shakespeare angelangt sind, dessen The Most Excellent and Lamentable Tragedy of Romeo and Juliet (Erstdruck 1597) der Oper von Charles Gounod zugrunde liegt, die wir am Mittwoch näher betrachten wollen. Hero und Leander – auch ihre Geschichte wurde zuerst durch Ovid überliefert – werden gelegentlich ebenfalls als Vorbilder genannt, doch neben der aller Widrigkeiten zum Trotz blühenden Liebe ist die einzige Parallele Heros Tod über der Leiche Leanders. Auch in der Geschichte von Girolamo und Salvestra, die in der achten Geschichte des vierten Tages in Giovanni Boccaccios Decamerone besungen werden, gibt es einen wesentlichen Unterschied: Nicht eine Familienfehde trennt die Liebenden, sondern der Standesunterschied zwischen dem reichen Kaufmannssohn und der armen Schneiderstochter. So ist es auch mit den die Liebenden von Teruel, die sich angeblich im Jahre 1217 in der spanischen Stadt zugetragen haben soll. Sie können nicht heiraten, weil Diego ein armer Schlucker ist, und der reiche Vater Isabels dies verhindert. Doch Diego hat fünf Jahre Zeit, sich in der Fremde Reichtum aufzubauen. Er schafft das auch, aber da er nie etwas von sich hat hören lassen, heiratet Isabel einen anderen. Er kommt zurück und die Geschichte endet wie bei Boccaccio. Er stirbt in Isabels Bett, als sie ihm den Kuss verweigert, und der Leichnam wird vom nichtsahnenden Ehemann Isabels beiseitegeschafft. Am nächsten Tag geht Isabel in die Kirche und küsst den dort aufgebahrten Toten. Und bleibt leblos auf ihm liegen. Gabriel Téllez, den wir auch als Tirso de Molina und als ersten Autor des Don-Juan-Stoffes kennen, schrieb 1615 Los amantes de Teruel. Das lässt sich aber auch als spanisches Gegenstück zu Castelvines y Monteses von Félix Lope de Vega y Carpio verstehen. Zwischen 1607 und 1612 schrieb Lope de Vega seine Version von Romeo und Julia mit glücklichem Ende.

Am Anfang der in Verona verorteten Stoffgeschichte steht eine Novelle von Luigi Da Porto (1485–1529). Zwischen 1512 und 1524 erschien die Historia novellamente ritrovata di due nobili amanti. Sein Zeitgenosse Matteo Bandello (1485–1561) veröffentlichte seinerseits 1554 drei Libri di Novelle. Die neunte Geschichte im zweiten Buch, La sfortunata morte di dui infelicissimi amanti che l'uno di veleno e l'altro di dolore morirono, con varii accidenti, diente sowohl Shakespeare als auch Lope de Vega als Vorlage für ihre Dramen um Romeo und Julia.

Shakespeares Tragödie gehörte zu seinen Lebzeiten zu den populärsten. Und auch als 1660, nach der Diktatur Cromwells und der Rückkehr und Inthronisation Charles II. Schauspiel wieder zugelassen wurde, erinnerte man sich schnell daran. Doch inzwischen war man schon deutlich puritanischer geworden. Samuel Pepys befand, dass es das schlechteste Schauspiel sei, das er je in seinem Leben gesehen habe. Er störte sich vor allem an den vielen explizit erotischen Anspielungen. John Dryden war hingegen ein paar Jahre später begeistert. Aber vielleicht hatte man da schon begonnen, das Stück zu bereinigen. So wie es nämlich im 18. Jahrhundert gespielt wurde, etwa in der Bearbeitung von David Garrick, ist es gänzlich jugendfrei. Bei den ersten Aufführungen im späten 17. Jahrhundert war der Schluss in die glückliche Version Lope de Vegas geändert, um 1680 gab es eine Neubearbeitung, die das Stück in die römische Zeit zurückversetzte, allerdings wieder den tragischen Schluss restituierte. David Garrick fügte in seiner 1748 erstmals gespielten Version etwas hinzu, das wir auch bei Gounod und in fast jeder anderen musikalischen Version finden: Romeo lebt noch, wenn Julia aufwacht, und die beiden haben noch einen letzten Dialog bzw. ein letztes Duett. Das ist Romantik und nicht Shakespeare.

Im 18. Jahrhundert erobert sich der Stoff die musikalische Bühne. Die ersten Singspiele erschienen in Braunschweig und Gotha 1773 und 1776, 1792 kam Tout pour l'amour ou Roméo et Juliette von Nicolas Dalayrac an der Comédie-Italienne in Paris heraus, im Jahr darauf ein Konkurrenzprodukt an der Opéra-Comique. 1810 gab es zum ersten Mal eine Oper mit tragischem Schluss. Sie kam in der Shakespeare-Stadt London heraus. Vom Komponisten Pietro Carlo Guglielmi (1772–1817) ist sonst so gut wie nichts bekannt. So klingt die Musik des Braunschweiger Kapellmeisters Johann Gottfried Schwanberger, es ist die Ouvertüre zu seiner Oper Solimano. Hier eine Tonaufnahme der Gothaer Romeo und Julie aus Bremen.

Das Libretto von Felice Romani, das 1825 Nicola Vaccai (1790–1848) als Giulietta e Romeo vertonte und 1830 Vincenzo Bellini als I Capuleti e i Montecchi lässt die Liebenden zum Schluss wieder am Leben – Vorlage ist denn auch mehr Lope de Vega als Shakespeare. Hier eine Tonaufnahme der Oper von Vaccai (oder Vaccaj)

1827 gastierte die Schauspielgesellschaft der Brüder Kemble in Paris. In den Partien der Juliet und der Ophelia wechselten sich Maria Foote und Harriet Smithson ab. Die junge Irin Smithson elektrisierte ganz Paris, so auch Hector Berlioz (1803–1869), der sie sofort heiraten wollte, was aber noch ein paar Jahre dauern sollte. Die Kemble-Gesellschaft stützte sich mit ihrer Aufführung auf die Fassungen von David Garrick. Juliet spricht also noch einmal mit dem sterbenden Romeo, ehe sie sich selbst umbringt. Der Graf Paris wird zwar in der Fassung nicht umgebracht von Romeo, dafür wird aber der Grabgesang für Julia, den Garrick nachgedichtet hatte, einbezogen. Für die »Symphonie dramatique« Roméo et Juliette, die Berlioz 1839 schrieb und 1847 veröffentlichte, verfasste Émile Deschamps (1791–1871, Co-Autor von Les huguenots und Le prophète) einen neuen »Convoi funèbre« (Trauerzug). Der Schluss der Sinfonie restituiert Shakepeare vollständig: Kein Dialog von Romeo und Julia, aber Zusammenkunft der ganzen Stadt und Waffenstillstand zwischen den Familien. Hier eine Konzert-Aufführung der »Symphonie dramatique« unter der Leitung von Daniele Gatti.

Charles Gounod (1818–1893) kannte die »Symphonie dramatique« von Hector Berlioz seit 1839, als er eine nicht öffentliche Probe im Conservatoire besuchte (offentlich aufgeführt wurde das Werk da noch nicht). Schon während seines Rom-Aufenthaltes (1841–1843) vertonte er übungshalber Texte aus Romeo und Julia – möglicherweise Ausschnitte aus dem Libretto von Felice Romani, das schon Vaccai und Bellini vertont hatten. Ende des Jahres 1864 entschloss er sich, den Stoff für eine Oper in Angriff zu nehmen und ließ sich von seinen Librettisten Jules Barbier (1825–1901) und Michel Carré (1821–1872) einen Text schreiben. Die beiden hatten bereits die Libretti für Le médecin malgré lui und zu Faust verfasst und einen Hamlet, den Ambroise Thomas komponierte, der aber noch nicht zur Aufführung gelangt war. 1865 brachte Gounod die Komposition in kurzer Zeit zu Papier. Bis zur Uraufführung im Théâtre-Lyrique dauerte es jedoch noch zwei Jahre, in denen noch Wünsche des Direktors Léon Carvalho zu erfüllen waren. Wie bei Faust war zunächst die Form der opéra comique mit gesprochenen Dialogen vorgesehen, doch Carvalho wünschte Rezitative. Vor allem aber fehlte ihm noch ein großes Chor-Bild. Daher wurde der 4. Akt, der urprünglich nur in Juliettes Kammer spielte, um den Hochzeitszug und Juliettes scheinbaren Tod, bevor sie dem Grafen Pâris vermählt werden kann, ergänzt. Noch zwei Mal nahm Gounod Umarbeitungen vor. Zuerst als die Opéra-Comique das Werk erworben hatte, nach der Pleite des Théâtre-Lyrique 1871. 1873 war Roméo et Juliette die erste Oper, die an der Opéra-Comqiue mit Rezitativen gespielt wurde. Dazu wurden u. a. die Finali des 3. und 4. Aktes umgearbeitet. Im gleichen Jahr kam es nach den Erfahrungen mit der Premiere an der Opéra-Comique noch zu weiteren Umarbeitungen. Als die Oper 1888 endlich an die Opéra kam, war die Bedingung natürlich ein Ballett. Das wurde nun auch noch in den 4. Akt gepackt – also nachdem Juliette scheintot zusammen gesunken ist, kommen die Tanzerinnen und Tänzer und tanzen eine »danse bohémienne«...

Die Ouvertüre weitet Charles Gounod zum Prolog. Das entspricht formal Shakespeare, zunächst auch wörtlich, aber der Chor ist mehr im Sinne des antiken Dramas Erzähler und spricht nicht das Publikum direkt an. Diese Schallplattenaufnahme von 1909 klingt fast solistisch besetzt – wie es vermutlich gedacht war –, doch der Grund dafür ist vermutlich, dass das Studio sehr eng war. Nach dem kurzen Ausschnitt aus dem Prolog folgen noch Ausschnitte aus der Garten- bzw. Balkonszene. Daher hier noch einmal die ganze Prolog-Ouvertüre aus der allerersten Schallplatten-Gesamtaufname von 1912. 

Der erste Akt bringt uns in den Palast der Capulets. Dort wird ein Maskenball gefeiert. Man tanzt. Und was tanzt man in Verona im 14. Jahrhundert? Walzer natürlich! Hier ein Ausschnitt aus der Minnesota Oper. Den Walzer, greift Juliette später auf, um ihre Freiheit als noch nicht Verheiratete zu feiern; sie ist nämllich gar nicht erpicht, den Grafen Pâris zu heiraten, so sehr ihn auch Cousin Tybalt und Amme Gertrude anpreisen. Eindringlinge kommen auf das Fest. Romeo wird von seinen Freunden angeschleppt, sie wollen ihn Rosaline vergessen machen. Mercutio fährt mit seiner Ballade von der Königin Mab großes vokales Geschütz auf. Hier Simon Kennlyside in der CD-Gesamtaufnahme von 1995. Juliette und Roméo sehen sich zum ersten Mal, ohne etwas über die gegenseitige Identität zu ahnen. Juliette macht sich von der Menge los, aber sie sucht eben nicht Pâris wie die sie ständig begleitende Amme vermutet, sondern sie will frei sein. Das ist der Inhalt ihrer Ariette im Walzer-Tempo, hier von Nellie Melba 1904 vielleicht etwas zu hitzig gesungen. Man muss die Szene dazu sehen, etwa so. Das ist Julie Fuchs, die in der Inszenierung von Ted Huffman im letzten Jahr in Zürich die Situation der jungen Frau, die sich gegen das Verheiratetwerden wehrt, sehr deutlich machte. Ob Roméo während des Walzers in der Nähe bleibt oder nicht, bleibt dem Regisseur überlassen. Nach dessen Ende jedenfalls schnappt sich Grégorio Gertrude, damit hat Roméo freies Feld. Er stellt sich Juliette in den Weg und stimmt ein »Madrigal« an, in das sie einstimmt. Es ist das erste von insgesamt vier Duetten. Hier ist mit Jussi Björling einer der makellosesten Tenöre des französischen Fachs zu hören, Juliette ist Anna-Lisa Björling. Tybalt stört die beiden, jetzt erst wird Roméo klar, dass er Juliette gegenübersteht. Mercutio kann ihn gerade noch vor Tybalt und Pâris retten, die auf Rache sinnen.

Der zweite Akt spielt im Garten Juliettes. Stéphano hilft Roméo über die Mauer. Noch ist Juliette nicht zu sehen, Gelegenheit für eine berühmte Arie, »Ah, lève-toi soleil« hier gesungen vom Tenor aller Tenöre, Enrico Caruso, eine Aufnahme in italienischer Sprache aus dem Jahr 1909. Juliette erscheint auf dem Balkon, die beiden nehmen Kontakt auf, aber Gertrude und Grégorio haben etwas mitbekommen und Grégorio sucht mit seinen Dienern den Garten ab, »Personne, personne« (»Niemand, niemand«) haben wir bereits ebenfalls in einer Aufnahme von 1909 gehört. Roméo konnte sich verstecken, Juliette kommt herunter und die beiden haben ausgiebig Zeit für ein Duett. Hier »O nuit divine«, gesungen von Alfredo Kraus und Catherine Malfitano, aus einer Schallplatten-Gesamtaufnahme von 1983.

Der dritte Akt besteht aus zwei Bildern: die Zelle des Frère Laurent und eine Straße vor dem Haus der Capulets. – Frère Laurent nimmt heimlich die Trauung von Juliette und Romeo vor: »Dieu qui fit l'homme à son image«, hier aus einer Gesamtaufnahme von 1953, Alberto Erede dirigiert das Orchester der Pariser Oper, es singen Raoul Jobin (Roméo), Janine Micheau (Juliette), Pierre Mollet (Frère Laurent) und Odette Ricquier (Gertrude). – Stéphano, selbst ein wenig verliebt in Juliette, wagt sich in die Nähe des Hauses Capulet, wo er seinen »maître«, wie er Roméo nennt, vermutet. Sein Chanson ruft Grégorio und die Diener auf den Plan. Hier zu sehen in einer Aufführung des Teatro La Fenice, in der Regie von Damiano Michielotto, es singt Kemoklidze Ketevan. Die Hosenrolle Stéphano erinnert sehr an die Hosenrolle Siebel in Faust, der seine Romance auch am Anfang des dritten Aktes zu singen hat. Zwischen dem »enfant« Stéphano und den Dienern entsteht ein Handgemenge, Mercutio kommt ihm zu Hilfe, auf der Seite der Capulets erscheint Tybalt. Romeo versucht zu vermitteln, aber das Duell zwischen Mercutio und Tybalt ist unvermeidlich. Mercutio wird tödlich verwundet. Romeo rächt seinen Freund, indem er Tybalt, den Cousin Juliettes, tötet. Unversöhnlich stehen sich Capulets und Montaigus gegenüber. Nur der Duc kann einen Waffenstillstand erreichen, indem er Roméo ins Exil schickt. »O jour de deuil«, Tag der Trauer, ja, aber »La paix? Non! Jamais!«, Frieden nie! Hier das Finale in einer Aufführung der Oper in Bilbao 2011.

Auch der vierte Akt hat – wie schon erwähnt – zwei Bilder. Das erste, in der Kammer Juliettes, entspricht der zweiten Balkonszene (3. Akt, 5. Szene bei Shakespeare); das zweite ist der von Carvalho erbetene Hochzeitszug. – Es beginnt mit dem großen Duett »Va, je t'ai pardonné« (12 Minuten), für die beiden ist es die Hochzeitsnacht, sie wird von der Lerche beendet, auch wenn Juliette das erst nicht wahrhaben will und die Nachtigall vorschiebt. Hier eine Schallplattenaufnahme von 1964 mit einem anderen schwedischen Tenor, Nicolai Gedda; Juliette ist Rosanna Carteri. Sie schwören sich ewige Liebe, Romeo kann gerade noch entwischen, bevor Capulet ins Zimmer kommt, um der Tochter zu verkünden, dass es nun aber ernst wird mit der Hochzeit mit Pâris. Er hat gleich Frère Laurent mitgebracht, der im Quartett (hier aus einer Gesamtaufnahme des Bayreischen Rundfunks mit Ruth Ann Swensen, Sarah Walker, Alain Vernhes, Alastair Miles) zum Schein darauf eingeht – er kann ja Juliette nicht ein zweites Mal verheiraten. Nachdem Capulet gegangen ist, reicht Frère Laurent Juliette seinen Trank, der sie in todesähnlichen Schlaf versetzen wird. Das Bild endet mit der Arie der Juliette, hier gesungen von Pretty Yende. – In einer großen Halle vor der Kapelle wird alles vorbereitet für die Hochzeit von Pâris und Juliette. Brautzug, Ensemble, Brautlied (»Epithalamium«), Orgel aus der Kapelle, Juliette reißt sich den Brautschmuck vom Kopf und fällt rechtzeitig in Tiefschlaf, bevor sie zum Ja-Wort gezwungen werden kann. Alle halten sie für tot. Den Ausschnitt hören Sie hier noch einmal aus der Gesamtaufnahme mit Alberto Erede von 1953.

Der fünfte Akt spielt in der Krypta, wo Juliette aufgebahrt ist. In einer kurzen Szene (oftmals weggelassen) zwischen Frère Laurent und Frère Jean kündigt sich die Katastrophe an: der Brief an Roméo ist allem Anschein nach nicht durchgekommen. »Le sommeil de Juliette«, Juliettes Schlaf ist auch im Konzert beliebt, hier dirigiert ihn ein Spezialist für französische Musik, Sir Thomas Beecham 1961 mit dem Royal Philharmonic Orchestra. Romeo kommt, um an Juliettes Seite zu sterben, dafür hat er sich Gift besorgt, das er hinunterstürzt, nachdem er sich von der scheinbar Toten verabschiedet hat. So klingt es mit Rolando Villazon. Doch Juliette wacht auf, aber es ist zu spät, Roméo kann nicht mit ihr fliehen. Hier noch einmal Jussi Björling, dies Mal in einer Aufführung der Metropolitan Opera von 1947, Bidù Sayão ist Juliette. Die Fortsetzung hier, nachdem sie sich ausgeweint hat, findet sie bei ihm einen Dolch, den sie sich in den Leib rammt. Nun sterben beide gemeinsam.

Es gibt mehrere Gesamtaufnahmen als Video auf YouTube. Ganz vorn ist zu nennen diese Aufführung aus Amsterdam von 2011. Die Inszenierung ist von Olivier Py, es dirigiert Marc Minkowski. Beim Auftritt des Roméo im 2. Akt möchte man meinen, dass er bei seinen Shakespeare-Studien eine falsche Seite aufgeschlagen hat, aber schauen Sie selbst (bei etwa 00:40 beginnt die Verwandlung zum 2. Akt). Stéphano entpuppt sich bei Olivier Py als Frau, was sich anbietet. Die Partie wird von einer Frau gesungen und die anderen nennen sie nicht beim Namen, sondern einfach »enfant«, Kind. Man braucht also nicht einmal zu Tricks zu greifen, wie eine Übersetzung in den Übertiteln mit Stephanie. Und sein/ihr Chanson bekommt noch etwas mehr Berechtigung (Beginn zweites Bild des 3. Aktes bei etwa 01:20). Die Aufführung der Bastille Oper von 2023 hat den vermutlich besten gegenwärtigen Roméo als Vorzug, Benjamin Bernheim, aber auch die Juliette der Elsa Dreisig ist erste Klasse, und die Inszenierung von Thomas Jolly lässt sich sehen. Der Moment der Liebe auf den ersten Blick nach dem Walzer ist perfekt eingefangen, dafür streicht er sogar den kurzen Dialog mit Grégorio, was niemand vermissen wird (Walzer bei ca 00:25). Leider nirgendwo zu finden ist die Produktion mit Julie Fuchs und Benjamin Bernheim vom letzten Jahr im Opernhaus Zürich, es gibt nur einzelne Ausschnitte, wie den erwähntren Walzer. In der Naxos-Videolibrary (zu erreichen über die Öffentlichen Bilbiotheken) gibt es nicht weniger als fünf Gesamtaufnahmen, beginnend 1994 in Covent Garden mit Roberto Alagna und Lentina Vaduva, weiter dem Opernfilm (73 Minuten) von 2002 mit Gheorghiu und Alagna und einer Produktion aus Orange aus dem gleichen Jahr mit demgleichen Paar, den Salzburger Festspielen 2008 mit Nino Machaidze und Rolando Villazon, von der Arena di Verona 2011 mir Nino Machaidze und Stefano Secco.

Wer sich für historische Tonaufnahmen interessiert, wird auch bei YouTube fündig. Nehmen wir nur das Jahr 1947. Da gibt es diese Live-Aufnahme von der Metropolitan Opera mit Jussi Björling, und aus der anderen Welt sogar zwei konkurrierende Studioaufnahmen: vom Bolschoi-Theater zuerst diese mit Iwan Kozlovsky und Yelizaveta Shumskaya, und dann diese mit Sergei Lemeshev und Irina Maslennikova.

Ma Mittwoch haben wir zwei Stunden Zeit für alles, ich freue mich
Ihr Curt A. Roesler

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