Am 3. März hat im Schillertheater Georg Friedrich Händels »Musical Drama« Hercules Premiere. Die Produktion der Komischen Oper Berlin kommt aus Frankfurt am Main, wo Barrie Kosky die Oper (oder das Oratorium?) vor Kurzem inszenierte. In der alten (Gesamt-)Ausgabe der Werke von Georg Friedrich Händel, erschien sie 1859 im vierten Band als Oratorium. Tatsächlich gab es zu Händels Lebzeiten keine szenische Aufführung dieses Werks. Komponiert hatte er es für eine Reihe von Oratorien, die im King's Theatre im Winter 1744/45 aufgeführt wurden. Händel betätigte sich da wieder einmal als Unternehmer – und scheiterte erwartungsgemäß, wozu der Misserfolg des Hercules nicht unwesentlich beitrug. Er musste den Subskribenten von acht nicht stattgehabten Aufführungen das Geld zurückzahlen. Den Abschluss der Reihe von konzertanten Aufführungen im King's Theatre bildete die Uraufführung des Belshazzar, der sich in die Reihe der biblischen Oratorien Händels einfügt, der aber inzwischen auch öfter szenisch aufgeführt wurde.
Herakles (Ἡρακλῆς) ist einer der griechischen Heroen, Halbgott, Sohn des Zeus und der Alkmene. Berühmt ist er vor allem für seine 12 »Arbeiten«, die ihm die über die Untreue ihres Gatten erzürnte Hera auftrug. Es sind Heldentaten, die ihn als den Stärksten ausweisen. Sprichwörtlich sind davon etwa das Ausmisten des Augias-Stalles und die Tötung der neunköpfigen Schlange Hydra. Kein Wunder also, dass Herakles, die deutsche Fassung des Hercules 1936 auf der heutigen Waldbühne aus Anlass der Olympiade gespielt wurde. Dass sich die Oper mit einem ganz anderen Teil der Legenden um den antiken Heroen befasst, wussten die Nazi-Oberen entweder nicht, oder es war ihnen egal.
In Hercules geht es um das Ende des Helden und die Hauptperson ist – wie in der Vorlage, Die Trachinierinnen (Τραχίνιαι) von Sophokles – Deianeira (Δηιάνειρα). Die Tochter des kalydonischen Königs Oineus (Οἰνεύς) und seiner Gattin Althaia (Ἀλθαία) hat einen sprechenden Namen, »den Männern feindlich«. Herakles liebt sie allerdings sehr, seit er um sie, deren Schönheit sich weit herumgesprochen hatte, warb. Vielleicht ist sie auch gar nicht die Tochter des Oineus, sondern des Dionysos; Oenologen kennen die Geschichte sicherlich, denn Oineus bekam von Dionysos den ersten Weinstock geschenkt. Nachdem Herakles die Hand der Deianeira im Zweikampf errungen hatte, musste er mit ihr einen Fluss überqueren. Dabei half ihnen der Kentaur Nessos (Νέσσος). dabei vergriff sich an Deianeira und wurde von Herakles getötet. Im Sterben riet der ihr, sein Blut aufzufangen, um damit, falls es je nötig sein sollte, die Liebe des Herkules wiederzuerlangen. Alternativ dazu wird erzählt, dass er ihr ssein Hemd schenkte (das Nessos-Hemd), das sie ihm in eben dem Fall anziehen solle. Das alles gehört zur Vorgeschichte.
Herakles ist wieder einmal in den Krieg gezogen, so die Geschichte bei Sophokles, und Deianeira wartet sehnsüchtig auf seine Rückkehr. Genauer gesagt war er wohl auf Freiers Füßen und gewann im Bogenschießen Iole (Ἰόλη). Deren Vater Eurytos (Εὔρυτος) beschuldigte ihn allerdings, mit magischen Pfeilen betrogen zu haben. Dadurch erst kommt es zum Krieg. Herakles tötet Eurytos und nimmt Iole als Kriegsbeute mit in der Absicht, sie seinem Sohn Hyllos (Ὕλλος) zu vermählen. Das weckt nun Deianeiras Eifersucht. Um Herakles wiederzugewinnen zieht sie ihm das Nessos-Hemd an. Der stirbt qualvoll und lässt sich auf einem Berg verbrennen, von wo seine Seele zum Olymp aufsteigt. Deianeira, die erkennt, dass sie nun unwillentlich Nessos Rache erfüllt hat, nimmt sich das Leben.
Eine Übersetzung der Trachinierinnen von Sophokles aus dem Jahr 1845 können Sie hier finden. Eine weitere Quelle des Librettisten Thomas Boughton (1704–1774) sind die Metamorphosen des Ovid, Original und Übersetzung seiner Schilderung des Todes des Herakles finden Sie hier.
Erst 1925 wurde Herakles zum ersten Mal (in deutscher Sprache) auf die Bühne gebracht. Regisseur war Hanns Niedecken-Gebhardt, der von 1922–1928 und später in der Zeit des Nationalsozialismus noch einmal die Göttinger Händel-Festspiele leitete. Die Händel-Renaissance der 1920er Jahre ist von ihm ästhetisch wesentlich beeinflusst. Er arbeitete in dieser Zeit oft mit Künstlern zusammen, die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüber standen und später emigrierten, wie Otto Klemperer und Hein Heckrodt. Erst nach 1933 kam er aus den USA (wo er an der Metropolitan Opera inszenierte) ins »gelobte Land« Deutschland zurück und hatte hier noch einmal eine bedeutende Karriere. Er war auch für die Inszenierung 1936 in der Waldbühne verantwortlich.
1958 inszenierte Herbert Graf, einer der bedeutendsten Regisseure der Metropolitan Opera und der Salzburger Festspiele vor und nach den Nazis, Händels Hercules an der Scala di Milano. Dafür wurde eine italienische Übersetzung hergestellt und das Orchester etwas aufgedickt. Eine internationale Spitzenbesetzung sang unter der musikalischen Leitung von Lovro von Matacic: Elisabeth Schwarzkopf (Iole), Fedora Barbieri (Dejanira), Franco Corelli (Hyllus), Ettore Bastianini (in der Alt-Partie des Lichas) und in der Titelpartie Jerome Hines. Die Vorstellung wurde vom Rundfunk übertragen und hat sich als Tondokument so erhalten. Dass es sich bei Hercules um eine Oper handelt, dürfte damit hinreichend bewiesen sein. Heute würde man Händel selbstverständlich nicht mehr so musizieren, aber die Sänger sind großartig. Eine neuere, aber nach 40 Jahren auch nicht mehr ganz frische, Tonaufnahme ist diese von John Eliot Gardiner. John Tomlinson und Anthony Rolfe Johnson sind hier Hercules und Sohn Hyllus, Sarah Walker und Jennifer Smith Dejanira und Iole. Herkules in deutscher Sprache hat auch eine große Tradition, da gibt es die Aufnahme von Wolf-Dieter Hauschild aus Leipzig 1997 mit Doris Soffel als Dejanira, Kari Lövaas als Iole, Hermann-Christian Polster in der Titelpartie und Eberhard Büchner als Hyllus. Davon gibt es einzelne Nummern bei YouTube, besser natürlich ist es, wenn Sie sich entweder die CDs besorgen oder bei Spotify hören. Wenn Sie einen Bibliotheksausweis der Stadtbibliotheken haben, dann bietet sich natürlich die Naxos Library an.
Zwei szenische Aufführungen sind auf YouTube zu finden, eine Studentenaufführung aus Budapest in klassizstischen Kostümen fast ohne Dekoration, und eine Pariser Aufführung von 2004, dirigiert von William Christie und inszeniert von Luc Bondy. Joyce DiDonato ist hier Dejanira, Ingela Bohlin Iole, William Shimell Hercules und Toby Spence Hyllus. Dieses Video gehört auch zu den 620 Aufnahmen in der Naxos Video Library, also mit etwas besserer Qualität können Sie auch diese DVD mit Ihrem VOEBB-Ausweis sehen.
Dann also bis Mittwoch, ich freue mich darauf,
Ihr Curt A. Roesler
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