Montag, 20. Juni 2022

Peter Maus ist gestorben

Liebe Opernfreunde,

heute muss ich eine traurige Mitteilung machen: Peter Maus, den wir alle so geschätzt haben und dessen Karriere an der Deutschen Oper Berlin viele von uns von den Anfängen 1974 bis zu seiner Pensionierung 2013 und darüber hinaus verfolgt haben, ist gestorben. Seine erste Premiere war La Gioconda von Amilcare Ponchielli, wo er die Partien des Isèpo und des ersten Gondoliere sang. Wenige Tage davor war sein erster Auftritt an der Deutschen Oper Berlin überhaupt als Bote im Troubadour. Zuletzt hat er uns namentlich in Eugen Onegin als Monsieur Triquet seine jahrelange Erfahrung als Comprimario eines der international führenden Opernhäuser vor Augen und Ohren geführt. 

Alle Partien, die er an der Deutschen Oper Berlin, seinem Stammhaus, gesungen hat, aufzufählen, ist kaum möglich, es sind an die hundert oder sogar mehr. Man würde immer noch eine vergessen haben, wie sehr man sich auch bemüht. Fange ich also mit einer persönlichen Erinnerung an, die in die Nullerjahre zurückreicht. 2002 brachte die Deutsche Oper Berlin unter neuer Intendanz eine Neuinszeierung von Hoffmanns Erzählungen nun originalsprachlich Les contes d'Hoffmann betitelt. Als neuer Leiter des Kindermusiktheaters nahm ich das zum Anlass, eine Version dieser Oper für Kinder zu erstellen in der Weise, wie wir früher schon Hänsel und Gretel für die ganz Kleinen und Klein Siegfried (eine Version des Ring des Nibelungen) produziert haben. Von Anfang an habe ich Peter Maus in der Titelpartie gesehen; er musste aber erst davon überzeugt werden, er sah sich in dieser Oper nämlich als der Diener Frantz und dessen Spiegelbilder in den anderen Akten. Er ließ sich aber überzeugen und war schließlich selbst ganz begeistert von der Atmosphäre im Foyer mit dem jugendlichen Publikum. Die Begeisterung trug er weiter bis zu Kleines Stück Himmel, seine letzte Premiere an der Deutschen Oper Berlin, die Uraufführung einer Kinderoper in der Tischlerei, die inzwischen der Ort für das jugendliche Publikum geworden ist.

Seine Ausbildung erhielt Peter Maus, 1948 in Haag in Oberbayern geboren, an der Kirchenmusikschule Bayreuth und an der Musikhochschule München u. a. bei dem berühmten Sängerausbilder Hanno Blaschke. Sein Bühnendebüt erfolgte ebenfalls in Bayreuth, nicht im Festspielhaus, sondern im markgräflichen Opernhaus, dennoch mit Wagner; er war Pontio Pilato in Das Liebesverbot, einer Produktion des Internationalen Jugend-Festspieltreffens 1972, die damals von einer winzigen Schallplattengesellschaft aufgezeichnet wurde und die heute noch auf Auktionen bei Vinylfreunden zu finden ist. Knapp zwei Jahre später bekam er von der Deutschen Oper Berlin seinen ersten Festvertrag, und er blieb in dieser Stadt. Von Anfang an machte er sich unverzichtbar im großen Ensemble der Deutschen Oper Berlin, die gern Stücke spielte, die eben ein großes Enseble verlangten. Ein halbes Jahr nach La Gioconda sang Peter Maus wieder einen Gondoliere, jetzt aber in einer ganz neuen Oper, Tod in Venedig von Benjamin Britten. Und wieder verkörperte er gleich mehrere Partien, neben dem Gondoliere noch einen Straßensänger, einen Jungen auf dem Boot und einen Amerikaner. Neue Musik machte seit ihrer Gründung einen großen Teil des Repertoires der Deutschen Oper Berlin aus. Es geht also weiter mit Ur- und Erstaufführungen, etwa Kinkakuji von Toshiro Mayuzumi. In eindrücklicher Erinnerung bleibt mir sein Lehrer in der Uraufführung Das Schloss von Aribert Reimann. Aber auch Wagner wurde sehr gepflegt an der Deutschen Oper Berlin und so kamen bald die drei Opern in sein Repertoire, in denen er zwischen 1982 und 2002 in Bayeruth auftrat: Parsifal, Die Meistersinger von Nürnberg und Tristan und Isolde. Im Parsifal war es abwechselnd der 3. und der 4. Knappe, in den Meistersingern erst Kunz Vogelgesang, dann Ulrich Eißlinger, in Tristan und Isolde aber immer der Hirt. Viele werden sich an die Aufführungen erinnern, zuerst musste er 50 Jahre »hinaufspielen«, er war gerade dreißig und in der Inszenierung von Götz Friedrich ist der Hirt ein sichtbar alter Hirt. Später kam er dem gespielten Alter näher (erreicht hat er es jetzt leider nicht), und leider hat er die Partie nicht immer gesungen, ausgerechnet in der Aufführung in Tokyo, die 1993 vom japanischen Fernsehen aufgezeichnet wurde, sang er den Hirten nicht. Was aber festgehalten ist, ist eine andere Inszenierung von Götz Friedrich, in der er sein Bestes gibt: Orpheus in der Unterwelt. Da gibt er den Gott des Handels und Verkehrs, Merkur, pardon: den Pressesprecher des Chefgottes Jupiter – auf Rollschuhen. Man kann auf YouTube die Fernsehaufzeichnung vom 1. Januar 1984 finden, komplett mit den Kommentaren von Norbert Ely; allerdings ist der Clip etwas durcheinander geraten, um zum Anfang zu kommen, muss man eine Stunde vorspulen und das Rondo des Merkur findet man nach etwas mehr als zwei Stunden. Und um den Clip zu finden muss man natürlich nicht etwa nach Peter Maus suchen, sondern nach Hans Beirer (und Orpheus in der Unterwelt), der den Jupiter singt.  Die von der Deutschen Oper Berlin und Arthaus Musik herausgegebene DVD ist leider nur noch gebraucht zu bekommen. Genauso geht ist es mit den Meistersingern, die man aber auch bei YouTube sehen kann. Dort findet man ab der 40. Minute den Aufruf der Meister durch Kothner, da ist Peter Maus vielfach zu sehen; als Ulrich Eißlinger hat er allerdings nur ein »Hier!« zu singen; und danach kommt die Ansprache des Pogner, gesungen von dem ebenfalls vor Kurzem verstorbenen Victor von Halem.

Der Kaiser in Turandot wurde auch in der letzten Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin wie gewohnt einem älteren Ensemblemitglied anvertraut, aber eben nicht einem ehemaligen Heldentenor oder wenigstens jugendichen Heldentenor, sondern einem lyrischen Tenor: Peter Maus. Und er machte diesen Auftritt zu einem ganz besonderen Höhepunkt der Inszenierung.

Peter Maus, der auch eine bedeutende Karriere als Konzertsänger hatte, mit einem Schwerpunkt auf Bach, erhielt 1986 einen Lehrauftrag an der Universität der Künste und hat seither Generationen von jungen Sängern auf den Weg gebracht. 1995 wurde er zum Honorarprofessor ernannt und 2001 wurde er Berliner Kammersänger. Am 17. Juni verstarb Peter Maus nach kurzer schwerer Krankheit, wie zu vernehmen war. Die Deutsche Oper Berlin hat auf ihrer Homepage einen Nachruf herausgebracht, auch die Bayreuther Festspiele gedenken seiner auf der Homepage. Wir behalten Peter Maus in ganz besonderer Erinnerung.

Alles Gute und bleiben Sie gesund,

Ihr Curt A. Roesler

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