Diese Woche bringt uns Jaromír Weinberger in die Hölle, um dort einem nicht sehr schlauen Teufel zu begegnen. Mit dem Teufel Karten spielen, das kennen wir doch. Da verliert man zuverlässig. Nicht so in Schwanda der Dudelsackpfeifer. Babinsky, der berühmte Räuber, der böhmische Robin Hood, ist es, der den Leibhaftigen herausfordert – und gewinnt. Er gewinnt die Seele von Schwanda, den der Teufel geholt hat, weil er gelogen hat. Babinsky hatte ihn ins Reich der Märchenkönigin Eisherz entführt, die sich in ihn verliebt und die er – vermeintlich unbeobachtet – küsst. Als seine Frau Dorota ihn zur Rede stellt, streitet er es ab und spricht die fatalen Worte »dann soll mich der Teufel holen.« Der tut es sofort und so kommen wir im 4. Bild in der Hölle an. Weil Schwanda dem Teufel nicht aufspielen will, versucht sich dieser selbst auf dem Dudelsack – es klingt furchtbar, aber Schwanda ist nicht herumzukriegen, auch nicht mit einer Vision von der geliebten Dorota. Jetzt aber hat Babinsky den Weg in die Hölle gefunden. Und er bietet dem Teufel an, mit ihm Karten zu spielen. Die Einsätze, die er anbietet, hat er alle dem Teufel gestohlen, der es zwar merkt aber nicht beweisen kann. Da er selbst nun nicht Anderes mehr hat, muss er Schwandas Seele einsetzen. Babinsky gewinnt. Jetzt endich spielt Schwanda in der Hölle auf. Die berühmte Fuge beendet das Höllenbild. Babinsky der edle Räuber bringt im letzten Bild Dorota und Schwanda wieder zusammen. (Polka gespielt von den Berliner Philharmonikern unter Herbert von Karajan; Polka und Fuge, gespielt vom Chicago Symphony Orchestra unter Fritz Reiner; die ganze Oper Radio Frankfurt 1948; die ganze Oper in Englisch, London 1959)
Jaromír Weinberger gehört zu den Komponisten, die nach 1933 in Deutschland nicht mehr gespielt werden durften und nach 1938 auch in der Tschechoslowakei und in Österreich nicht mehr. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es einige Versuchem an den enormen Erfolg von Schwanda der Dudelsackpfeifer in den Jahren nach der Uraufführung der Neufassung 1928 anzuknüpfen. Aber mit der Zeit wurde Jaromír Weinberger vergessen, noch zu seinen Lebzeiten. Auch blieb er ein »Ein-Werk-Komponist«, keine seiner späteren Opern konnte an den einstigen Erfolg anknüpfen. 1967 nahm er sich mit 71 Jahren in Saint Petersburgh, Florida, wo er inzwischen mit seiner Frau lebte, das Leben.
1896 wurde Jaromír Weinberger in Prag geboren und wuchs auf dem Land bei seinen Großeltern auf. Schon mit fünf Jahren fiel seine musikalische Begabung auf und er wurde zum Klavierunterricht nach Prag gebracht. Mit zehn Jahren begann seine musikalische Ausbildung bei den Komponisten und Dirigenten Jaroslav Křička, Rudolf Karel und Václav Talich. Václav Talich, nur 13 Jahre älter als Weinberger, gehört zu den großen Dirigenten des 20. Jahrhunderts, von dem unzählige Schallplatten existieren, hier ein Slawischer Tanz von Antonín Dvořák. Jaroslav Křička hat auch Opern geschrieben, unter anderen eine nach Oscar Wildes Canterville Ghosts, die George Szell in seiner Kölner Zeit 1932 aufgeführt hat, hier kann man eine Minute von der Musik erhaschen, denn in Prag wurde sie vor kurzer Zeit wieder aufgeführt. Der Komponist Rudolf Karel, Jahrgang 1880 wurde 1945 in Theresienstadt ermordet.
1910 wurde Weinberger ins Prager Konservatorium aufgenommen; hier wurden nun der etwas bekanntere Komponist Vítězslav Novák und der Pianist Karel Hoffmeister seine Lehrer. 1913 wurde in Prag als eine Art Zwischenprüfung (das Studium schloss er 1915 ab) Eine Lustspiel Ouvertüre zur Uraufführung gebracht. Ob er wusste, dass auch Max Reger ein Orchesterwerk mit diesem Titel schrieb? Jedenfalls machte er sich 1915 nach Leipzig auf, um dort bei Max Reger Unterricht zu nehmen. Und bei ihm hat er sicher noch einiges über Fugen und andere kontrapunktische Formen gelernt.
1922 unternahm er eine Reise in die USA; und blieb für ein paar Jahre. Am Ithaca College erhielt er eine Professur unter dem Gründungsdirektor William Grant Egberth. 1926 erhielt er eine Anstellung als Dramaturg am slowakischen Nationalthater Bratislava, zog aber bald weiter nach Prag, wo er an seiner Oper Švanda dudák arbeitete. Die Uraufführung am 27. April im tschechischen Nationaltheater wurde allgemein eher verhalten aufgenommen, aber Max Brod begeisterte sich für das Werk und bot Weinberger an, es ins Deutsche zu übersetzen und dabei auch etwas zu bearbeiten. Dabei wurden der Prolog und der Epilog zu gleichwertigen Teilen des 1. bzw. 2. Akts. In dieser Form inszenierte der junge Herbert Graf die deutschsprachige Erstaufführung in Breslau. Von da an vrebreitete sich das Werk in Windeseile über die ganze Welt. In München und Berlin kam es 1929 an, 1930 in Wien und 1931 an der Metropolitan Opera, wo es ausgerechnet von von Hans Niedecken-Gebhardt inszeniert wurde.
Die Aufführung in München, begeisterte den Dirigenten Hans Knappertsbusch so sehr, dass er Weinberger einen Opernauftrag erteilte: Die geliebte Stimme kam 1931 zur Uraufführung. In Wien dirigierte Clemens Krauss und die Titelpartie wurde von Karl Hammes gesungen (hier eine Schallplattenaufnahme aus der Zeit). Am 19. Januar 1933 kam in Berlin die Operette Frühlingsstürme zu Uraufführung – und wurde bald wegen der jüdischen Herkunft des Komponisten verboten. Wir sprachen vor zwei Jahren schon darüber, als sie in der Komischen Oper wiederaufgeführt wurde. Auch noch im letzen Augenblick, wo es möglich war, 1937 kam in Wien die Oper Wallenstein heraus, in Gera gab es vor einigen Jahren eine Aufführung davon (ich glaube, ich hatte damals auch darüber berichtet).
Über Frankreich emigrierte Weinberger in die USA, wo er 1939 eintraf und gleich ein erstes Orchesterwerk mit konzertantem Klavier für das Gastland schrieb, Under the Spreading Chestnut Tree (hier eine 78er Aufnahme unter Leitung von Artur Rodzinski). Ein weiteres Werk, mit dem er Anerkennung als amerikanischer Komponist suchte, war 1941 die Lincoln Symphony, auch die kann man bei YouTube finden, dirigiert von Eugene Goossens, der auch die Uraufführung dirigierte.
Bis Mittwoch.
Ihr Curt A. Roesler
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.