Donnerstag, 29. April 2021

Da Ponte, Mozart und andere

 Wolfgang Amadé Mozart und Lorenzo da Ponte waren im gleichen Jahr, 1781, nach Wien gekommen. Mozart, als Klaviervirtuose und als Instrumentalkomponist bereits eine europäische Berühmtheit, erhielt noch im gleichen Jahr den Auftrag, ein »Singspiel« zu komponieren. Das war die 1778 von Kaiser Joseph II. an die Stelle der italienischen Oper als Ausdruck einer nationalen Kultur gesetzte Form des musikalischen Theaters im Burgtheater. 1782 hatte Die Entführung aus dem Serail die Premiere. Als sich Mozart und da Ponte 1783 im Palais des Kunstmäzens Baron Karl Abraham Wetzlar von Plankenstern erstmals begegneten, stand da Ponte noch ganz am Anfang seiner Karriere als Dichter für die italienische Hofoper, die vom Kaiser dem Publikum zuliebe gerade wieder zugelassen werden sollte. Beide hatten ihre recht eigenen Vorstellungen von der Kunstform Oper. Mozart hatte 1781 in einem Brief zum Idomeneo so formuliert: »bey einer opera muß schlechterdings die Poesie der Musick gehorsame Tochter seyn.« Genau das Gegenteil natürlich war da Pontes Auffassung, der sich gern über den Niedergang der italienischen Oper beklagte und auf mangelhafte Libretti verwies, die nur für irgendwelche musikalischen Effekte zusammengestoppelt seien. Es trafen zwei Giganten aufeinander, aber sie verstanden sich von Anfang an gut, denn sie fühlten sich beide als Außenseiter im Intrigenstadel des Wiener Hofs. Bis es zu der sogleich verabredeten Zusammenarbeit kam, dauerte es noch einige Zeit, aber am Ende ging es dann ganz schnell. Im Herbst 1785 machten sich beide ans Werk für Le nozze di Figaro, sechs Wochen benötigten sie nach übereinstimmenden Angaben dafür nur. Die Vorlage La folle journée ou Le mariage de Figaro von Beaumarchais wollte Schikaneder in seinem Theater in deutscher Übersetzung aufführen, aber die Zensur verbot dies auf einen Wink des Kaisers. Im Druck allerding ist das Werk unbeanstandet erschienen. Es war also denkbar, aber nicht sicher, dass der Kaiser die Aufführung einer Oper nach diesem Sujet in italienischer Sprache erlauben würde. Das Publikum in der Hofburg war nämlich ein anderes als das im Theater am Kärntnertor, hier kamen nur Adlige und Intellektuelle, keine Angehörigen niederer gesellschaftlicher Schichten, die man vor den Ideen Beaumarchais' schützen zu müssen vorgab. Die Bedenken des Kaisers waren möglicherweise eher moralische als politische. In diesem Sinn jedenfalls hat er sich geäußert, als er den Zensor auf das Stück jagte. Mozart wollte es also wagen und da Ponte traute sich zu, das Stück so zu »entschärfen«, dass es nicht mehr »anstößig« ist. Und das tat er auch. Die Gräfin lässt sich viel weniger auf Cherubino ein als im Original (in dessen Fortsetzung sie ja als La mère coupable/Die schuldige Mutter mit ihm ein Kind hat). Viel ist darüber geschrieben worden, ob da Ponte dem Stoff auch die politische Spitze genommen hat. Und das ist keineswegs so klar. Der große gegen den Adel gerichtete Anklage-Monolog im letzten Akt ist zwar durch einen ironischen Aufruf an die Männer, besser auf ihre Ehefrauen zu achten, ersetzt, aber es bleibt genug Aufmüpfiges wie »Se vuol ballare signor contino« (»Will der Herr Graf ein Tänzchen wagen«). Vorsichtshalber arbeiteten da Ponte und Mozart erst im Geheimen und stellten dem Kaiser erst im Februar das fast fertige Werk vor, als absehbar war, dass das Hoftheater bald ein neues Stück brauchen würde. Ein besonderes Argument hatten sie noch: Il barbiere di Siviglia war seit seiner Wiener Premiere 1783 beim Publikum beliebt; und was ist Le nozze di Figaro anderes als eine Fortsetzung davon? Mozart machte in »Voi che sapete« auch eine kleine Verbeugung vor Paisiello indem er eine Melodie aus dem Barbiere zitiert. Ales hat funktioniert wie gewünscht und der Kaiser befahl die Aufführung der Oper von Mozart und da Ponte; nur ein paar Intrigen durch Hofschranzen und Sänger verzögerte die Uraufführung noch um ein paar Tage.

Der Erfolg und in Prag brachte Mozart und da Ponte im nächsten Jahr einen weiteren Auftrag. Die Prager Stände wollten von beiden eine Oper für ihr Theater haben. Es blieb nur wenig Zeit und deshalb nahm sich da Ponte das Libretto einer gerade in Wien erfolgreichen Oper nach einem berühmten zeitlosen Stoff zur Vorlage, Don Giovanni, o sia Il convitato di pietra von Giuseppe Gazzaniga. Der Text des einakters, der im Februar 1787 in Venedig herausgekommen war, stammte von da Pontes Erzrivalen Giovanni Bertati. Der Don Giovanni Mozarts ist nicht ganz frei von ein paar Ungereimtheiten, bzw. Füllseln, die genau daraus hervorgehen, dass es sich um einen auf zwei Akte gestreckten Einakter handelt.

Mit der dritten und letzten Arbeit der beiden, Così fan tutte, haben wir uns vor noch nicht allzu langer Zeit befasst, deshalb nehmen wir uns hier noch kurz ein Werk vor, mit dem da Ponte noch größeren und anhaltenderen Erfolg hatte, als mit den Mozart-Opern, Una cosa rara, o sia Bellezza ed Onestà. Mit Vicente Martín y Soler hat da Ponte in Wien ebenfalls drei Opern geschrieben, später, nach Mozarts Tod, in London noch einmal zwei. Mit fünf Opern ist er der Komponist, mit dem da Ponte am häufigsten gearbeitet hat. Die Musik Martín y Solers ist in mancher Hinsicht der Musik Mozarts ebenbürtig. Auf jeden Fall fehlt es ihm nicht an melodischem Erfindungsreichtum und auch die gelehrte Verarbeitung etwa mit Kanons ist erstklassig. Die Grenzüberschreitungen von der Buffa-Oper zur Seria, die Mozart im Figaro wagt (man denke an die Arie der Gräfin am Anfang des zweiten Akts, die tiefe Gefühle offenbart), sind auch bei Una cosa rara nicht fern. Und der Text von da Ponte bietet auch viele Momente der Kritik an Mächtigen, die sich gegnüber ihren Untertanen zu viel herausnehmen. Dennoch erstaunt es, wenn man sich das Werk heute anhört und ansieht, dass es in seiner ein solcher Riesenerfolg war. Die Geschichte ist im ersten Akt auserzählt, wenn schon einmal klar ist, dass die beiden Bauernmädchen den Adligen Verführern dank der Unterstützung durch die Königin widerstehen konnten. Im zweiten Akt wird das alles noch einmal durchgekaut und man wird den Verdacht nicht los, dass es einfach darum geht, am Ende eine Jagdgesellschaft mit entsprechenden von Hörnern unterstützten Chören und eine Tanzveranstaltung mit den den Bauernmädchen mit Mandolinen vorstellen zu können. In diesem Finale II soll übrigens auch der erste Opern-Walzer versteckt sein. Ich finde allerdings nur die Seguidilla, einen Fandango und einen schnellen Springtanz, aber keinen Wiener Walzer.

Dann bis morgen, bleiben Sie gesund,

Ihr Curt A. Roesler

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