1883 geboren und 1944 gestorben, ist Riccardo Zandonai ein fast exakter Zeitgenosse von Anton Webern (1883–1945); aber was für eine andere Welt: Während Webern zusammen mit Arnold Schönberg und Alban Berg für die Moderne mit Zwölfton- und Reihenkomposition steht, vertritt Zandonai ähnlich wie Richard Strauss die Fortsetzung der Romantik im 20. Jahrhundert. 1883 starb Richard Wagner in Venedig, wenige Monate, bevor Zandonai in Sacco di Rovereto (heute zu Rovereto gehörig) im Trento direkt an der Grenze zu Venetien geboren wurde. Und wie für alle nach ihm geborenen Komponisten wurde Wagner auch für Zandonai zu einer großen Herausforderung, der er allerdings weniger durch Nachahmung, als durch Abgrenzung begegnete. Die Legende von Tristan und Isolde ist in Francesca da Rimini gegenwärtig – schon Dante sieht Tristan in der Nähe des Liebespaars aus Rimini –, aber Zandonai enthält sich jegicher Anspielung, etwa durch das Zitat des »Tristanakkords«, den viele andere Komponisten wie etwa Debussy ausführlich zitieren.
Nur zwei seiner 13 Opern sind heute noch ab und zu auf den Spieplänen der großen Opernhäuser zu finden. Neben Francesca da Rimini ist das Giulietta e Romeo, wir sprachen kurz über diese Oper, als sie 2017 in Erfurt aufgeführt wurde (und an der Berliner Staatsoper die Oper nach dem gleichen Stoff von Bellini). Den ersten großen Erfolg hatte er mit Conchita, einer Oper nach dem berühmten Roman La femme et le pantin (Das Weib und der Hampelmann) von Pierre Louÿs, der auch als Grundlage für einen (nicht so besonderen) Film unter dem gleichen Titel mit Brigitte Bardot und für den großartigen letzten Film von Louis Buñuel (Cet obscur objet du désir) diente. Giacomo Puccini hatte sich lange mit dem Stoff befasst, der wie Carmen den Ausgang unter Zigarettenarbeiterinnen in Sevilla nimmt, sich aber schließlich dagegen entschieden, wodurch er für Zandonai frei wurde. Filme wurden schon ab 1920 nach dem Roman gedreht, z. B. The woman and the puppet mit Geraldine Farrar als Conchita oder The Devil is a woman (1935) mit Marlene Dietrich. Tarquinia Tarquini, die spätere Frau des Komponisten, sang Conchita 1911 in der Uraufführung. Sie war eine der ersten Sopranistinnen, die es wagten, den »Tanz der sieben Schleier« in Salome selbst zu tanzen.
Zandonai stammte aus einfachen, prekären Verhältnissen. Sein Vater war Handwerker und seine Mutter arbeitete in einer Zigarettenfabrik – genau diese Fabrik sahen sich viele Jahre später Ingrid Bergman und Roberto Rossellini an, als sie ebenfalls planten, einen Film nach La femme et e pantin zu drehen, ein Projekt, das sie aber nicht realisierten. Die musikalische Begabung Zandonais erwies sich früh, der örtliche Musikdirektor Vincenzo Gianferrari ließ bereits den 9jährigen Jungen Arrengements für die Banda schreiben, die dann auf der Piazza aufgeführt wurden, mit Zandonai an der Trompete. Er riet zum Besuch des Liceo musicale G. Rossini in Pesaro, was entfernte Verwandte möglich machten. Zandonais Kompositionslehrer wurde der damalige Direktor des Liceo, Pietro Mascagni. Die Kantate Il ritorno di Odisseo war 1900 seine Abschlussarbeit. Für den Sanzogno-Wettbewerb 1904 schrieb er den Einakter La coppa del re nach Schillers Der Taucher, die Oper wurde jedoch nicht angenommen und so kam Zandonai genauso wie mehr als 20 Jahre zuvor Puccini zu Ricordi. Sanzogno hatte sich wieder einen vielversprechenden Komponisten durch die Lappen gehen lassen. Bis heute ist die Kompetenz des Hausverlags der Scala seit Verdis Zeiten, Ricordi, unangefochten.
Den ersten großen Erfolg feierte Zandonai 1908 mit der in Turin uraufgeführten Oper Il grillo nel focolare nach der Weihnachtsgeschichte Das Heimchen am Herd von Charles Dickens. Internationale Aufmerksamkeit erlangte Zandonai nach Francesca da Rimini und Giulietta e Romeo mit I cavalieri di Ekebù nach Gösta Berlings saga von Selma Lagerlöf, 1925 unter Arturo Toscanini an der Scala uraufgeführt und 1928 zum 70. Geburtstag der Autorin vom Komponisten in einer schwedischen Fassung in Stockholm aufgeführt.
Neben vereinzelten sinfonischen Werken und Kammermusuik komponierte Zandonai auch Filmmusik, darunter 1938 Prinicipessa Tarakanova mit Anna Magnani.
1940 wurde Zandonai Direktor des inzwischen zum Conservatorio erhobenen Liceo in Pesaro, an dem er einst studiert hatte. Damit war nun wieder ein Komponist in dieser Funktion, nachdem 1902 Mascagni entlassen worden war, weil er sich mit protestierenden Studenten solidarisierte, und fortan Bürokraten das Institut leiteten. 1944 starb Zandonai überraschend nach einer Gallenoperation.
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