Dienstag, 19. Januar 2021

Die Eröffnungspremiere der Deutschen Oper Berlin

 Am 21. September 1961, wenige Wochen nach der völligen Abgrenzung West-Berlins durch den Bau einer Mauer, wurde das seit 1956 an der alten Stelle in der Bismarckstraße errichtete Opernhaus eröffnet. Der Name »Städtische Oper«, den das in die Kantsraße ausgewichene Institut seit 1945 trug (zum zweiten Mal; nach 1925–1934), wurde durch das ambitioniertere »Deutsche Oper Berlin« ersetzt. »Deutsches Opernhaus« hatte die Aktiengesellschaft, die 1912 vor den Toren Berlins, in der Industrie- und Beamtenstadt Charlottenburg, einen bürgerlichen Gegempol zur preußisch-königlichen Hofoper setzte, ihr Haus genannt. Daran knüpfte der neue Name an, der auf einen Vorschlag von Ferenc Fricsay zurückgehen soll.

Ferenc Friscay, der das Berliner Musikleben schon 1949–1952 bzw. 1954 mit seiner Doppelverpflichtung als Chefdirigent des RIAS-Symphonie-Orchesters und als Generalmusikdirektor der Städtischen Oper geprägt hatte, sollte nach Berlin zurückkehren. Seit 1958 war er wieder Chefdirigent der seit der Gründung des SFB und der Zusammenarbeit mit diesem Sender »Rundfunk-Symphonie-Orchester« geheißenen Insitution, 1961 sollte er Generalmusikdirektor des neuen Hauses in der Bismarckstraße werden, doch seine Krankheit ließ es nicht mehr zu, dass er dieser Verpflichtung nachkommen konnte. Schon im Dezember musste er sich weiteren Operationen unterziehen und trrat danach nicht mehr auf bis zu seinem frühen Tod 1963. Aber die Eröffnungspremiere konnte er noch vorbereiten und dirigieren. Die Aura von Ferenc Friscay schwebte jedoch noch einige Jahre über dem Haus. Seine Domäne waren Mozart und Verdi und die slawischen Komponisten.  

Don Giovanni hatte Ferenc Fricsay im Rahmen seines Exklusivvertrags mit der Deutschen Grammophon mit dem Radio-Symphonie-Orchester Berlin und dem RIAS-Kammerchor als dritte Mozart-Oper auf Schallplatte aufgenommen. Dietrich Fischer-Dieskau sang in dieser italienischsprachigen Aufführung die Titelpartie, Ernst Haefliger war Don Ottavio. Diese beiden waren auch für die Premiere in der Deutschen Oper Berlin vorgesehen, aber Haefliger war vehindert und so erhielt der junge amerikanische Tenor Donald Grobe die Chance. Er gehörte zu der jungen Generation von Sängern, die um 1960 nach Europa kamen und sich besonders in Berlin bald heimisch fühlten: Thomas Stewart (1957), Gladys Kuchta (1958, vorher in Flensburg und Kassel), Catherine Gayer (1960), James King (1961 wie Grobe), William Dooley (1962, vorher in Bielefeld), Barry McDaniel (1962), Vera Little (Debüt 1958, im Ensemble ab 1963), George Fortune (1965, nach Ulm und Augsburg). Erwähnt werden als junge Ensemblemitglieder dieser Jahre sollten außerdem die Spanierin Pilar Lorengar (1958, Donna Elvira in der Eröffnungsvorstellung),  die Britin Patricia Johnson (1961) und der Ungar Ivan Sardi (1961, Masetto, auch in der erwähnten Schallplattenaufnahme). Alle die ich vergessen habe, mögen mir gnädig verzeihen.  

Carl Ebert, Intendant der Städtischen Oper 1931–1933 und von 1954 bis zu deren letzter Spielzeit 1960/61, war ein Mozart-Spezialist. 1933 gründete er zusammen mit Fritz Busch das Glyndebourne Festival, das in den ersten Jahren ganz auf Mozart konzentriert war. Rudolf Bing, der spätere Direktor der Metropolitan Opera, als Künstlerischer Betiebsdirektor der Städtischen Oper ebenso wie Carl Ebert 1933 von den Nazis verjagt, war mit von der Partie. Die Aufführungen in Glyndebourne waren radikale Neuinterpretationen. Don Giovanni etwa endete nicht mehr, wie bis dahin üblich und durch die »Wiener Fassung« von 1788 wie bis dahin bekannt scheinbar legitimiert, mit dem Höllensturz, sondern mit dem lebensklugen Schlussextett. Festgehalten ist das alles auf Schallplatten, die inzwischen mehrfach auf CD umgeschnitten wurden und die man natürlich bei Spotify & Co. hören kann.

Don Giovanni wurde im Fernsehen direkt übertragen; die Aufzeichnung ist erhalten geblieben und wurde auch immer wieder zu besonderen Anlässen in den Dritten Programmen oder auf Kultursendern gezeigt. Dass wir sie in der Reihe VideOpera Anfang der 80er Jahre nicht zeigen konnten, lag daran, dass keine 16-mm-Kopie zur Verfügung stand. 2011 eröffnete die Veröffentlichung auf DVD die Jubiläumsreihe bei Arthaus Musik, über die wir in den nächsten Wochen sprechen wollen.

Ihr Curt A. Roesler


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