Montag, 16. November 2020

Neuere Videos von russischen Opern II

Über Katerina Ismailowa bzw. Lady Macbeth von Mzensk haben wir bereits gesprochen. Da finden Sie etwas im Blogbeitrag vom 2. November. Wir können den dritten Filmeregisseur in der Reihe der russischen Opernfilme, Michail Schapiro, überspringen und gleich zu Wladimir Gorikker kommen, der die Tradition der gedoubleten Filme begründete, an der Petr Weigl noch lange festhielt u. a. mit einer Lady Macbeth von Mzensk), als sie sonst kaum noch gepflegt wurde. Dabei sind keine Sängern, sondern Schaupieler zu sehen, die allerdings so gut geschult sind, dass man oft denken könnte, sie würden wirklich singen. Eugen Onegin, Pique Dame und Fürst Igor hat Gorikker zwischen 1959 und 1969 auf diese Art produziert. Bei den beiden Tschaikowsky-Opern ist das Angebot an YouTube-Videos überwältigend.

Fangen wir bei Eugen Onegin mit der aktuellsten Übertragung an. Unmittelbar vor dem erneuten Lockdown hatte diese Oper in der Wiener Staatsoper Premiere. Nicole Car (die die Partie auch an der Deutschen Oper Berlin gesungen hat) sang kurzfristig einspringend die Tatjana; die Inszenierung von Dmitri Tcherniakov spielt in einem einzigen Raum, der zum dritten Akt von ländlich-bieder auf mondän-großstädtisch umdekoriert wird. Auch das Duell findet in diesem Raum statt, vor allen Leuten, die gar nicht glauben, dass es zu einem Duell kommen könnte; die meisten lachen nur über den verrückten Lenski. Es gibt nur ein Gewehr und am Ende rangeln Lenski und Onegin darum, es löst sich ein Schuss und bis alle merken, dass Lenski wirklich tot ist, dauert es eine Weile – alles vollkommen mit der Musik kongruent. Wie sich Onegin im dritten Akt vor Tatjana auf den Boden wirft, kennen wir auch aus der Inszenierung von Götz Friedrich, aber es ist ja egal, woher die Ideen eines Regisseurs stammen, wenn sie nur auf der Bühne einen Sinn ergeben. Hier ist die Übertragung, die auch ton- und kameratechnisch (HD-Video) tadellos ist, einstweilen zu sehen. Wer weiß, wie lange, also schauen Sie bald rein. Etwas weniger gelungen ist die Tonübertragung bei dieser historischen Fernsehübertragung aus der Bayrischen Staatsoper 1962, es gibt reichlich Störgeräusche. Aber viel mehr war wohl aus dem Original nicht herauszuholen. Immerhin kann man hier eine großartige historische Aufführung sehen mit Fritz Wunderlich und Hermann Prey, dirigiert von Joseph Keilberth, inszeniert von Günter Rennert. Alles natürlich in deutscher Sprache (und ohne Untertitel). Eine ganz andere Art der Inszenierung ist aus Valencia 2011 zu sehen. Es ist eine Produktion, die auch auf DVD erschienen ist, sie ist in 2. Teilen zu sehen: 1. DVD, 2. DVD. Mariusz Trelinski inszenierte die Oper ursrpünglich für das Teatr Wielki in Warschau in der Art eines Passionsspiels mit Tod und Teufeln. Eine Figur, in der man den alten Onegin sehen mag, zieht sich pantomimisch durch das ganz Stück. Außergewöhnlich sind aber hier auch die gesanglichen Leistungen von Krisitne Opolais, Dmitry Korchak, Artur Rudcinski und Günter Groissböck uner der musikalischen Leitung von Omer Meir Welber, den Berlinern nicht unbekannt. Unzählige weitere Videos bietet YouTube an, es sind auch Studentenaufführungen dabei, was uns daran erinnert, dass Tschaikowsky sich für die Uraufführung junge, unverbrauchte Sänger wünschte. Auf weitere Links verzichte ich jetzt hier, denn ich kann mir unmöglich alle ansehen.

Pique Dame haben wir uns im letzten Frühjahr schon einmal vorgenommen, als wir noch die Hoffnung hatten, dass die Oper an der Deutschen Oper Berlin herauskommt. Als sich abzeichnete, dass das nicht der Fall sein würde, haben wiruns schon damals dem Online-Angebot zugewendet. Ich verweise daher auf den Beitrag vom März. Hier ist ein Link, direkt dahin.

Mit Fürst Igor kommen wir wieder zu einem Werk, das vom Komponisten, Alexander Borodin, unvollendet hinterlassen wurde. Auch hier sprang Rimsky-Korsakow als erster ein. Zusammen mit seinem Schüler Alexander Glasunow stellte er eine Fassung her, die 1890, drei Jahre nach dem Tod des Komponisten zur Uraufführung gelangte. Und bis heute gibt es keine Abfolge der Szenen, die man als endgültig betrachten könnte. 2013 brachte das Bolschoi-Theater eine Premiere heraus, die in ganz Europa übertragen wurde, und nun auch bei YouTube zu sehen ist. Juri Ljubimow führte Regie, der junge Komponist Pavel Karmanov arrangierte die Musik. Hier ist die Produktion zu sehen, in der Pause gibt es eine Geschichte des Bolschoi-Theaters in Französisch und ein Ballett. Dmitri Tcherniakov inszenierte 2014 eine vielbeachtete Produktion an der Metropolitan Opera, die zwar bei YouTube nicht auftaucht, aber wunderbarerweise hier noch zu sehen ist. Einige von Ihnen haben sie vielleicht im Kino gesehen. Sie ist außerdem auch in Amstardam gespielt worden. – Die Ouvertüre soll Borodin öfter am Klavier gespielt haben, aber er hat sie nicht aufgeschrieben. Die Niederschrift stammt von Glasunow (und es ist auch nichts weiter als ein Potpourri der schönste Melodien). Manche Auffürung beginnt gar nicht mit der Ouvertüre, liefert sie dann aber nach dem Prolog noch nach. Eine Mode, die zeitweise, zumindest in Deutschland, auch La forza del destino befallen hat.

Gehen wir weiter zu den Opernfilmen von Golowin und Gorikker. Der Dämon von Anton Rubinstein ist ein selten gespieltes Werk, nicht so selten allerdings wie Dubrowski von Eduard Náprawnik. Operabase kennt den Titel gar nicht und bei YouTube gibt es definitiv nur den alten Film von Golowin – und natürlich einzelne Tonaufnahmen von der Tenorarie, von der wir nicht so genau wissen, wo sie im Werk hingehört. Der Dämon ist gerade in letzter Zeit offenbar öfter aufgeführt worden. Besonders zu empfehlen ist diese »konzertante« Aufführung aus dem Tschaikowsky-Auditorium in Moskau mir Dmitri Hvorostovsky in der Titelpartie. Sie ist so konzertant, wie die von Peter Sellars aufbereiteten Aufführungen, die wir aus der Philharmonie kennen, oder vielleicht sogar noch etwas ausführlicher vorbereitet.

Nun also zu den vier Opernfilmen von Gorikker: Mozart und Salieri hatten wir uns in diesem Kurs schon einmal vorgenommen, als die Staatsoper im Schillertheater das Werk herausbrachte. Da haben wir uns allerdings keine Videos angeschaut, der Kurs fand noch in der Säulenhalle statt. Die Oper scheint sich besonders dafür zu eignen, halbszenisch aufgeführt zu werden, da hätten wir eine Version aus Tromsø in heutiger Alltagskleidung und eine aus Israel mit Perücken und bunten Fräcken. Da aber die meisten Weder russisch, noch norwegisch, noch hebräisch sprechen, hier noch eine Aufführung in russischer Sprache mit englischen Untertiteln (die man sich automatisch übersetzen lassen kann) aus Tscheliabinsk. Der Regisseur Vadim Keysh erfand hier zwei stumme Figuren hinzu und hat die Musik auch noch ein wenig ergänzt.

Iolanta, die letzte Oper von Tschaikowsky, gehört in Russland zum großen Repertoire, das ständig gespielt wird. Das Mariinski-Theater war 2009 damit in Baden-Baden zu Gast, mit Anna Netrebko in der Titelpartie (sie sang die Partie auch an der Met). Hier ist die Übertragung. Als Alternative böte sich eine Inszenierung von Peter Sellars aus Madrid an, dirigiert von Teodor Currentzis. Da wird die spätmittelalterliche Geschichte vom König René und seiner blinden Tochter, die schließich geheilt wird, ein wenig ins Heute geholt. Die Untertitel erscheinen nicht immer an der richtigen Stelle, aber man kann dennoch der Handlung ganz gut folgen.

Auch über Die Zarenbraut haben wir anlässlich einer Inszenierung in der Staatsoper im Schillertheater gesprochen. Und hier ist die Produktion vom Dmitri Tcherniakov im Zeitalter des Internets. Leider ohne Untertitel, dafür mit Erklärungen von  Daniel Barenboim in der Pause. Untertitel findet man bei dieser recht konventionellen Produktion aus Moskau (möglicherweise auch aus dem Tschaikowsky-Auditorium). Ob die Giftmischer-Story dadurch klarer wird, ist allerdings eine andere Frage. Wenn man etwas länger sucht, findet man neben vielen Übertragungen aus Russland auch noch eine aus Kaunas, der Regisseur Teet Kask versucht wie Tcherniakov, die Wahnsinns-Story aus dem 16. Jahrhundert etwas näher heranzuholen. Er zieht es als Maskenspiel auf. Der erste Teil ist hier, der zweite hier zu finden.

Beim Steinernen Gast von Dargomyshski ist die Auswahl an Alternativen zum Film von Gorikker seh bescheiden. Hier gibt es eine Aufführung des Bolschoi-Theaters, ebenfalls mit Wladimir Atlantow als Don Juan (ja, der ist da ein Tenor!).

Am Mittwoch werden wir uns dann noch einigen anderen russischen Opern zuwenden, alle haben etwas mit Puschkin zu tun. Bis bald, Curt A. Roesler

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