Im letzten Teil befassen wir uns mit historischen Tonaufnahmen des Rundfunks. Magnetische Tonaufzeichnung gab es schon seit 1900, aber das Magnet-Tonband aus Kunststoff, das dann mehr als 50 Jahre die Tonaufzeichnungstechnik beherrscht hat, wurde erst 1935 von BASF entwickelt. Damit wurde es deutlich einfacher, Konzerte im Rundfunk zeitversetzt oder auch wiederholt zu senden. Bis dahin gab es nur die Schallplatten oder Drahtaufzeichnung zur Konservierung von Konzerten und Opernaufführungen. Die Drahtaufzeichnung hatte eine deutlich schlechtere Tonqualität und die Schallplattenaufzeichnung war sehr viel komplizierter in der Handhabung.
Live-Aufzeichhungen gab es jedoch schon seit dem Beginn des Jahrhunderts. Lionel Mapleson, der Bibliothekar des Metropolitan Opera House in New York hattesic einen Phonographen gekauft, ein Walzengerät, den mit einem riesigen Trichter versehen und über dem Portal der Met angebracht. Dort zeichnete er regelmäßig kurze Ausschnitte (auf einer Walze hatte noch weniger Platz als auf einer Schallplatte, höchstens drei Minuten) auf, bis er 1904 das Gerät wieder abbaute. Vermutlioch wurde es ihm verboten, die Met ist ja auch heute sehr auf ihre Urheberrechte bedacht, d. h. es werden immer wieder einmal Löschugen von YouTube verlangt. Die Aufnahmen Maplesons sind zum Teil von sehr schlechter Tonqualität, so auch der Walkürenruf von Lilian Nordica.
Mit der Entwicklung der elektrischen Aufzeichnung Mitte der zwanziger Jahre begannen weiteten sich Aufzeichnungen von Konzerten und Opernaufführungen aus. Das Covent Garden Opera House in London etwa zeichnete die Abschiedsvorstellung von Nelie Melba 1926 auf und gab Teile davon auf Schallplatten heraus; 1928 zeichneten sie das Gastspiel Schaljapins als Boris Godunow auf – eine damals übliche Repertoirevorstellung, in der ein internionaler Gast in der Originalsprache singt, während das übrige Ensemble seine Sprache beibehält, und das ist in diesem Fall nicht etwa englisch, sondern italienisch. Tristan und Isolde von den Bayreuther Festspielen 1928 gehört nicht in diese Reihe, es ist eine Studio-Aufnahme.
So richtig los geht es also erst nach 1935. Aus dem Jahr 1936 gibt es einen Mitschnitt unter der Leitung des emigrierten Fritz Busch aus Montevideo, der zur Zeit aber nicht bei YouTube zu finden ist; interessant wäre er wegen der Besetzung, die sich vom Üblichen unterscheidet. René Maison und Germaine Hoerner singen Siegmund und Sieglinde, Marjorie Lawrence ist Brünnhilde, Fred Destal Wotan, Paula Weber Fricka und Alexander Kipnis Hunding. René Maison und Marjorie Lawrence kann man in einer Aufnahme unter Fritz Busch aus dem Teatro Colón in Buenos Aires von 1940 hören, Marjorie Lawrence außerdem in Ausschnitten einer Aufnahme aus der Met von 1937, beide Aufnahmen sind aber vom Ton her sehr gewöhnungsbedürftig. Etwas besser ist da der 3. Akt aus London von 1937 unter Furtwängler und mit Kirsten Flagstad und Rudolf Bockelmann. Eine Aufnahme, die wieder einmal zeigt, dass Furtwängler, der sich eigentlich viel Zeit lässt, den Walkürenritt in einem außerordentlich flotten Tempo nimmt. So richtig los geht es mit den Live-Aufnahmen 1941 in der Met. Erich Leinsdorf (der, wenn er den Ring auch in Bayreuth dirigiert hätte, die dortige Statistik durcheinander gebracht hätte, denn er dirigiert Wagner meist mit wirklich sehr schnellen Tempi, im Fall Tristan und Isolde für meinen Geschmack zu schnell) leitet die Aufführung mit Astrid Varnay, die ihr Debüt gibt als Sieglinde, Lauritz Melchior, den wir schon von Bruno Walter kennen, und Alexander Kipnis im ersten Akt. Friedrich Schorr ist der Göttervater, Kerstin Thorborg seine Gattin und Helen Traubel seine unbotmäßige Tochter.
Parallel dazu hatten die reinen Rundfunkproduktionen begonnen. Stuttgart – Berlin – Königsberg. Im April 1938 hatte der Reichssender Stuttgart den ersten Akt und Ausschnitte des zweiten unter dem Chefdirigenten des Rundfunkorchesters aufgenommen, Carl Leonhardt, Fritz Krauss sang den Siegmund, Maria Reining die Sieglinde und Josef von Manowarda den Hunding. Die Sänger also waren aus München, Wien und Berlin angereist. Rudolf Bockelmann und Erna Schlüter (ebenfalls aus Berlin) sangen Wotan und Brünnhilde, Helene Jung Fricka. Ein japanischer User macht auf YouTube daraus durch Kombination mit zwei anderen Aufnahmen eine Gesamtaufnahme der Walküre. Für den Beginn des zweiten Aktes nimmt er die uns schon bekannte Aufnahme mit Seidler-Winkler, für die fehlenden Teile in den Szenen 2 bis 4 und für den dritten Akt nimmt er eine Aufnahme des Reichssenders Königsberg vom Februar 1938. Dort dirigert Wilhelm Brückner, im Ensemble zwei, die zwei Jahre vorher im Deutschen Opernhaus vor Goebbels und den im Olympiajahr 1936 angereisten internationalen Gästen brillieren durften: Wilhelm Rode, der Intendant von Hitlers Gnaden als Wotan und Elisabeth Friedrich als Sieglinde. Hier das Ergebnis.
1937 trat Toscanini den für ihn geschaffenen Posten des Direktors des NBC-Orchestra eines in New York neu gegründeten Rundfunkorchesters an. Von Anfang an war auch Opernmusik im Repertoire des Orchesters, und es konnte nicht lange dauern, bis auch Wagner dazu gehörte. 1941 spielte das Orchester die zweite Hälfte des 1. Aktes der Walküre ein. Siegmund ist wieder Lauritz Melchior, Sieglinde ist Helen Traubel, die an der Met schon nicht mehr Sieglinde, sondern Brünnhilde sang. Es ist auch eine Orchesterprobe mitgeschnitten worden, die man auf YouT'ube finden kann, hier die Aufführung wie die meisten von Toscnanini erhaltenen in erstaunlicher technischer Qualität.
Viel Vergnügen beim Hören, bis bald,
Curt A. Roesler
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