Das Deutsche Opernhaus in Charlottenburg wurde als Wagner-Theater geplant und gebaut. 1912 hatte es sogar einen abnehmbaren Schalldeckel für en Orchestergraben, um Bayreuth so ähnlich wie möglich zu sein. Sobald Wagners Werke »gemeinfrei« wurden, d. h. keine Tantiemen mehr bezahlt werden mussten, ging es los mit dem Aufbau des Wagner-Repertoires. Das war am 1. Januar 1914 der Fall und an diesem tag gab es eine Parsifal-Premiere, die fast erste »legal« außerhalb von Bayreuth – Wagner hatte ja bestimmt, dass das Werk ausschießlich in Bayreuth gespielt werden sollte. Barcelona war mit der erste Aufführung etwas zuvorgekommen, dort hatte Parsifal schon kurz nach Mitternacht begonnen. Bis zum Ausbruch des Weltkriegs blieb allerdings nicht viel Zeit. Im März dirigierte der Generalmusikdirektor Ignatz Waghalter Das Rheingold, aber kurz nach Beginn der Kriegshandlungen wurde seine Stellung schwierig, als Juden und polnischen Staatsbürger wollte man ihn weghaben. Das gelang dann zwar noch nicht, er verließ Deutschland erst in den 20-er Jahren, nachdem er mitten in der Witrtschaftskrise noch ein erfolgreiches Gastspiel des Deutschen Opernhauses in den USA geleitet hatte, aber die Premiere der Walküre am 5. November dirigierte nicht er, sondern Eduard Möricke.
Brünnhilde sang in dieser Premiere Melanie Kurt, die schon Kundry im Parsifal gesungen hatte, 1910 hat sie, noch als Mitglied der Hofoper, »Siegmund, sieh auf mich«, die Todverkündigungsszene mit Jacques Urlus als Siegmund aufgenommen. Sie blieb nicht lang am Deutschen Opernhaus, startete eine internationale Karriere, Kundry sang sie auch in London und New York; 1917 nach dem Kriegseintritt der USA musste sie als Österreicherin allerdings wieder nach Europa zurück, wo sie u. a. auch am Deutschen Opernhaus als Gast auftrat und zuletzt in Berlin unterrichtete. Die übrigen Hauptinterpreten der Walküre von 1914 sind nicht auf Schallplatten vertreten; lediglich von Friedrich Plaschke, der als Gast den Wotan sang, gibt es überhaupt Wagner-Aufnahmen, den »Abendstern« aus dem Tannhäuser und den »Flieder«-Monolog aus den Meistersingern. Von Emmy Zimmermann (Sieglinde) gibt es vermutlich gar keine Schallplattenaufnahmen und Adolf Loeltgen (Siegmund) hat wohl ledigich zwei Lieder aufgenommen. Robert Blaß (Hunding) allerdings hat Schallplatten aufgenommen, jedoch habe ich nichts von Wagner gefunden, dafür mehrere Fassungen des »Rondos vom Goldenen Kalb« aus Faust von Gounod. Siegfried kam noch im Januar 1915 heraus, aber bis das Detsche Opernhaus auch die Götterdämmerung anbieten konnte, sollte es noch bis Juni 1921 dauern. Melanie Kurt war bei dieser Premiere auch dabei und vermutlich hat sie in der Walküre und im Siegfried, die seit dem Jahreswechsel 1920/21 wieder regelmäßig gespielt wurden, ebenfalls die Brünnhilden gesungen.
Die nächste Neuproduktion des Rings am jetzt Städische Oper genannten Opernhaus im Berliner Stadtteil Charlottenburg begann am 25. September 1930 mit der Walküre. Es war die Zeit der großen Konkurrenz der drei Berliner Opernhäuser (Krolloper, Staatsoper, Städtische Oper) und jeder bot auf, was er auftreiben konnte. Für die Premiere der Walküre holten sie sich als Wotan Rudolf Bockelmann aus Hamburg, der schon in Bayreuth gesungen hatte und der 1932 an die Staatsoper kommen sollte. Wir kennen ihn bereits aus der Stuttgarter Rundfunkaufnahme von 1938, aber er singt auch unter Wilhelm Furtwängler in der Walküre, die der BBC 1937 aus Covent Garden übertrug. Hier ist die vollständigste Fassung des 3. Aktes, die ich davon gefunden habe. Als Brünnhilde kam Frida Leider von der Staatsoper, der wir in der gestückelten »nearly complete« Aufnahme von 1927 begegnet sind. Frida Leider übrigens wirkte nach dem Zweiten Weltkrieg in West-Berlin; u. a. inszenierte sie an der Städtischen Oper Die Walküre. Die anderen Beteiligten der Premiere 1930 waren alle Ensemblemitglieder, die meisten von Bruno Walter und seinem Team ab 1925 engsgiert. Sieglinde war Maria Müller, von ihr gibt es Aufnahmen aus der Walküre aus Bayreuth, hier der Anfang des ersten Aktes in sehr unbefriedigender technischer Qualität von 1938, hier der Schluss ab »Winterstürme« von 1936, Siegmund ist jeweils Franz Völker, Hunding in der ersten Aufnahme Ludwig Hofmann, der zwar auch Ensemblemitglied der Städtischen Oper war, hier aber Alexander Kipnis Platz machen musste, es dirigiert Heinz Tietjen. Fricka war in der Neuproduktion Sigrid Onegin, ebenfalls ein Ensemblemitglied mit großer internationaler Ausstrahlungskraft. Von ihr gibt es viele Schallplatten, darunter die Szene der Erda aus dem Rheingold.
Während der Olympischen Sommerspiele 1936 vom 1. bis 16. August wurde am Deutschen Opernhaus ausschließlich Wagner und Ballett (Der Stralauer Fischzug und Die Gaunerstreiche der Courasche, Musik von Leo Spies und Richard Mohaupt) gespielt. Tannhäuser, Die Meistersinger von Nürnberg und Der Ring des Nibelungen waren alles Neuproduktionen von Wilhelm Rode. Natürlich sang er selbst den Wotan (wir kennen ihn aus der kombinierten Rundfunkaufnahme von Stuttgart und Königsberg. Elisabeth Friedrich, die auch in den Königsberger Ausschnitten zu hören ist, war Sieglinde. Brünnhilde war Elsa Larcén, die Als Kundry im 3. Akt Parsifal aus dem Deutschen Opernhaus 1942 unter Knappertsbusch zu hören ist, Hunding war Wilhelm Schirp, der eher eine Karriere als Buffo hatte; er singt den Beckmesser in einer Aufnahme des 2. Akts Die Meistersinger von Nürnberg des Berliner Rundfunks von 1942. Alles in allem ein ziemlicher Niedergang seit 1930, die einzige »Entdeckung« des Intendanten Wilhelm Rode war der amerikanische Tenor Eyvind Laholm, der den Siegmund sang. Rode führte ihn als Ensemblemitglied, er blieb aber bis 1938 auch in Frankfurt/M. und verschwand 1939 nach New York, wo er am 16. Dezember den Tannhäuser singt, eine Aufführung, die sich dank Rundfunkübertragung erhalten hat.
Bis 1942 wird der Ring noch gespielt von da an bis zur Schließung der Theater 1944 steht kaum noch Wagner auf dem Spielplan. 1948 dann ein behelfsmäßger Neuanfang mit der Walküre, wie erwähnt, von Frida Leider inszeniert. Brünnhilde, Sieglinde und Wotan kommen als Gäste, Glanka Zwingenberg, schon schwer krank, aus Manheim, Hilde Scheppan aus Bayreuth, wohin sie nach dem Krieg gezogen war und Josef Herrmann aus Dresden. Nur Günther Treptow (Siegmund) und Hans Hofmann (Hunding) waren aus dem Ensemble. Es dirigierte Robert Heger. Josef Herrmann, der bis in die 50er Jahre häufig am Städtischen opernhaus gastierte, kann man mit Wotans Abschied aus Dresden (Staatskapelle, Karl Elmendorff, 1944) hier hören.
1950 begann der neue Intendant Heinz Tietjen eine Neuinszenierung des Rings. Das Rheingold dirgierte noch Artur Rother, Die Walküre aber Ferenc Fricsay. Diese Premiere wurde vom Rundfunk mitgeschnitten und ist auf CD erschienen, bei Deezer ist sie enthalten, bei Spotify aber nicht. Und auch bei YouTube finde ich sie nicht. Die Besetzung ist nun wieder top. Glanka Zwingenberg war inzwischen an ihrer Krankheit gestorben, Paula Buchner sang nun die Brünnhilde, Maria Müller war immer noch Sieglinde, Ludwig Suthaus den wir aus den Studio-Aufnahmen von Furtwängler kennen den Siegmund. Josef Herrmann war immer noch Wotan, Margarete Klose, die sich trotz weiterer Auftritte an der Staatsoper, nach der Gründung der DDR mehr nach dem Westen orientierte, sang Fricka und Josef Greindl, von 1948 bis 1970 Ensemblemitglied der Stästischen Oper bzw. der Deutschen Oper Berlin, war Hunding.
Erst 1967 produzierte der Intendant Gustav Rudolf Sellner mit dem neuen Generalmusikdirektor Lorin Maazel eine Neuinszenierung des Ring des Nibelungen. Bühnenbild und Kostüme von dem Bildhauer Fritz Wotruba waren im typischen Stil der 60er Jahre, die letzte Aufführung der Götterdämmerung erfolgte 1980. In der Premiere am 26. September 1967 sangen Gladys Kuchta, Hildegard Hillebrecht, Patricia Johnson, James King, Thomas Stewart und Martti Talvela. Eine Besetzung, wie sie ähnlich in Wien, Salzburg, Bayreuth oder New York auf dem Zettel stehen konnten. Lorin Maazel hat sich später noch mit The 'Ring' without words einen Namen gemacht. Eine Gesamtaufnahme von der Walküre unter seiner Leitung gibt es nicht.
Auch von Jesús López Cobos gibt es nur wenige Schallplatten und andere Tondokumente, was sehr schade ist, weil er 1984/85 und noch bis zu seinem Wegzug aus Berlin eine ganz außerordentlich durchsichtige und nicht auftrumpfende Interpretation des Rings dirigierte. Die Sensation in der Besetzug war 1984 Simon Estes als Wotan. Manch einer glaubte, das wäre doch nicht möglich, dass eine Person of Color den Lichtalben verkörpern könne. Es war aber möglich und er hat die Partie später auch in Bayreuth gesungen. Mit seinem amerikanischen Pass konnte er ohne Probleme in den damaligen Ostteil der Stadt reisen und dort auch künstlerisch tätig sein. Parallel zu den Vorbereitungen zum Ring in der Detschen Oper Berlin nahm er mit der Staatskapelle unter Heinz Fricke Ausschnitte aus der Walküre für die Schallplatte auf mit damals neuer digitaler Aufnahmetechnik. Hier ist Wotans Abschied zu hören.
Nun stehen wir vor einer Neuproduktion des Rings an der Deutschen Oper Berlin. Der Vorverkauf für die Walküre beginnt am 14. September, 12.00 Uhr.
Bis heute Abend,
Curt A. Roesler
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