Sonntag, 15. September 2019

Otto Nicolai

Einige Komponisten werden im englischen Sprachgebrauch als »one-work-composers« bezeichnet. Sie haben alle natürlich weit mehr als ein Werk geschrieben, aber nur eines ist im Gedächtnis geblieben. Oft ist es ein relativ frühes Werk, wie bei Pietro Mascagni, der Cavalleria rusticana mit 26 Jahren schrieb und mit 14 weiteren Opern und einer Operette, die er in den folgenden 45 Jahren herausbrachte, nie wirklich an diesen ersten Erfolg anknüpfen konnte. Bei Georges Bizet (Carmen) und Otto Nicolai (Die lustigen Weiber von Windsor) aber ist es jeweils das letzte Werk, dessen Triumph die Komponisten nicht einmal mehr wirklich genießen konnten, das man bis heute sofort mit dem Namen verbindet.
Otto Nicolai wurde am 9. Juni 1810 in Königsberg geboren und durchlebte eine freudlose Jugend, bis er 1826 dem Elternhaus entfloh. In Stargard fand er einen väterlichen Freund, der ihn nach Berlin schickte, wo er in den Bannkreis von Carl Friedrich Zelter geriet und bis 1830 an der Kirchenmusikschule studierte. 1831 sang er in einer der berühmten Aufführungen der Matthäuspassion in der Singakademie den Jesus. 1833 ergriff er die Gelegenheit, als Organist an die Preußische Gesandtschaftskapelle in Rom zu gehen. Hatte er in Berlin vor allem die Kompositionen Bachs und Mozarts studiert, wie das Tedeum und die Messe in D-Dur von 1832 belegen, kam er hier Palestrina und den anderen Kontrapunktikern der Renaissance nahe. 1836 gab er seine Stellung in Rom auf und reiste durch Oberitalien, wo er mit Opernkomponisten wie Donizetti und Mercadante Kontakt aufnahm. In Wien hatte er 1837 für ein Jahr eine Anstellung als Kapellmeister am »Theater am Kärntnerthor«. Aus seiner ersten Oper La figlia abbandonata wurde im gleichen Jahr lediglich ein Quintett konzertant in Mailand aufgeführt. Die zweite Oper Rosmonda d'Inghilterra nach einem Libretto von Felice Romani, das schon von Carlo Coccia und Caetano Donizetti vertont worden war, kam 1839 in Triest unter anderem Titel (Enrico II) zur Aufführung. Damit begann eine zweijährige  sehr erfolgreiche Karriere als Komponist italienischer Opern. Auch Il templario nach Sir Walter Scotts Roman Ivanhoe kam erst nach Umarbeitungen (aus dem heiteren wurde ein tragischer Schluss) in Turin zur Uraufführung, wurde dann aber zu einem beachtlicher Erfolg, der die Opern mit Musik von Rossini (Ivanhoé, 1826) und Heinrich Marschner (Der Templer und die Jüdin, 1829) weit in den Schatten stellte. Nach einer weiteren Oper für Genua ereignete sich dann die komplizierte Geschichte 1840 in Mailand, die jeder kennt, der sich einmal genauer mit der Entstehung von Giuseppe Verdis Nabucco befasst hat. Das Libretto Il proscritto hatte Gaetano Rossi im Auftrag des Impresarios Domenico Morelli für Giuseppe Verdi verfasst, der nach dem Misserfolg seiner ersten komischen Oper und Anstalten, das Libretto zu vertonen, also gab es Morelli an Nicolai weiter, doch dem gefiel es nicht. Also ließ Morelli für Nicolai etwas ganz anderes schreiben, Nabuchodonosor. Das lehnte dieser aber wegen seiner »Blutrünstigkeit« noch viel entschiedener ab und nahm doch lieber Il proscritto in Angriff. Und so kam Verdi zu seinem Nabucco (dies der nach wie vor inoffizielle Titel). Il proscritto war im März 1841 nur ein mäßiger Erfolg, während Nabucco ein Jahr später den Ruhm Verdis begründete.
1841–1847 war Nicolai Kapellmeister an der Hofoper in Wien. 1842 gründete er die »Philharmonischen Konzerte« und gilt damit als Gründer der Wiener Philharmoniker. Zusammen mit Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann gehört er zu den ersten Dirigenten, die vor allem mit Werken anderer Komponisten aus der Gegenwart und Vergangenheit brillierten. Nicolai galt als ein hervorragender Interpret der Sinfonien von Beethoven.
Sowohl Il templario als auch Il proscritto bearbeitete Nicolai in seiner Wiener Zeit für die deutsche Bühne. Und als er mit zwei Kompositionen für Friedrich Wilhelm IV. wieder Beziehungen nach Berlin knüpfte, machte er zur Bedingung, dass er sein Amt als Hofkapellmeister mit Die Heimkehr des Verbannten antreten könne. Dafür bearbeitete er das Werk erneut, so dass es nur noch etwa ein Viertel der Musik aus der Mailänder Fassung enthielt. Zu der Aufführung kam es allerdings erst posthum, zuerst wurde wegen der Märzrevolution 1848 alles verschoben und dann wurden Die lustigen Weiber von Windsor vorgezogen, die Nicolai dem König in Potsdam vorgespielt hatte. Wenige Wochen nach der Uraufführung starb Otto Nicolai am 11. Juni 1849 in Berlin.

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