Mittwoch, 4. September 2019

La forza del destino

In keiner anderen Oper von Giuseppe Verdi ist die Struktur des ersten Aktes so grundsätzlich anders als der Rest. Vergleichbar noch dem Prolog in Simon Boccanegra folgt die einzige Kammerszene in La forza del destino schon in der ersten Fassung einer dialogischen Art von Realismus, wie er später nur noch episodenhaft eingestreut ist zwischen großen Tableaus. In Simon Boccanegra wird das allerdings erst in der endgültigen Fassung von 1881 so deutlich. Und in Simon Boccanegra liegen zwischen Prolog und 1. Akt 20 Jahre, danach folgt die Kernhandlung ohne größere zeitliche »Lücken«. In La forza del destino hingegen sind zwischen allen vier Akten große zeitliche Sprünge. Viel mehr als jedes frühere Werk – mit Ausnahme natürlich der Vêpres siciliennes (1855) – ist dieses von der französischen Form der »grand opéra« beeinflusst und es ist kein Wunder, dass Verdi ursprünglich plante, es bei der Weltausstellung 1867 in Paris vorzustellen, bevor der Vertrag über Don Carlos zustande kam.
Hier die musikalische Struktur von La forza del destino (Fassung von 1869 mit Anmerkungen zu den Unterschieden in der St. Petersburger Fassung von 1862):

1. Akt


  • (Nr. 1) Sinfonia (1869 wesentlich erweitert von ca. 3 auf ca. 8 Minuten.)
  • Nr. 2 Introduzione – Scena: Leonora und ihr Vater wünschen sich in ihrem heruntergekommen Palast in Sevilla eine Gute Nacht, danach  die schlichte Arie der Leonora auf einen Text aus dem unvertonten Libretto zu Re Lear.
  • Nr. 3 Scena e Duetto: Alvaro will Leonora für die gemeinsame Flucht abholen, doch alles verzögert sich
  • (Nr. 3a) Scena – Finale I: Der Vater überrascht die beiden, Alvaro will sich ergeben, wirft die Pistole von sich, aus der sich ein Schuss löst, der den Vater tötet, der im Sterben beide verflucht.

2. Akt

  • Nr. 4 Coro Ballabile: Volk In einer Schenke in Hornachuelos.
  • (Nr 4a) Scena: Leonora (als Mann verkleidet) und ihr Bruder Don Carlo (als Student verkleidet) begegnen sich  hne sich zu erkennen.
  • (Nr. 4b) Recitativo e canzone: Preziosilla wirbt Soldaten an für den Kampf gegen die Deutschen (die Habsburger) in Italien.
  • (Nr. 4c) Preghiera: Pilger ziehen vorbei, Leonora schließt sich ihnen an.
  • (Nr. 4d) Scena: Don Carlo (als Student verkleidet) fragt Trabuco über den Pilger (Leonora) aus, doch der weiß nichts.
  • (Nr 4e) Scena e ballata: Don Carlo gibt sich als Student aus, der für einen Freund unterwegs ist, dessen Schwester die Familienehre besudelt hat.
  • (Nr. 4f) Scena, Coro e ripresa della danza: Preziosilla glaubt ihm gar nichts, aber es ist jetzt spät, alle gehen zu Bett

  • Nr. 5 Aria: Dreiteilige Arie der Leonora, die in der Einsiedelei Zuflucht sucht.
  • Nr. 6 Scena: Melitone kommt aus dem Kloster und versucht Leonora abzuweisen, holt aber schließlich doch den Prior Guardiano
  • (Nr. 6a): Scena e Duetto: Leonora gibt sich als Frau zu erkennen, Guardiano lässt sich darauf ein, sie in die Einsiedelei einziehen zu lassen.
  • Nr. 7 Finale secondo: Einsegnung der Leonora

3. Akt

  • Nr. 8 Scena e romanza: Tiefe Nacht bei Velletri, Spielende in einer Kneipe. Don Alvaro hat sich auch anwerben lassen und beklagt hier sein Schicksal. Leonora hält er für tot.
  • Nr. 9 Scena e duettino: Alvaro rettet einen Unbekannten, der in der Nähe in einen Hinterhalt geraten ist, es ist Don Carlo, ohne sich zu erkennen schwören sie sich ewige Treue.
  • (Nr. 9a) Scena e battaglia: Beide stürzen sich in die Schlacht, Alvaro wir schwer verletzt.
  • (Nr. 9b) Scena e duettino: Aus der Ohnmacht aufgewacht übergibt Alvaro Don Carlo seine Briefe, sie versichern sich noch einmal ihrer Freundschaft, doch das Versprechen, ihn zum Calatrava zu machen, lässt Alvaro erschauern. Jetzt kümmert sich der Chirurg um ihn.
  • Nr. 10 Scena ed Aria: Don Carlo untersucht die Briefe, findet ein Porträt Leonoras und schwört jetzt Rache.
  • Nr. 11 Ronda: Im Militärcamp in Velletri machen patrouilliert eine Wachmannschaft. (Diese Nummer ist erst 1869 hinzugekommen als Übergang zum Duett, das 1862 erst nach der Wahrsagerei, dem Trabuco-Lied und dem Rataplan stand).
  • Nr. 12 Scena e Duetto: Alvaro ist gerettet, aber so leicht lässt er sich nicht zum Duell hinreißen, erst als er von Don Carlo erfährt, dass Leonora noch am Leben ist, ist er bereit zu kämpfen. Im letzten Augenblick werden die Kämpfenden getrennt. (1862 kämpfen sie wirklich, Alvaro glaubt, er habe Don Carlo umgebracht und singt eine weitere Arie, die den Akt beschließt.)
  • Nr. 13 Coro e strofe: Am Abend geht das Lagerleben los mit einer Wahrsagerei-Runde von Preziosilla.
  • (Nr 13a) Scena ed Arietta: Trabuco macht seine Geschäfte
  • (Nr 13b) Coro: Genreszene mit bettelnden Bauern und Marketenderinnen inklusive Preziosilla.
  • (Nr. 13c) Coro –Tarantella: Man muss den Wahnsinn des Krieges durch Ausgelassenheit kompensieren.
  • (Nr. 13d) Predica: Melitone hält den Soldaten und Marketenderinnen die »Kapuzinerpredigt« (von Verdi aus Wallensteins Lager entlehnt).
  • (Nr. 13f) Rataplan: Preziosilla singt die beliebte Soldatenmelodie – wenn man überhaupt von »Melodie« sprechen will. (Erst in der Fassung von 1869 steht diese Nummer als effektvollen Finale am Ende des 3. Aktes.)

4. Akt

  • Nr. 14 Coro ed Aria buffa: Melitone, wieder in Hornschuelos, teilt Suppe an die Armen aus und predigt übel gelaunt weiter. Die Bettelnden verlangen nach »Padre Raffaele« – Don Alvaro, der auch in diesem Kloster gelandet ist.
  • Nr. 15 Scena e Duetto: Guardiano ruft Melitone zur Ordnung.
  • Nr. 16 Scena – Scena e Duetto: Don Carlo hat Alvaro aufgetrieben und fordert ihn erneut zum Duell. Erst als er ihn als ehrlos beleidigt, ist er bereit zum Kampf. Sie eilen davon.
  • Nr. 17 Melodia: Leonora fleht in ihrer einsamen Klause um Frieden.
  • Nr. 18 Scena e terzetto finale: Die kämpfenden Alvaro und Don Carlo kommen in die Nähe. Alvaro verwundet Don Carlo tödlich und kommt zur Klause, um einen Priester für die letzte Ölung zu holen. Sie will nicht heraus und zieht die Glocke. Alvaro und Leonora erkennen sich. Als er ihr sagt, dass es sich bei dem Sterbenden um ihren Bruder handelt, geht sie doch zu ihm, doch der ersticht sie. Sie kommt tödlich verwundet zurück und stirbt in den Armen Alvaro, während Guardiano mahnt, nicht Gott zu lästern. (In der Fassung von 1862 folgt auf die Erkennung Alvaro und Leonoras noch ein kurzes Duett, Don Carlo kommt auf die Bühne und ersticht Leonora als sie ihm in die Arme eilt. Don Alvaro erklimmt einen Felsen und stürzt sich fluchen in den Tod.)


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