Montag, 15. April 2019

Die Hölle in der Oper

Schon das szenische Oratorium, das neun Monate vor der ersten erhaltenen Oper uraufgeführt wurde, enthielt eine Bühnendarstellung der Hölle. 1600 glaubten auch gewiss alle Zuschauer an die Existenz des Teufels. Rom, der Uraufführungsort der Rappresentatione die anima e di corpo war ein Gottesstaat mit dem »Stellvertreter Gottes« an der Spitze. Ein Gottesstaat, in dem Frauen keine Rechte hatten, insbesondere nicht das Recht als Sängerinnen aufzutreten. Musikalisch behalf man sich bis ins 16. Jahrhundert damit, dass die hohen Stimmen von Knaben oder Falsettisten, vorwiegend spanischer Provenienz, gesungen wurden. Im 16. Jahrhundert nahmen nach und nach Kastraten die Stelle der Falsettisten ein. So auch in dieser »Kirchenoper« von Emilio de Cavalieri, über deren Aufführung im »heiligen Jahr« es widersprüchliche Berichte gibt. »Oratorium« wurde sie genannt, weil sie in einem Oratorio (eine Bethaus) aufgeführt wurde. Die Aufführung war aber vermutlich szenisch, denn es ist erstens von einer Dreiteilung der Bühne (Himmel, Erde und Hölle auf drei Ebenen) und zweitens von prächtigen Kostümen die Rede.
Aber Euridice von Jacopo Peri, 1600 in Florenz im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeiten von Heinrich IV. und Maria Medici aufgeführt, führt die Zuschauer auch in die Hölle. Der Oberteufel dort heißt Plutone und singt Bass. Und im Grunde geht es um das Gleiche, die Überwindung des Bösen durch das Gute. Einmal im christlich-biblischen, einmal im antik-mythischen Gewand. Es bleibt ein Grundthema für die Oper bis heute, wenngleich explizite Auftritte des Teufels die Ausnahme bleiben. Figuren wie Pizarro, Kaspar, Jago und Scarpia vertreten das Böse in der Regel in Menschengestalt. Einige auffällige Ausnahmen bestätigen die Regel. Die meisten Teufel auf der Opernbühne hören auf den Namen Mephistopheles. Das ist nicht nur, aber auch Goethe zu verdanken, der der »Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft« in seinem Faust ein ewiges Denkmal gesetzt hat. Die erste als »romantisch« zu bezeichnende Oper, Faust von Louis Spohr (1816), hat nichts mit Goethe zu tun (»Der Tragödie erster Teil« war zwar schon 1808 im Druck erschienen, aber das Stück wurde erst 1829 uraufgeführt), sondern basiert auf dem Roman von Maximilan Klinger (1752–1831) von 1791. Das Drama Sturm und Drang (1776) von Klinger gab einer ganze Epoche den Namen. Weitere »Faust«-Opern mit und ohne Bezug auf Goethe stammen von Hector Berlioz (1829/1846), Charles Gounod (1859/1869), Arrigo Boito (1868), Ferruccio Busoni (1925), Alfred Schnittke (1995).
Sind diese Opern alle dem tragischen Genre zuzuordnen, so kommt der Teufel doch durchaus und gerade auch in Komödien vor. Eine haben wir von nicht allzu langer Zeit hier behandelt, Der Jahrmarkt von Sorotschinzi von Modest Mussorgski. Außer der slawischen Variante des meist dummen Teufels, auf die wir gleich kommen werden, gibt es auch eine französische, die meist auf den Roman Le diable boïteux (Der hinkende Teufel, 1707) von Alain-René Lesage zurückgehen.
Die beiden berühmtesten böhmischen Komponisten des 19. Jahrhunderts haben je eine Oper geschrieben, die den (oder sogar mehrere) Teufel zu einer Hauptfigur machen. Bedřich Smetana schrieb 1882 Die Teufelswand (Čertova stěna) und Antonín Dvořák 1899  Die Teufelskäthe (das ist die alte Übersetzung für Čert a Káča, was eigentlich Der Teufel und das Käthchen heißt). Die Vorlage für Dvořáks Oper ist das Märchen Käthe und der Teufel aus der Sammlung von Božena Němcová, das hier in einer Fassung von Josef Wenzig nachzulesen ist.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.