Mittwoch, 10. April 2019

Die Verlobung im Kloster

Im Februar 1775 kam Le Barbier de Séville von Pierre Caron de Beaumarchais nach einige Verzögerungen endlich an der Comédie française zur Uraufführung. Aus dem anfänglichen Misserfolg erwuchs nach einer leichte Umarbeitung eine Theatersensation. Im Juni kam die erste Druckausgabe in Paris heraus. Man kann annehmen, dass der Anwalt und Literat Richard Brinsley Sheridan davon Kenntnis nahm, ehe er letzte Hand an The Duenna legte. Der gemeinsame Schauplatz Sevilla störte ihn ebensowenig wie die fast identische Eröffnungsszene. Auch The Duenna beginnt nach einem kurzen Dialog auf der Straße mit einem Ständchen des Liebhabers unter dem Fenster der Angebeteten. Sergej Prokofiew nahm aber vermutlich Anstoß an dieser Parallele. Jedenfalls gestaltete er die Exposition der Komödie so um, dass zuerst der Vater und der reiche Brautanwärter auf der Straße erscheinen und ihren Geschäften nachgehen. Und erst nachdem auch der liebeskranke Bruder der Braut eingeführt wurde, kann endlich der Liebhaber mit seinem Gefolge auftreten. Aus dem Ständchen erwächst dann ein Maskentanz, der auch schon den ersten Akt beschließt. Wie die erfolgreiche Version des Barbier de Séville umfasst Die Verlobung im Kloster vier Akte, die in eine unterschiedliche Anzahl von Bildern unterteilt sind, neun insgesamt. Dabei besteht der erste Akt aus einem einzigen Bild, der zweite und dritte aus je drei, der letzte aus zwei Bildern. Bei Sheridan hingegen verteilen sich 16 Bilder (12 unterschiedliche Schauplätze) etwa gleichmäßig auf drei Akte (5–4–7).
1918 war Prokofjew vor dem Bürgerkrieg in Russland über Wladiwostok und Japan in die USA geflohen, wo 1921 seine Oper Die Liebe zu den drei Orangen in französischer Sprache zur Uraufführung kam. Ab 1926 bemüht er sich um eine Rückkehr nach Russland. Der erste Aufenthalt in Moskau 1927 dauert allerdings nur zwei Monate. Erst bei mehreren Reisen in die Sowjetunion 1932 beginnt er über eine Rückkehr nachzudenken und wird vom Komponistenverband offiziell dazu eingeladen. Bis 1938 pendelt er regelmäßig zwischen West und Ost. Ab Sommer 1939 – Verhaftung des Regisseurs Wsewolod Meyerhold, der im Januar 1940 zum Tod verurteilt wird – wird ihm klar, dass er zu Lebzeiten Stalins nicht mehr wird ausreisen können. Und Stalin überlebt Prokofjew nicht, beide sterben am selben Tag. 1939 lernt er Mira Mendelson kennen und trennt sich von seiner Familie. Die erste künstlerische Zusammenarbeit mit ihr ist ein Lied, Nr. 5 der sieben Lieder op. 79, das auf einem Gedicht Mendelsons beruht. Die erfolgreiche Aufführung der Lästerschule in Moskau hatte ein neues Interesse an Sheridan gebracht und die Studentin der englischen Literatur Mira Mendelson bekam eine Anfrage, bei der Übersetzung eines anderen Stücks, The Duenna, behilflich zu sein. So kamen Mira Mendelson und Sergej Prokofjew auf den Stoff für eine neue Oper, die sie nun zusammen erarbeiteten. Als Titel wählten sie Die Verlobung im Kloster. Eigentlich ist es ja eine Heirat im Kloster, denn wenn sich sein Sohn und seine Tochter im Kloster nur verlobt hätten, dann würde ja Don Jerome durchaus noch Wege und Mittel finden können, die Sache rückgängig zu machen. Die Situation im Stift ist eindeutig, die Mönche segnen die beiden Paare für viel Geld.

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