Mittwoch, 17. April 2019

Dvořáks erste Märchenoper

Rusalka ist die bekannteste Oper von Antonín Dvořák. Es ist jetzt schon wieder eine ganze Weile her, dass sie in der Komischen Oper gespielt wurde. Vor acht Jahren haben wir uns in diesem Kurs deshalb zum letzten Mal mit Dvořák befasst. Eine andere seiner zehn oder elf Opern wurde seit Menschengedenken in Berlin nicht aufgeführt. Elf Opern sind es dann, wenn Die heilige Ludmilla mitgezählt wird, eine »geistliche Oper«, die 1886 in Leeds als Oratorium uraufgeführt wurde, und für die Dvořák 1901 eine Bühnenfassung erstellte. Komponiert worden war Svatá Ludmila jedenfalls als Antwort auf eine Oper von Dvořáks großem Konkurrenten Smetana, Libuše.
Die Teufelskäthe – unter diesem früher üblichen deutschen Titel – wurde ebenfalls an der Komischen Oper in den 50er Jahren aufgeführt. Der englische Titel Kate and the Devil kommt dem Original etwas näher, wenn auch die beiden Titelfiguren in umgekehrter Reihenfolge genannt werden, so wie es jetzt auch in Dessau gemacht wird, wo die Oper Katja und der Teufel heißt. Die Hauptfigur ist ohnehin der Schäfer Jirka, deswegen war der ursprüngliche Titel des Librettos von Adolf Wenig auch Ovčák (Der Schäfer).
Nach seiner Rückkehr aus Amerika wandte sich Dvořák verstärkt der Oper zu. Zuerst überarbeitete er die erfolgreiche historische Oper Der Jakobiner von 1889, weil er selbst damit nicht zufrieden war. Parallel näherte er sich dem tschechischen Märchenkreis mit insgesamt vier sinfonischen Dichtungen, Der Wassermann op. 107, Die Mittagshexe op. 108, Das goldene Spinnrad op. 110 und Die Waldtaube op. 111. Die Stoffe entnahm er einer Balladensammlung des Historikers und Schriftstellers Karel Jaromir Erben, dem neben Božena Němcová wichtigsten Sammler tschechischer Märchen.
Adolf Wenig hatte sein Libretto bei einem Wettbewerb des tschechischen Nationaltheaters eingereicht und den 1. Preis gewonnen. Zwei andere Libretti gab er an den heute weitgehend unbekannten Komponisten Antonín Vojtěch Horák ab, Na večer Bílé soboty (Am Abend des Weißen SamstagsÜbersetzung von google), uraufgeführt am 21. September 1898, als Dvořáks Komposition schon weit fortgeschritten war, und Babička (Die Großmutter, ebenfalls nach Božena Němcová), 1900. Für Čert a Káča griff Wenig außer auf das Märchen von Němcová auch auf eine Dramatisierung des Märchens von Josef Kajetan Tyl (Verfasser der tschechischen Nationalhymne und Namensgeber des Tyl-Theaters; so wurde das Ständetheater in Prag von 1948 bis 1990 genannt) von 1854, und eine Ballade aus der Sammlung von Ladislav Quis von 1883 zurück.
In nur neun Monaten schrieb Dvořák seine Märchenoper Čert a Káča, die am 23. November 1899 im tschechischen Nationaltheater uraufgeführt wurde. Er selbst vermisste in dem Text ein wenig das »Lyrische«, womit aber keineswegs nur der dichterische Ausdruck gemeint war, sondern die für Opern nun einmal fast unabdingbare Liebeshandlung. Niemand heiratet nämlich am Ende dieser Oper, Jirka wird Minister und Káča bekommt ein schönes Haus, bleibt aber vorerst alte Jungfer, kann höchstens darauf hoffen, dass sie nun bald einen Bräutigam bekommt. In Rusalka ist das dann anders.
Das Prosaische allerdings gräbt sich in den Kompositionsstil, der nie so nah an Janáček ist wie hier. Und sogar – anders als die etwa gleichzeitig, aber sehr viel langsamer entstandene Její pastorkyňa (Jenůfa) – keine ausgesprochenen Arien enthält.
1. Akt, ein Dorfgasthaus: Anders als im Märchen, wo der Schäfer erst ins Spiel kommt, nachdem der namenlose dumme Teufel (er heißt Marbuel bei Dvořák), mit Káča auf die Erde zurückgekommen ist, ist Jirka in der Oper von Anfang an die Hauptperson. Er muss die fröhliche Runde verlassen, weil der böse Verwalter ihn sogar am Sonntag zur Fronarbeit zwingt. Musikanten begleiten ihn mit Tanzmusik hinaus zum Schloss und treffen auf Káča, die wie gewohnt mit ihrer Mutter zum Tanz kommt. Das Problem ist allerdings, dass keiner mit ihr tanzen will, denn sie hat »ein Maul zum Grausen«, wie Jirka sagt, der von den Kameraden damit aufgezogen wird, dass sie »ihm gewogen« sei. Káča bleibt also allein, und sie würde so gern tanzen! Sie würde heute sogar mit dem Teufel tanzen. Sogleich ist Marbuel in Gestalt eines Jägerburschen zur Stelle. Pro forma fragt er die Leute über die Fürstin und den Verwalter aus. Die sagen ihm ganz Schreckliches über die Ungerechtigkeiten im Land. Das Anbandeln mit Káča ist nicht allzu schwer. Sie tanzt gern mit dem Herrn, den niemand kennt. Die anderen sind ihr zu blöd, sagt sie. Marbuel wirbelt sie ganz schön herum und dennoch möchte sie in Ewigkeit mit ihm Weitertanzen. Kann sie haben. Marbuel schildert ihr sein rotes Schloss, wo es immer warm ist, in den schönsten Tönen. Sie Solls sich es überlegen. Da kommt Jirka zurück. Er ist vom Verwalter »zum Teufel« gejagt worden, weil ihm nicht passte, dass er sich von Musikanten zur Arbeit geleiten ließ. Die Empörung unter den Burschen und Mädchen, den Nachbarinnen und Nachbarn und Musikanten ist groß. Ein gemeines Lachen in dem Moment wo Jirka in seiner Erzählung den Teufel erwähnt, macht auf Marbuel aufmerksam, der aber noch immer nicht erkannt wird. Erst als Káča sich endlich entschieden hat, stampft er auf und versinkt mit ihr höllenwärts. Jirka tröstet die jammernde Mutter. Der Verwalter hat ihn ja »zum Teufel« gejagt, also steigt er in die Hölle hinunter, um Káča zurückzuholen.
2. Akt, Die Hölle: Kartenspielen und Saufen auch in der Hölle. Man feiert das Gold, das zuverlässig Zwietracht streut. Der Oberteufel Luzifer fragt nach Marbuel, da kommt er auch schon mit der keifenden Káča auf dem Rücken. Es klopft ein zweites Mal an der Pforte, Jirka kommt. Doch Káča will nicht mit ihm zurück auf die Erde. Nur Marbuel darf das. Mit Gold und dem Versprechen, dass Marbuel das tun wird, lässt sie sich dazu bewegen, ihn loszulassen. Marbuel berichtet von der Fürstin und vom Verwalter. Die Fürstin ist fällig, der Verwalter bekommt noch eine Frist. Das Problem bleibt Káča. Wie sie loswerden? Jirka muss es machen. Wie er merkt, dass jetzt die Teufel ein Interesse daran haben und er das nicht nur für die Mutter macht, verlangt er Gold. Aber Marbuel verrät ihm, dass das Gold außerhalb der Hölle sofort zu Stroh verfällt. Dafür bietet er ihm einen Handel an: Er soll sich an einem bestimmten Tag beim Verwalter einfinden, und wenn er, Marbuel, kommt um ihn zu holen, soll er sich ihm in den Weg stellen und ihn verjagen. Dafür werde sich der Verwalter sicher erkenntlich zeigen. Jirka geht darauf ein und wirbelt Káča im Tanz so, dass sie mit ihm zur Pforte hinausfliegt. Die Hölle feiert die Befreiung von Káča.
3. Akt, Eine Halle im Schloss der Fürstin: Eine Polonaise und ein Arie der Fürstin, die sich ihrer Missetaten bewusst ist und darauf wartet, dass sie der Teufel holt, stehen am Anfang. Doch es gibt Hoffnung, der Schäfer hat ja den Verwalter gerettet, also wird er auch sie retten. Doch der hat Bedingungen. Sie muss die Fronarbeit und die Leibeigenschaft abschaffen. Wenn sie das tut, wird er sie retten, und koste es sein eigenes Leben. Um Marbuel zu überlisten, hat er Káča mitgebracht. Die wird jetzt in einem Nebenraum versteckt. Nun muss man nur noch auf den Teufel warten. Und wirklich, alsbald klopft es. Jirka fordert Marbuel sogleich auf, zu fliehen. Der versucht ihm zu drohen, aber Jirka braucht nur den Namen Káčas zu erwähnen, da ist er schon auf der Flucht. Zum Lohn wird Jirka Erster Rat am Hof. Und Káča, die ihm geholfen hat, erhält Geld und ein schönes Häuschen. Den eunsch nach einem Bräutigam unterdrückt sie, denn der wird ja nun schon kommen, wenn sie ein schönes Häuschen und Geld hat. Das Volk feiert die nun gütige Fürstin.
Fast genau ein halbes Jahr vor Čert a Káča wurde Cendrillon von Jules Massenet uraufgeführt, eine andere Märchenoper der Jahrhundertwende, zu denen unbedingt noch Hänsel und Gretel (1893) von Humperdinck und Pelléas et Mélisande (1902) von Debussy zu zählen ist. Zeitlich etwas weiter entfernt sind Le villi (1884) von Puccini und Die Frau ohne Schatten (1919) von Strauss.
Eine frühe Oper von Dvořák trägt einen Titel, der auch ein Märchen als Hintergrund vermuten lässt, König und Köhler (Král a uhlíř, 1871). Der Stoff nach einem Puppenspiel jedoch entstammt einer Sage. In aller Kürze daher hier die Unterscheidung zwischen Märchen und Sage: ein Märchen (französisch: conte de fées, also Erzählung aus dem Feenland) hat keinen konkreten Ort und keine konkrete Zeit. Die Teufelswand also von Smetana ist streng genommen auch keine Märchenoper, denn die Teufelswand, eine steile Felswand an der Moldau, gibt es ja.

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