Mittwoch, 6. März 2019

Mignon

Drei Akte, vier bzw. fünf Bilder. Die ersten beiden Akte spielen in Deutschland, der letzte in Italien. Von den 16 bzw. 18 musikalischen Nummern sind acht bzw. neun solistisch oder solistisch mit Chor. Es gibt drei Duette und vier Terzette. Mit Ausnahme des ersten Terzettes ist sie an allen Duetten und Terzetten beteiligt. Die Hauptfiguren sind neben Mignon, Wilhelm (der auch in der französischen Fassung so genannt wird und nicht etwa Guillaume), Lothario (eine Figur, die dem Hafner im Roman entspricht, aber weit weniger geheimnisumwittert bleibt) und Philine (bei Goethe ist sie eine Nebenfigur, während aus dem Schauspielensemble Mariane eine herausragende Rolle spielt, die in der Oper gar nicht vorkommt). Als Nebenfiguren kommen Laërte (Laertes aus der Theatertruppe, der sich mit Wilhelm anfreundet), Jarno (der hier allerdings der Anführer der »Zigeuner« ist, während die Turmgesellschaft, der eine Person dieses Namens bei Goethe angehört, in der Oper keine Rolle spielt, Antonio, ein Schlossdiener im dritten Akt, der bei Goethe gar nicht vorkommt), und – als Bräutigam Philines unerlässlich – Friedrich, dessen Name französisch ausgesprochen wird: Frédéric.
Ouvertüre und 1. Akt: Eine typische Ouvertüre für eine »opéra comique« leitet den ersten Akt ein, sie ist ein Potpourri aus den bekanntesten Nummern der Oper wie »Connais-tu le pays« (»Kennst Du das Land«, Romanze der Mignon) und »Je suis Titania« (»Titania ist herabgestiegen«, Polonaise der Philine). Wir befinden uns im Hof eines Wirtshauses in einer deutschen Kleinstadt. Die Bürger genießen den Sonntag und lauschen dem Gesang des Harfners Lothario, der sich selbst auf der Laute begleitet (natürlich ist es ein harfe, die im Orchester erklingt). Die Schauspieler Laërte und Philine beobachten und kommentieren von einem Balkon aus den Auftritt der als »Zigeuner« charakterisierten fremden Gaukler. Mignon leidet unter dem Gelächter der Zuschauer und weigert sich zu tanzen, der Anführer der Gauklertruppe, Jarno, schlägt sie. Lothario, der sie zu kennen scheint, eilt ihr zu Hilfe wird aber von Jarno zurückgestoßen. Der gerade hereintretende Student Wilhelm weist Jarno in die Schranken und bietet ihm sogar Geld an dafür, dass er Mignon freilässt. Zum Dank schenkt ihm Mignon Blumen. Wilhelm erzählt Laërte in einer Arie woher er kommt (aus Wien) und was ih so treibt (er will in Freiheit durch die Welt ziehen, und wenn er sich verlieben sollte, dann ist es auch gut so). Und schon ergibt sich eine Gelegenheit: Wilhelm ist hingerissen von der Schönheit Philines und lässt es ohne weiteres geschehen, dass Laërte ihr die Blumen Mignons übergibt. Als die beiden gegangen sind, wendet er sich wieder Mignon zu, die sich nun endlich einführen kann mit dem berühmten Lied aus Goethes Roman. Wilhelm geht mit Jarno ab, um den Kauf zu besiegeln. Mit Lothario sinniert Mignon in einem Duett über ihre gewonnene Freiheit. Er weist auf die Schwalben hin, die nach Süden ziehen und denen er nun folgen will. Gerne würde sie sich ihnen anschließen, aber sie fühlt sich verpflichtet, bei Wilhelm zu bleiben. Dieser hat im folgenden Terzett wenig Verständnis dafür, dass sie sie sich ihm jetzt als verkleideter Diener anbietet, also in ein neues Sklavenverhältnis treten will, stimmt aber schließlich zu, weil er sie glücklich sehen will. Finale: Die Schauspieler haben ein neues Engagement gefunden und machen sich auf zum Gastspiel. Philine fordert Wilhelm auf, sich ihnen anzuschließen, Mignon verzweifelt, als sie ihre Blumen in Philines Händen sieht.
2. Akt, 1. Bild: Ein instrumentaler Entr'acte, eine Gavotte, der wir später noch einmal begegnen werden, leitet den zweiten Akt ein, so dass man an dieser Stelle nicht unbedingt eine Pause machen muss. Auf dem Schloss des Grafen, der die Schauspieler eingeladen hat, besucht Laërte Philine in ihrem Boudoir. Das »Madrigal«, das er ihr vorträgt, interessiert sie allerdings nicht sehr, sie erwartet Frédéric. Doch der erste Verehrer, der eintritt ist Wilhelm, gefolgt von seinem Begleiter Mignon – als Knabe verkleidet. Im folgenden Terzett steht Wilhelm zwischen Philine, in die er verliebt ist, die ihn aber nicht liebt und Mignon, die ihre Eifersucht kaum verbergen kann und sich schlafend stellt. Als Philine und Wilhelm gegangen sind, singt Mignon eine »Styrienne«, ein Abwandlung der in der »opéra comique« beliebten »Tyrolienne« (s. z. B. La fille du régiment). Nachdem sie in Philines Ankleidezimmer gegangen ist, kommt ein anderer ins Boudoir: Frédéric. In der Londoner Fassung ist er eine Hosenrolle und singt jetzt die Gavotte vom Anfang des Aktes. Wilhelm kommt zurück auf der Suche nach Mignon. So treffen die Rivalen um Philine aufeinander, doch Mignon – jetzt in Kleidern Philines – geht dazwischen, ehe sie sich duellieren können. Wilhelm dankt es ihr damit, dass er sie zu einer Tante schickt, die sie ordentlich pflegen soll. Dazu singt er das berühmteste Tenorlied aus der Oper, »Adieu Mignon, courage«. Philine kehrt zurück, Wilhelm reicht ihr den Arm, um sie zur Bühne zu bringen, wo sie Titania im Sommernachtstraum spielen soll. Mignon beginnt sie zu hassen.
2. Akt, 2. Bild: Auch dieses Bild wird von einem Entr'acte eingeleitet, der als Verwandlungsmusik verwendet werden kann. Möglich ist es, hier eine Pause zu machen, wenn man denn dem Trend folgen will, alle Opern, außer denen Wagners und vielleicht noch Meyerbeer mit nur einer Pause zu spielen. Der Schuss des ersten Teil ist dann allerdings sehr abrupt mit dem gesprochenen »Cette Philine, je la hais« von Mignon. In einer Ecke des Parks des nämlichen Schlosses, etwas entfernt von der Bühne, gibt sich Mignon ihrem Schmerz hin und will sich gerade in den See stürzen, als eine Harfe zu hören ist. Auch Lothario hat den Weg zum Grafen gefunden. Im Duett versucht er vergeblich, sie zu trösten. Als der Applaus für die Schauspieler zu hören ist, rauscht sie unter Verwünschungen gegen das Schloss, das sie in Flammen sehen will, davon. Die Schauspieler kommen von der Vorstellung und genießen den Erfolg. Philine singt die berühmte Polonaise »Je suis Titania la blonde« (»Titania ist herabgestiegen«). Lothario hat das Schloss in Flammen gesetzt. Philine schickt Mignon nach den Blumen, die sie gestern von Wilhelm bekommen hat (die eigentlich von ihr sind). Das Feuer breitet sich aus, Wilhelm stürzt Mignon nach und trägt die Ohnmächtige aus der brennenden Orangerie.
3. Akt: Wilhelm hat Mignon und Lothario nach Italien gebracht. Ein Chor hinter der Bühne bringt das Flair, das zwischen Sicilienne und Barcarolle, bzw. der Serenade aus Donizettis Don Pasquale schwankt. Lothario singt ein Wiegenlied für Mignon. Antonio erzählt Wilhelm ein paar Details von Mignons Kindheit, von ihrem angeblichen Ertrinken im See (in Wahrheit war sie entführt worden, wie wir ja wissen), dem Tod ihrer Mutter und dem Wahnsinn ihres Vaters. Und auch, dass das Schloss zu verkaufen ist. Wilhelm, der das Schloss für Mignon kaufen will, reagiert mit dem zweiten Tenorschlager der Oper, »Elle ne croyait pas« (»Wie ihre Unschuld«). Laërte kündigt Philines Kommen an. So wird das Aufwach-Duett Mignons mit Wilhelm unschön unterbrochen. Mignon erkennt, der Einzige, der sie liebt, ist Lothario. Im Terzett mit diesem und Wilhelm, lässt er sich jedoch als ihr Vater erkennen. Die Wiedererkennung wäre nun schon ein ganz passabler Schluss, aber nicht für eine »opéra comique«. Daher bietet Thomas verschiedene Lösungen an. Zuerst gab es ein genretypisches Happy Ending: Philine heiratet Frédéric und so ist Wilhelm frei für Mignon, die ihre Gesundheit wunderbarerweise wieder vollständig erlangt. In der italienischen Fassung für London wurde das noch mit einer »Forlana« von Philine erweitert, weil die Sopranistin noch ein Gegenstück zu Mignons »Styrienne« bekommen sollte. Für Aufführungen in Deutschland bot Thomas zwei Lösungen an: 1. Philine verschwindet einfach. Lothario, Wilhelm und Mignon preisen Gott für die wunderbare Genesung und man kann annehmen, dass sie und Wilhelm nun ein Paar werden. 2. Mignon stirbt in Wilhelms Armen, beweint von allen inklusive Philine.

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