Montag, 12. März 2018

Börsencrash und Theaterkrise

»Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändern ist.« Das mussten sich die Aktienbesitzer immer wieder vorsagen, die beim »Gründerkrach« am 9. Mai 1873 ihr ganzes Geld verloren haben. Wenige Tage nach der Eröffnung der ersten Weltausstellung in Wien, kam es zu einer Bereinigung der Kurse, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg überproportional gestiegen waren. Die Krise erreichte auch Frankfurt und Berlin, schließlich New York, wo am 19. September des gleichen Jahres zum ersten Mal in der Geschichte die Börse komplett geschlossen wurde, und das für 10 Tage. Die Weltausstellung endete vorhersehbar auch als Desaster, ein paar Theater bekamen den Kaufkraftschwund sehr schnell zu spüren, aber einige Theaterunternehmer waren nach wie vor sehr erfolgreich. So Maximilian Steiner, der zusammen mit der Schauspielerin und Sängerin Marie Geistiger das Theater an der Wien führte. Am 12. Juli 1873 erschien auf dem Titelblatt der humoristischen Wochenzeitschrift Der Floh eine Karikatur von Steiner, der mit drei Paar Schuhen und drei Köpfen jongliert. Die Köpfe stellen Jacques Offenbach, Johann Strauß jun. und Marie Geistiger dar. Die Schuhe sind eine Anspielung auf die Erfolgskomödie Die drei paar Schuhe mit Musik von Carl Millöcker, einem der Gründer der Wiener Operette. Offenbach wurde zwar nicht von Steiner (dem Großvater des Filmkomponisten Max Steiner, damit wir wenigstens mit irgend etwas an die vorletzte Woche anschießen können) nach Wien geholt; es war Carl Carl, der im Carltheater 1860 Orpheus in der Unterwelt herausbrachte. Friedrich Strampfer aber, der Vorgänger Steiner als Direktor des Theater an der Wien, führte die Wiener Offenbachpflege fort und brachte Marie Geistinger 1865 als Titelhelden in Die schöne Helena heraus. Steiner selbst gelang es dann 1871 den Walzerkönig Junior dazu zu überreden, eine Operette zu schreiben, Indigo und die 40 Räuber. Ein Artikel im Inneren des Flohs spekuliert nun: »Wäre Steiner Leiter der Weltausstellung, er hätte jetzt bereits einen Überschuss von siebzehn Millionen. / Und wäre Schwarz Director des Wiedner Theaters, die schöne Helena könnte ohne Paraplui gar nicht gespielt werden.«
Die Fledermaus war zu dem Zeitpunkt bereits in Planung, die Öffentlichkeit wurde aber erst Ende August über das neue Projekt informiert. Zum Verständnis der Operette, die bei der Uraufführung zu Ostern 1874 ein schöner Erfolg war, aber erst später zum bedeutendsten Werk der klassischen Wiener Operette erklärt wurde, gehört der wirtschaftspolitische Hintergrund. Zum »Gründerkrach« gehört auch die »Theaterkrise« der 1870er Jahre. Viele Privattheater gingen in der Zeit bankrott. Wenn man so will, gehören auch die Bayreuther Festspiele dazu, am Ender der Proben 1876 sagte Wagner noch: »Nächstes Jahr machen wir alles anders«, aber im nächsten Jahr fanden keine Festspiele statt. Es dauerte sechs Jahre bis Wagner wieder genügend Mittel zusammen hatte, um Parsifal auf die  Bühne zu bringen.
Eine kleine Pointe noch zum »Gründerkrach«: Was war Bismarcks Reaktion auf die Krise, die im Übrigen zusammenfiel mit den letzten Reparationszahlungen Frankreichs – das Geld, das die Überhitzung des Aktienmarktes zumindest begünstigte, wenn nicht antrieb? Richtig: er führte Schutzzölle ein!

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