Montag, 26. Februar 2018

Offenbachs Blaubart

Die erste große Travestie, Orphée aux enfers, hatte Jacques Offenbach 1858 noch in seinem ersten Theater, den »Bouffes-Parisiens« herausgebracht. Es war das erste Jahrzehnt des »Second Empire« des Kaisers Napoléon III. Für die zweite, La belle Hélène, 1864 als das zweite Jahrzehnt schon längst angebrochen war, zog er in ein größeres Theater, das »Théâtre des Variétés«. Im Jahr darauf – La belle Hélène lief noch gut – brachte er noch einmal zwei kleinere Stücke in den »Boules-Parisiens« heraus und 1866 folgte dann wiederum im »Théâtre des Variétés« Barbe-Bleue. Die literarische Grundlage war nun kein antik-klassischer Mythos mehr, sondern eine Märchen von Charles Perrault. In der Deutschen Ausgabe der Märchen von Perrault steht die blutrünstige Geschichte gleich an zweiter Stelle, wie man hier nachlesen kann. Es gibt auch eine Fassung der Brüder Grimm, allerdings fehlt sie in der Ausgabe letzter Hand und man muss erst danach suchen. Hier ist sie wiedergegeben.
Den Blaubart-Stoff kennen wir aus mehreren Opern. De berühmteste Vertonung stammt von Béla Bartók, zuletzt hatten wir einen Blick in die Oper von Paul Dukas geworfen, Ariane et Barbe-Bleue, wo die letzte Frau Blaubarts den Mörder gegen das rachsüchtige Volk verteidigt. In den meisten Bearbeitungen lernen wir nur die letzte Frau Blaubarts näher kennen. Anders in der Version von Offenbach, zu der wiederum Henri Meilhac und Ludovica Halévy den Text geschrieben haben. Hier begegnen wir der sechsten und der siebten Frau ausführlich und die sechste,nicht etwa die siebte nimmt am Ende den Kampf auf und bleibt als einzige bei ihm.
Es handelt sich um eine »Opéra bouffe«, also eine Operette, und es ist natürlich kaum denkbar, dass hier am Ende lauter tote (oder auch umtote) Frauen auf der Bühne bleiben. Blaubart tötet seine Ehefrauen nicht selber, sondern überlässt das dem Alchemisten Popolani, der ihn hintergeht. Er bringt die Opfer zwar mit Gift um, damit Blaubart zufrieden ist, hinterher aber erweckt er sie mit einem elektromagnetischen Apparat wieder zum Leben, vorausgesetzt, sie haben sich vorher damit einverstanden erklärt, die seine zu werden. Das haben natürlich als fünf bisher getan und so leben sie hinter den Grabsteinen in den unterirdischen Gemächern Popolanis, als Boulotte, die sechste Frau von Blaubart ebenfalls hierher gebracht wird, damit sich ihr Schicksal genau so erfülle wie das ihrer Vorgängerinnen. Sie stachelt diese aber gleich nach ihrer Wiedererweckung zur Revolution auf. Als Zigeunertruppe verkleidet stören sie die Heirat Blaubarts mit der 7. Frau, die auf Anraten ihrer Mutter »Niemals« sagt statt des erwarteten »Ja«. Das ist allerdings nur einer der vielen Handlungsstränge der Operette. Es gibt ein Gegenstück zu Blaubart: König Bobèche, ein unerträglicher Tyrann, der ebenso blutrünstig ist. Er lässt zwar keine Frauen umbringen, dafür aber Männer, die sich ihm widersetzen oder gar mit seiner Frau anbandeln. Er macht es natürlich auch nicht selber, sondern hat dafür den Höfling Oscar. Der aber versteckt die Todeskandidaten nur. Es sind, mit dem neu hinzugekommenen Graf Alvarez jetzt auch gerade fünf. Verknüpft werden die beiden Handlungsstränge durch einen weitere. König Bobèche sucht nach seiner Tochter Hermia, die er einst hat aussetzen lassen, weil er jetzt doch lieber sie zur Nachfolgerin hätte, als seinen einfältigen Sohn. Er findet sie auf dem Land in der Schäferin Fleurette, die von Blaubart, der gerade mit Boulotte anbandelt, schon als 7. Ehefrau vorgemerkt wird. Fleurette liebt den Schäfer Saphir, der in Wahrheit ein Prinz ist. Der dritte Akt, der ganz im Zeichen des Hymenäus, des Hochzeitsgottes, steht, soll mit der Hochzeit von Saphir und Hermia beginnen. Doch Blaubart, der den Tod Boulottes mit Krokodilstränen bejammert, braucht jetzt seine 7. Frau. Also geht er auf Saphir los, der leblos liegen bleibt. Seine Heirat mit Hermia allerdings wird wie schon gesagt gestört. Nun wird aber richtig Hochzeit gefeiert. Die fünf überlebenden Opfer Bobèches heiraten die fünf ersten Frauen Blaubarts. Hermia heiratet doch noch Saphir, der ist nämlich gar nicht tot, sondern nur ohnmächtig geworden. Und Boulotte heiratet Barbe-Bleue noch einmal. Sie traut sich zu, ihm Profil zu bieten.
Barbe-Bleue war ein großer, wenn auch nicht überragender Erfolg zu Offenbachs Lebzeiten. Die Operette fand schnell internationale Verbreitung, setzte sich aber insbesondere im deutschsprachigen Raum nicht wirklich durch. Es gab immer wieder prominente Erweckungsversuche, etwa 1926 durch Karl Kraus oder 1929 durch eine Inszenierung mit Leo Slezak und Käthe Dorsch im Metropoltheater (also der heutigen Komischen Oper). Unvergesslich (und auch auf DVD erhalten) ist aber die Inszenierung von Walter Felsenstein 1963 in Berlin und 1865 in Frankfurt mit Anny Schlemm.

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