Dienstag, 26. September 2017

Schumann und die anderen

Wir haben – wie Schumann ja auch – die Szenen aus Goethes Faust musikalisch vom Ende her betrachtet. Wir haben den »Chorus mysticus« von Mahler, Liszt und Schumann verglichen und sind darauf gekommen, dass Schumann eigentlich der »modernste« ist. Mahler ist monumental und Liszt mit seinem Männerchor eher konventionell am Ende eines ansonsten sehr ausgeklügelten Werks. Diese Woche vergleichen wir noch ein paar weitere einzelne Textpassagen in verschiedenen Vertonungen. Einigem haben wir ja auch schon in der Vergangenheit begegnet, wenn wir den Focus auf Gounod, Berlioz oder Boito gelegt hatten. Die interessante Parallele Wagner-Verdi etwa darf nicht fehlen. Aber es gibt noch viel mehr zu entdecken. Gretchens »Ach neige du Schmerzenreiche« wurde unzählige Male vertont. Wagner und Verdi sind nur die Spitze des Eisberges, sie vertreten aber zwei ganz gegensätzliche Positionen. Verdi hat die Dichtung als Liedvorlage genommen und folgt damit der Spur Schuberts, dessen »Gretchen im Zwinger« zwar nicht ganz so bekannt ist wie das drei Jahre früher als erste Faust-Komposition entstandene »Gretchen am Spinnrade«, aber doch auch gelegentlich im Konzert auftaucht. Wagner dagegen macht entwirft eine dramatische Szene. Der Text wird bei ihm gar nicht gesungen, sondern gesprochen. Aus einer anderen Zeit dann Hugo Wolfs Vertonung, die ebenfalls ganz im Lyrischen bleibt. An Schumanns Komposition ist vor allem auffallend die formale Freiheit, die er sich nimmt. Es ist kein Lied und keine Opernarie. Eher wirklich eine Szene, aber nicht so vordergründig wie die Version von Wagner.
Danach gehen wir in den zweiten Teil von Goethes Faust. Er beginnt in »anmutiger Gegend« mit Ariels Gesang. »Wenn der Blüten Frühlingsregen / Über alle schwebend sinkt« ist u. a. von Carl Loewe vertont worden. Schumanns Komposition beginnt unmittelbar nach dem einleitenden Gesang mit »Die ihr dies Haupt umschwebt im luft'gen Kreise«. Fanny Mendelssohn vertonte den Anfang des zweiten Teils komplett. Ein solitär ist Schumanns Vertonung von Fausts Tod. Bei ihm wird auch musikalisch sinnfällig, was Faust ins Verderben bringt: die Machtversessenheit. In dem Moment, in dem er erkennt, dass die Lemuren für ihn schuften müssen, hat er keinen Grund mehr sich »strebend« zu bemühen. Er möchte den Augenblick zur Ewigkeit ausdehnen. Damit bricht er den Pakt mit Mephistopheles und sein Fall ist unvermeidlich.

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