Dienstag, 4. April 2017

Jean-Philippe Rameau: Zoroastre

Der Repräsentant des Guten kämpft gegen den Repräsentanten des Bösen. Dabei wird das Persönlichste nach außen gekehrt und es geht in den Familien der hohen Repräsentanten nicht anders zu, als überall auf der Welt. Allerlei Theatertricks werden angewandt, Personen verschwinden zu lassen oder sie aus Gefangenschaft zu befreien, Elementargeister greifen ein. Und am Ende siegt natürlich das Gute. Nein, es ist nicht die Rede vom Ring des Nibelungen. Auch nicht von der Zauberflöte. Sondern von der leider die,zu selten aufgeführten Barockoper Zoroastre, 1749, in Goethes Geburtsjahr, in Paris uraufgeführt und 7 Jahre später von den Autoren in wesentlichen Teilen umgearbeitet. Wagner kannte die Oper sicher nicht, obwohl 1832 in Paris kleine Ausschnitte in einem »historischen Konzert« noch einmal aufgeführt wurden. Größere Teile wurden erst 1903 wieder gespielt, aber die Wiederentdeckung der Oper fand noch viel später zur Feier des 200. Todestages des Komponisten 1964 statt.
Das Libretto schrieb Louis de Cahusac (1706–1759), der anfänglich als Dramatiker nicht sehr erfolgreich war, jedoch seit der Aufführung der »comédie-ballet« L'Algérien ou les Muses Comédiennes zur Genesung des Königs am 14. September 1744 gehört er zu den erfolgreichen Bühnendichtern des 18. Jahrhunderts. Von wem die Musik stammte, ist nicht herauszufinden, aber der König, zu dessen Genesung das Werk aufgeführt wurde (eine andere Quelle gibt übrigen 1743 an), steht fest. Es ist Louis XV. An seinem Hof hat Madame de Pompadour einen großen Einfluss und von ihr wird gesagt, dass sie Cahusac (es existiert auch die Schreibweise Cahuzac) gefördert habe. Der bedeutendste Komponist am französischen Hof ist zu der Zeit Jean-Philippe Rameau. Der hatte zuletzt mit Voltaire zusammengearbeitet, die Oper Samson, die sie 1736 zusammen verfasst hatten, wurde von der Zensur zwar nicht zugelassen, aber La Princesse de Navarre wurde 1745 aufgeführt. In Cahusac fand nun Rameau aber seinen wichtigsten Librettisten für die letzten Jahre. Cahusac kam am Hof auch in Kontakt mit den Enzyklopädisten Diderot und d'Alembert, die ihm den Bereich Musik, Tanz und Feste übertrugen. Für Musik allerdings war er nicht allein zuständig, wesentliche Artikel stammen hier von Rousseau. Ein Nebenprodukt seiner Enzyklopädistentätigkeit ist seine Tanzgeschichte La danse ancienne et moderne ou Traîté historique de la danse (1754).
Jean Philippe Rameau (1683–1764) schrieb seine erste Oper, Hippolyte et Aricie, mit 50 Jahren. Der König war begeistert und erhob ihn in den Adelsstand. Die erste Zusammenarbeit mit Cahusac war noch im Jahr der Princesse de Navarre 1745 Les Fêtes de Polymnie, wiederum eine »opéra-ballet«. Damit sollte der Sieg der französischen Truppen unter Moritz von Sachsen gegen die »pragmatische Armee« (also die Verbündeten Österreichs, die Verteidiger der »pragmatischen Sanktion«, durch die Maria Theresia die Erbfolge angetreten hatte) unter dem Oberbefehl des Herzogs von Cumberland gefeiert werden. Die Komposition wird nicht zu den stärksten Rameaus gezählt, aber eine Neuerung ist die Form der Ouvertüre, die von der klassischen französischen Form abweicht. Auch die Ouvertüre zur 1748 komponierten ersten gemeinsamen großen Oper (»pastorale héroique«) Zais ist ungewöhnlich, sie hat ein »Programm«: die vier Elemente entwickeln sich aus dem Chaos. Die Titelfigur ist ein Luftgeist, der sich in eine Schäferin verliebt, die er aber erst heiraten kann, nachdem ihr der König der Luftgeister Unsterblichkeit verliehen hat. Dieser Luftgeist wird von einem Haut-Contre gesungen, einem hohen Tenor (nicht zu verwechseln mit dem Countertenor aus der englischen Tradition), genau wie Zoroastre, die Titelfigur in der zweiten der beiden 1749 komponierten Opern.
Die Ouvertüre ist zweiteilig und folgt keinem der bekannten Schemata, ist also weder eine italienische »Sinfonia« mit drei Sätzen in der Abfolge schnell-langsam-schnell, noch eine französische »Ouverture« mit einer langsamen Einleitung und einem imitatorischen Hauptsatz. (Man kann sich den Unterschied gut merken, wenn man die Ouvertüren von Die Entführung aus dem Serail und Die Zauberflöte gegeneinander hält: die erste folgt dem italienischen, die zweite dem französischen Schema.) Die Ouvertüre zu Zoroastre ist zweiteilig und stellt Gut und Böse, besser gesagt: Böse und Gut gegeneinander. Im ersten Teil dominiert die Welt des Abramane, Hoherpriester des Arimane, Vertreter der dunklen Welt, im zweiten Teil nehmen die hellen Töne Zoroastres überhand. Schauplatz ist das Land Baktrien, aus dem jedes Korrekturprogramm automatisch Bakterien macht. Man kann sich das im Norden Afghanistans vorstellen oder auch etwas weiter südlich, jedenfalls da, wo Zoroaster oder Zarathustra, wie er seit Nietzsche meistens genannt wird, möglicherweise gelebt und gewirkt hat.
1. Akt, 1. Szene: Der ungenannte Herrscher von Baktrien ist unerwartet gestorben und Abramane versucht die Macht an sich zu reißen. Er liebt Amélite, die rechtmäßige Thronfolgerin, die aber liebt Zoroastre, der von Abramane ins Exil getrieben wurde. In einer kurzen Arie mit zwei obligaten Fagotten frönt Abramane seinen Rachegedanken. Er ist sicher mehr an der Macht als an Amélite interessiert und verschwört sich daher mit Erinice, die ebenfalls Ansprüche auf den Thron erhebt. Er gibt ihr die Hälfte seines Zauberstabs und sie verspricht, die Macht mit ihm zu teilen.
1. Akt, 2. Szene: Amélite betrauert den Verlust Zoroastres und wird von ihren Gefährtinnen getröstet. Da hört man plötzlich Stimmen aus dem Untergrund. Erinice erscheint mit den Geistern, die sie beschworen hat und entführt Amélite.
2. Akt (in der Fassung 1749): Am Berg Taurus huldigt das Gefolge Zoroastres dem Gott Orosmade. Beim Sonnenaufgang werden wir Zeugen eines Massenhochzeit, Zoroastre preist die ewige Liebe. Flammen züngeln aus dem Tempel. Orosmades Stimme sagt Zoroastre den Sieg voraus. Zoroaster wird auf einer Wolke davongetragen, bejubelt von seinen Anhängern.
2. Akt (in der Fassung von 1756), 1, Szene: Im Palast des Königs der Luftgeister Oromasès beklagt Zoroastre die Trennung von Amélite. Oromasès befiehlt ihm, sie zu retten. Wenn er das tue, würde er die ganze Welt vom Bösen befreien. In einer großen Beschwörungsszene mit den Luftgeistern, während der Zoroastre auch einmal die Besinnung verliert, erhält er unter anderem das Buch des Lebens.
2. Akt (in der Fassung von 1756), 2. Szene: In der Festung des Königs von Baktrien wird Amélite gefoltert. Erinice verlangt von ihr, auf den Thron zu verzichten. Als Zoroastre erscheint, verschwindet Erinice Rache schwörend. Die Liebenden Feier ihr Wiedersehen. Zoroastre zeigt, was er als Zauberer kann: die Mauern stürzen ein, sie befinden sich auf dem Marktplatz und das Volk feiert die Befreiung der Thronfolgerin.
3. Akt (in der Fassung von 1749): In tiefer Dunkelheit an der Stadtmauer von Baktria, in der Nähe der Palast Erinices. Man hört das Wehklagen des Volkes. Zoroastre ist heimlich zurückgekommen und erfährt das Schicksal Amélites. Er betet zu Orosmade, der ein Licht sendet. Zoroastre lässt die Mauern des Palastes einstürzen und Amélite wird sichtbar, die von Erinice geschunden wird. Die überraschten Bewacher Amélites ziehen mit Erinice. Amélite und Zoroastre feiern ihr Wiedersehen. Während das Volk die Befreiung feiert, wird hüllt Abramane alles mit einer dunklen Wolke ein. Alleingelassen ruft Zoroastre die Luftgeister herbei. Diese übergeben ihm ein Zauberbuch und ein Salamander gibt ihm einen Zauberstab.
3. Akt (in der Fassung von 1756): Außerhalb der Stadtmauern streiten Abramane und Erinice. Er fürchtet, dass sie seine Pläne gefährden könnte, deshalb lässt er sie eine eine Wolke verschwinden und bereitet einen Hinterhalt vor. Amélite und Zoroastre kommen um die Rückkehr des Lichts zu feiern. Gerade als sie ihre Vermählung öffentlich machen wollen, verdunkelt sich der Himmel und Abramane steigt in einem Wagen herab. Zoroastre nimmt mit Hilfe der Guten Geister den Kampf auf und verfolgt Abramane. Die Geister nehmen die ohnmächtige Amélite mit. Die Stadt versinkt im Feuer.
4. Akt: Im Tempel Arimanes bereitet Abramane eine schwarze Messe vor. Angeführt von den Personifikationen von Hass, Eifersucht, Verzweiflung und Rache führen die Bösen Geister einen Tanz um ein blutendes Kreuz auf. Ein Bild Zoroastres erscheint auf dem Altar, doch es geht in Flammen auf, was Abramane für ein gutes Zeichen nimmt. Alle bereiten sich auf die Schacht vor.
5. Akt (in der Fassung von 1749): Amélite wartet voller Hoffnung auf Zoroastre. Der bringt gute Nachrichten. Doch als das Volk Amélie auffordert, die Regierungsgeschäfte aufzunehmen, stürmt Abramane mit seinen Priestern herein und verkündet, dass ein Orakel Erinice zur Herrscherin bestimmt habe. Beim Kampf der Bösen gegen die Guten gehen die Bösen plötzlich in Flammen auf und werden von der Erde verschluckt. Ein helles Licht erscheint und der Tempel füllt sich mit Guten Geistern. Amélite ist jetzt Königin und entzündet mit Zoroastre das Ewige Licht. Nun endlich wird die Hochzeit angekündigt.
5. Akt (in der Fassung von 1756) 1. Szene: Im Krönungssaal der Baktrier warnt die sich reuig stellende Erinice Zoroastre vor dem unmittelbar bevorstehenden Ansturm Abramanes. Da dieser sich aber unbeeindruckt zeigt, rauscht sie wieder davon. Es wird berichtet, dass Amélite bei ihrer Krönung entführt worden sei. Da erscheint schon Abramane auf einer Feuerwolke und fordert Zoroastre auf, sich zu ergeben. Die Wolke zerteilt sch und Amélite wird in Ketten sichtbar. Zoroastre ruft die Himmlischen Kräfte an und die Erde verschluckt Abramane und seine Anhänger.
5. Akt (in der Fassung von 1756), 2. Szene: Oromasès bringt seinen Luftgeistern Amélite zurück. Er ordnet die Krönung des Paares an.

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