Mittwoch, 1. März 2017

Medea

Vor fast genau einem Jahr feierte der Berliner Komponist Aribert Reimann seinen 80. Geburtstag. Wenn jetzt alle drei Berliner Opernhäuser in diesem Jahr eine Reimann-Premiere in den Spielplan genommen haben, so ist das durchaus noch als Geburtstagsgabe zu sehen. Besser spät, als gar nicht. In der Deutschen Oper Berlin wird zum Beginn der kommenden Spielzeit Reimanns neuestes Werk zur Uraufführung gebracht, die offizielle Ankündigung dazu erfolgt noch im März, der Titel darf daher hier und jetzt och nicht verraten werden, auch auf der Homepage des Verlages ist er noch nicht zu finden. Davor, nämlich noch im Juni, kommt in der Staatsoper im Schillertheater / Werkstatt Die Gespenstersonate in einer Neuinszenierung von Otto Katzamaier heraus. Diese Oper wurde durch die Deutsche Oper Berlin und die Berliner Festwochen 1984 im Hebbel-Theater uraufgeführt. Zuerst aber ist die Komische Oper Berlin dran mit Medea. Anders als die meisten Dramatisierungen des Stoffes, die sich auf Euripides und dessen Übersetzung ins Lateinische durch Seneca beziehen, wählte Aribert Reimann eine Vorlage aus dem 19. Jahrhundert, Franz Grillparzers Trilogie Das goldene Vlies (ja, richtig, »Vließ« schreibt Grillparzer, nicht »Vlies«).
Argo von Aischylos ist nicht erhalten, so ist Medea von Euripides aus dem Jahr 431 v. Chr. tatsächlich die älteste bekannte dramatische Bearbeitung einer Episode aus der Argonauten-Sage. Sie handelt von der grausamen Rache einer verratenen Verräterin. Medea ist darin die angstmachende Fremde. Ihre Handlungen sind nicht nachvollziehbar. Mit einem vergifteten Geschenk tötet sie ihre Nebenbuhlerin und auch deren Vater Kreon, der ihr zu Hilfe eilt. Ihre Söhne tötet sie, um deren Vater Jason für den Verrat zu betrafen. Auch das Ende durch einen »Deus ex machina« bringt keine Lösung geschweige denn eine Versöhnung. Der Sonnengott Helios, der zu ihren mythologischen Vorfahren gezahlt wird, holt Medea ab in eine andere Welt.
Francesco Cavalli, Opernkomponist der dritten Generation, die noch zu Lebzeiten Claudio Monteverdis aus der  ersten Generation in Venedig wirkte und mit seinen Werken wesentlich zur Popularisierung der ursprünglich nur als Adelsvergnügen betriebenen Kunstform beitrug, schuf 1649 Il giasone. Auch in Thésée (1675) von Jean-Baptiste Lully geht es um Medea. Darin ist eine andere Fortsetzung der korinthischen Tragödie verarbeitet. Medea lässt ihre Kinder zurück, die dann von Priestern umgebracht werden, die sie fälschlicherweise als Mörderin denunzieren. In Athen begegnet sie dann dem sagenumwobenen Theseus. Weitere Barockopern nach dem antiken Stoff stammen von Marc-Antoine Charpentier (Médée, 1693), Georg Friedrich Händel (Teseo, 1713) und Josef Mysliveček (Medea, 1764). Ein Modell für zahlreiche Opern des 19. Jahrhunderts bot Médée (1797) von Luigi Cherubini in der anonymen Bearbeitung als italienische Oper Medea, die von Maria Callas im 20. Jahrhundert populär gemacht wurde. Giovanni Simone Mayr, der Lehrer Donizettis, wie auch die Verdi-Vorläufer Giovanni Pacini und Saverio Mercadante schrieben ihre je eigenen Medea-Opern.
Auch im 20. Jahrhundert riss die Faszination der kolchischen Prinzessin nicht ab. Von den zahlreichen Opern seien nur die von Darius Milhaud, Mikis Theodorakis und Rolf Liebermann genannt. Martha Graham, Birgit Cullberg und John Neumeier schufen unter anderem große Handlungsballette nach dem Medea-Stoff.
Aribert Reimann war 2010 mit der Uraufführung seiner Medea in der Wiener Staatsoper auch nicht der Erste im 21. Jahrhundert. Vor ihm noch schrieben Johanna Doderer (Die Fremde, 2001) und Adriano Guarnieri Medea, Filmoper, 2002) ihre Opern nach dem Stoff.

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