Dienstag, 15. November 2016

Noch weiter mit Meyerbeer

Inzwischen ist die Premiere der Hugenotten an der Deutschen Oper Berlin sehr erfolgreich verlaufen. Aber es gibt immer noch viel zu dem Werk zu sagen. Nachdem wir uns bereits ein wenig mit »historischer Musik« befasst haben – mit den Einflüssen von Bach und der Aufführungspraxis seiner Werke im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts –, betrachten wir zum Schluss noch einige andere Instrumentale und vokale Besonderheiten in diesem Werk.
Wir beginnen mit dem Einsatz der Viola d'amore in der Romanze des Raoul im ersten Akt. Das Instrument gehört zur Barockmusik und ist um 1800 schon fast vergessen. Es gibt nur noch einen einzigen Spieler, den Aachener Christian Urhahn, von Kaiserin Josephine gefördert und nach Parisgeholt, wo er an der Opéra als Konzertmeister wirkt. Bereits 1822 hatte er für eine Produktion an der Opéra-Comique das altmodische Instrument hervorgeholt, für Le Paradis de Mahomet von Rodolphe Kreutzer. Kreutzer ist uns heute kaum noch als Komponist bekannt, jedoch als Widmungsträger der Kreutzer-Sonate von Beethoven. Zwei Jahre später spielte Urhahn auch in der Opéra die Viola d'amore. Im Ballett Zémire et Azor von Jean-Madeleine Schneitzhöffer. Auch Schneitzhöffer ist heute nahezu vergessen, er war jedoch der Komponist vieler Ballette, insbesondere auch der von Heine beschriebenen La Sylphide. Die Musik von Herman Severin Løvenskiold, die man heute meist verwendet, ist erst später für Kopenhagen geschrieben worden.
Meyerbeer hatte ursprünglich als Solo-Instrument in der Romanze eine Violoncello vorgesehen. Erst  nach einer Unterredung mit dem Dirigenten der Uraufführung François-Antoine Habeneck (Wagnerianer kennen ihre, weil Wagner von seinen Beethoven.Interpretationen berichtet) hat er sich zu der Änderung entschieden, die Raoul noch deutlicher als Träumer charakterisiert und von seinem Diener Marcel (zu dem die zwei Celli mit Doppelgriffen gehören) absetzt. Über die Bassklarinette und die direkte Linie von den Hugenotten zu Tristan und Isolde haben wir schon gesprochen. Die ist auch im großen Duett im vierten Akt zu spüren.
Aus drei Opern kennen wir einen »Ra-ta-plan«-Chor: Zuerst fällt einmal natürlich Die Macht des Schicksals (1862) von Verdi dazu ein, gleich danach Die Regimentstochter (1840) von Donizetti. Dass sich auch in den Hugenotten (1836) ein »Ra-ta-plan«-Chor findet, weiss nur, wer das Werk von CDs kennt. in der letzten Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin kam er nicht vor. Es ist jedoch ein sehr entscheidendes Detail in der Charakterisierung der Protestanten durch Meyerbeer. Im Dritten Akt, auf der Schreiberwiese, erweisen sie sich als die eigentlichen Kriegstreiber, die sich mit ihrem Aufruf zum Vergewaltigen der katholischen Mädchen ganz unmöglich benehmen. Die Katholiken beantworten das mit einem »Ave Maria«, auf das wir gleich kommen. Das »Ra-ta-plan« hat aber Meyerbeer auch nicht erfunden, es existierte schon als musikalische Nummer. Maria Malibran hatte schon 1832 ihre Version in eine Liedersammlung aufgenommen, die Cecilia Bartoli auf ihrer CD zur Hommage an die Malibran singt und auch einmal beim Echo Klassik als effektvolle Nummer vorgetragen hat. Das kann man hier hören und sehen. Auch in Opernparodien von Offenbach und Sullivan kommen »Ra-ta-plan«-Chöre vor.
Beim »Ave Maria« kommen wir auf einen Komponisten, von dem die Deutsche Oper Berlin vor wenigen Jahren eine längst vergessene Oper konzertant zur Aufführung gebracht hat. Bei der Einführung zum Geisterschiff von Pierre-Louis Dietsch im Konzerthaus haben Chorsolisten das berühmte »Ave Maria d'Arcadelt« vorgetragen, das Dietsch 1840 zum ersten Mal in einem Konzert hat erklingen lassen. Er ist dann bezichtigt worden, das Werk sei gar nicht von dem -Renaissance-Komponisten Jacques d'Arcadelt, sondern von ihm selbst. Erst im 20. Jahrhundert wurde er rehabilitiert, als die Vorlage, ein weltliches Lied, gefunden wurde. Das »Ave Maria«, das die katholischen Mädchen in den Hugenotten vortragen hat steht dieser Komposition sehr nahe. Meyerbeer waren also offenbar die Quellen auch bekannt, aus denen der Chordirektor der Opera, Eietsch, schöpfte. Außerdem entkräftet es den Vorwurf, Meyerbeer habe sich bei der Wahl seiner »Couleur du temps« vertan, weil er eher Bach, also das 18. Jahrhundert, einbezogen habe, als das Jahrhundert, um das es in de Hugenotten geht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.