Dienstag, 1. November 2016

Die Bartholomäusnacht auf der Opernbühne

Die Ferien sind vorbei, es geht weiter mit den Operngesprächen. Noch knapp zwei Wochen sind es bis zur nächsten Premiere in der Deutschen Oper Berlin: Die Hugenotten (Les huguenots) von Giacomo Meyerbeer.
Die ersten Werke, die später der von deutschen und englischen Musikhistorikern „Grand Opéra“ genannten Kunstform zugeordnet wurden, waren in Paris noch vor der Juli-Revolution von 1830 erschienen. Das Zeitalter des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe (von den Karikaturisten „Birne“ genannt) aber ist das prägende Zeitalter dieser Kunstform, die von den Komponisten Daniel François Esprit Auber (1782–1871), Gioacchino Rossini (1792–1868) und Giacomo Meyerbeer (1791–1864) geschaffen wurde und als deren musikalischer Hauptvertreter der Berliner Meyerbeer gilt. Prinzipien der Industrialisierung haben hier erstmals den Entstehungsprozess der Werke bestimmt. Die Direktoren der Opéra kamen ihrer Verantwortung gegenüber den Geldgebern und dem Publikum dadurch nach, dass sie die aus ihrer Sicht besten Künstler aus allen Bereichen zur Zusammenarbeit verpflichteten: Komponisten, Librettisten, Bühnenbildner, Choreographen, Sänger, Musiker. Wäre der Begriff nicht für Wagner besetzt, müsste man die „Grand Opéra“ als das typische Gesamtkunstwerk des 19. Jahrhunderts bezeichnen.

Typisch für die Handlungsverläufe ist eine Verschränkung von großer Staatsaktion und privatem Glück und Unglück. Die Staatsaktion folgt fast immer einer markanten historischen Gegebenheit. Die Hauptakteure sind Protagonisten der Geschichte (mehr oder weniger von Legenden umrankt), dazu kommen erfundene Figuren, deren Schicksal sich mit der Geschichte verschränkt. Ein Modell dafür hatten bereits Shakespeare und Schiller geliefert – Don Carlos wurde 1865 von Giuseppe Verdi für eine späte „grand opéra“ verwendet, Hamlet 1868 von Ambroise Thomas, Wilhelm Tell aber steht ganz am Anfang dieser Kunstform, 1829 von Rossini vertont.
Les huguenots ist 1836 die erste Oper, in der das Pariser Publikum gezwungen wurde, sich mit der eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, davor ging es immer um mehr oder weniger entfernte Schauplätze: Guillaume Tell (1828, Schweiz), La muette de Portici (1829, Neapel), Robert le diable (1831, Sizilien), Gustave III (1833, Schweden), La Juive (1835, Konstanz).
Les huguenots gehörte im 19. Jahrhundert zu den beliebtesten Opern überhaupt. Am Beginn des 20. Jahrhunderts gab es durch das wachsende Interesse an Wagner, Verdi, Puccini, Strauss bereits einen Rückgang bei den Aufführungszahlen. Ab 1933 war die Oper wie alle Werke von jüdischen Komponisten in Deutschland verboten. Nach dem 2. Weltkrieg kamen die Werke Meyerbeers nur schleppend wieder auf die Spielpläne. Die Deutsche Oper Berlin wagte 1987 mit einer stark gekürzten Inszenierung der Hugenotten (in deutscher Sprache) einen Neuanfang. Jetzt kommt es erneut zu einer Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Werk des 19. Jahrhunderts, das inzwischen auch in einer historisch-kritischen Neuausgabe vorliegt. Es ist also viel Neues zu entdecken, auch für diejenigen, die die Aufführung damals gesehen haben oder eine DVD davon besitzen.

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