Die ersten Werke, die später der von deutschen und englischen Musikhistorikern „Grand Opéra“ genannten Kunstform zugeordnet wurden, waren in Paris noch vor der Juli-Revolution von 1830 erschienen. Das Zeitalter des „Bürgerkönigs“ Louis-Philippe (von den Karikaturisten „Birne“ genannt) aber ist das prägende Zeitalter dieser Kunstform, die von den Komponisten Daniel François Esprit Auber (1782–1871), Gioacchino Rossini (1792–1868) und Giacomo Meyerbeer (1791–1864) geschaffen wurde und als deren musikalischer Hauptvertreter der Berliner Meyerbeer gilt. Prinzipien der Industrialisierung haben hier erstmals den Entstehungsprozess der Werke bestimmt. Die Direktoren der Opéra kamen ihrer Verantwortung gegenüber den Geldgebern und dem Publikum dadurch nach, dass sie die aus ihrer Sicht besten Künstler aus allen Bereichen zur Zusammenarbeit verpflichteten: Komponisten, Librettisten, Bühnenbildner, Choreographen, Sänger, Musiker. Wäre der Begriff nicht für Wagner besetzt, müsste man die „Grand Opéra“ als das typische Gesamtkunstwerk des 19. Jahrhunderts bezeichnen.
Typisch für die Handlungsverläufe ist eine Verschränkung von
großer Staatsaktion und privatem Glück und Unglück. Die Staatsaktion folgt fast
immer einer markanten historischen Gegebenheit. Die Hauptakteure sind
Protagonisten der Geschichte (mehr oder weniger von Legenden umrankt), dazu
kommen erfundene Figuren, deren Schicksal sich mit der Geschichte verschränkt.
Ein Modell dafür hatten bereits Shakespeare und Schiller geliefert – Don Carlos wurde 1865 von Giuseppe Verdi
für eine späte „grand opéra“ verwendet, Hamlet
1868 von Ambroise Thomas, Wilhelm Tell aber steht ganz am Anfang dieser Kunstform,
1829 von Rossini vertont.
Les huguenots ist
1836 die erste Oper, in der das Pariser Publikum gezwungen wurde, sich mit der
eigenen Geschichte auseinanderzusetzen, davor ging es immer um mehr oder
weniger entfernte Schauplätze: Guillaume
Tell (1828, Schweiz), La muette de
Portici (1829, Neapel), Robert le
diable (1831, Sizilien), Gustave III
(1833, Schweden), La Juive (1835,
Konstanz).
Les huguenots
gehörte im 19. Jahrhundert zu den beliebtesten Opern überhaupt. Am Beginn des
20. Jahrhunderts gab es durch das wachsende Interesse an Wagner, Verdi,
Puccini, Strauss bereits einen Rückgang bei den Aufführungszahlen. Ab 1933 war
die Oper wie alle Werke von jüdischen Komponisten in Deutschland verboten. Nach
dem 2. Weltkrieg kamen die Werke Meyerbeers nur schleppend wieder auf die
Spielpläne. Die Deutsche Oper Berlin wagte 1987 mit einer stark gekürzten
Inszenierung der Hugenotten (in
deutscher Sprache) einen Neuanfang. Jetzt kommt es erneut zu einer
Auseinandersetzung mit diesem wichtigen Werk des 19. Jahrhunderts, das
inzwischen auch in einer historisch-kritischen Neuausgabe vorliegt. Es ist also
viel Neues zu entdecken, auch für diejenigen, die die Aufführung damals gesehen
haben oder eine DVD davon besitzen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.