Dienstag, 1. März 2016

Ein Vampir in Schottland

Nachdem schon Polidoris Vampir seltsamerweise aus London und gar nicht aus einer Gegend kommt, die man mit Graf Dracula und seinen Abkömmlingen in Verbindung bringt, versetzt die die Bühnenfassung das Geschehen noch weiter nach Norden. Der erste Akt von Der Vampyr oder Die Todten-Braut von »L. Ritter« (die Übersetzung von Charles Nodiers Pariser Schauer-Revue nach Polidoris Erzählung) beginnt »Im Schlosse zu Staffa«. Staffa ist eine unbewohnte kleine Insel der Inneren Hebriden – ein Schloss gibt es da in der realen Welt nicht. Berühmt ist die Insel wegen der »Fingal's Cave«, die Mendelssohn bei seiner Reise durch Schottland im Jahr nach der Uraufführung der Beiden Vampir-Opern von Marschner und Lindpaintner besuchte, und die ihn zu seiner Hebriden-Ouvertüre inspirierte. Genau dort, in Fingals Höhle, ist das Vorspiel des Vampyrs von Nodier angesiedelt. Schottland als austragungsort schauerlicher Geschichten war vor allem durch Sir Walter Scott in den Jahren davor in Mode gekommen. Rossini hatte bereits 1819 in Neapel La donna del lago nach Scotts The Lady of the Lake herausgebracht.
Zwei Aufzüge, vier Bilder, 20 musikalische Nummern enthält die Oper von von Heinrich Marschner, die seit 1924 oft in einer Bearbeitung von Hans Pfitzner gespielt wird. Eine kritische Ausgabe des Originals lässt noch auf sich warten. Das erste Bild des ersten Aktes spielt in einer wilden Gegend, wo sich Vampire treffen. Musikalisch könnte das auch die Wolfsschucht sein. Und noch mehr erinnert uns an den Freischütz: Ein Vampir, dessen Zeit abgelaufen ist, verlangt nach einer letzten Frist. Der Meister gewährt sie ihm unter der Voraussetzung, dass er binnen 24 Stunden drei neue Opfer bringt. Das erste naht schon, Janthe. Nach einer einzige Arie, die sich am Ende zum Duett mit dem Vampir weitet, wird sie gebissen, aber die Rächer sind auf der Spur, der Vampir wird tödlich verwundet. Wie kommt er nun ins Mondlicht, damit er wieder genesen kann? Unter den Verfolgern ist auch einer, dem er einst das Leben gerettet hat, und den er daher in der Hand hat. Der Vampir ist natürlich Bariton, Lord Ruthven, der Helfer Tenor, Aubry. Das zweite Bild spielt in einem Saal im Schlosse Davenaut. Davenaut ist der Vater von Aubrys Geliebter Malwina. Der hat seine Tochter jedoch einem Fremden versprochen. Der Fremde ist kein Anderer als Ruthven und Aubry kann abermals nichts machen, als der – gesundet – den Saal betritt. Die Hochzeit soll noch am selben Tag stattfinden. Malwina ist von Ruthven als drittes Opfer ausersehen, im ersten Bild – Garten und Schloss – des zweiten Aktes lernen wir das zweite kennen, Emmy. Sie ist Wagners musikalisches Vorbild für Senta. Emmy steht kurz vor ihrer Hochzeit mit George Dibdin. Aber sie träumt von etwas Anderem. Sie gibt eine Romanze zum Besten »Sieh, Mutter, dort den bleichen Mann.« Der bleiche Mann tritt ein. Nach einem Terzett Emmy-George-Ruthven, dessen Ende unbestimmt bleibt, kommt es zur »Großen Szene«, Nr. 14, zwischen Aubry und Ruthven, aus der Ruthven abermals triumphierend herausgeht. Mit zwei äußerst kontrastierenden Szenen endet das erste Bild des zwiten Aktes: Ruthven hat Emmy nun allein für sich, sie singen ein Duett mit konzertierender Posaune; darauf folgt eine Trinkszene, wie sie von Flotow (in Alessandro Stradella und Martha) und Nicolai (Die lustigen Weiber von Windsor) nicht mehr übertroffen wurde. Das zweite Bild des zweiten Aktes spielt wieder im Schloss Davenaut. Die Hochzeit wird fieberhaft vorbereitet, aber Malvina weiß den Akt zu verzögern und auch Aubry ist wieder da. Kaum schlägt es ein Uhr, platzt er mit der Sensation heraus: Ruthven ist ein Vampir. Der zerfällt nun, weil er keine drei Opfer gebracht hat, wie man es erwartet, zu Staub.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.