Montag, 29. Februar 2016

Vampire

Wenn man annimmt, dass das Interesse an Vampiren tatsächlich nach dem Sommer 1816 sprunghaft angestiegen ist, dann kommen diese noch in einem weiteren Sinne aus dem Dunkel. Ein Wettstreit der englischen Dichter Lord Byron, Mary Shelley, Percy Basshe Shelley und John Polidori am Genfersee in jenem Sommer brachte die Erzählungen The Vampyre und Frankenstein oder Der moderne Prometheus hervor. Während die Autorschaft bei Frankenstein nie bezweifelt wurde – Mary Shelley schrieb sie nieder – gab es in Bezug auf den Vampyr zuerst eine Irritation. Byron, Percy Shelley und John Polidori hatten sich alle eine Vampir-Geschichte ausgedacht, doch Byron brachte nur ein Fragment of a Novel zu Papier, das erst viel später veröffentlich wurde, nur John Polidori brachte sein Werk (The Vampyre)drei Jahre später zu Ende, veröffentlicht wurde es allerdings zuerst unter Byrons Namen. Das Dunkel des Sommers 1816 war verursacht vom Ausbruch eines indonesischen Vulkans im April 1815, der eine der größten Klimakatastrophen der Geschichte nach sich zog.
Der Glaube an Vampire war indessen schon etwas länger verbreitet. Im Jahrhundert der Aufklärung wurde mit Gesetzen dagegen vorgegangen. Maria Theresia erließ 1755 eine Gesetz Der Aberglauben ist abzustellen. Hintergrund dafür sind Vorkommnisse in Mähren, wo die Leichname von angeblichen Vampiren exhumiert und verbrannt worden waren. Wenn sich künftig entsprechende Gerüchte über Verstorbene verbreiteten, sollte das den kaiserlichen Behörden angezeigt und ein »vernünftiger Phisikus« zur Untersuchung der Sache herbeigezogen werden. Schon 22 Jahre davor hatte der Hannoveraner Theologe und Historiker Johann Christoph Harenberg (1696–1774) Vernünftige und Christliche Gedancken Uber die Vampirs Oder Bluhtsaugende Todten, So unter den Türcken und auf den Gräntzen des Servien-Landes den lebenden Menschen und Viehe das Bluht aussaugen sollen verfasst. Interessant ist, dass hier die Türkei angesprochen ist (dort spielt Fragment of a Novel) und mit den »Gräntzen des Servien-Landes« Transsylvanien, wo Graf Dracula sein historisches Vorbild hat. Die älteste historische Quelle finden Vampirforscher in der 1670 veröffentlichten lateinischen Abhandlung De Miraculis Mortuorum (Über die Wunder der Toten), die erste literarische Verarbeitung des Vampirglaubens ist die Schauer-Ballade Lenore (1773) von Gottfried August Bürger (1747–1794).
Polidoris Erzählung führt zwar auch nach Rom und Griechenland, wo Lord Ruthven stirbt und als Vampir wieder geboren wird, spielt aber zur Hauptsache in London. Schnell kam die Geschichte auch auf die Bühne. Alexandre Piccinni (1779–1850, Enkel des weit berühmteren Gluck-Rivalen Niccolò Piccinni) schrieb die Musik zu einer von Charles Nodier (1780–1844) verfassten Revue, die 1820 in Paris im Théâtre de la Porte Saint-Martin aufgeführt wurde. 1822 erschien in Braunschweig eine deutsche Übersetzung des Textes von Nodier von »L. Ritter«, die zur Grundlage für zwei deutsche Opern wurde, beide mit dem Tital Der Vampyr. Die erste, am 29. März 1828 in Leipzig uraufgeführt, stammt von Heinrich Marschner (1795–1861), die zweite, am 21. September 1828 in Stuttgart uraufgeführt, von Peter Josef von Lindtpaintner (auch: Lindpaintner, 1791–1856).
Schon am Tag der Hochzeit mit der Sängerin Marianne Wohlbrück (1804–1854), also am 3. Juli 1826 in Dresden soll Heinrich Marschner mit seinem Schwager Wilhelm August Wohlbrück über den Plan, eine Vampir-Oper zu schreiben, gesprochen haben. In weniger als zwei Jahren entstand die Oper dann, die ganz in der Tradition von Webers Freischütz steht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.