Dienstag, 15. März 2016

Der Sänger, Komponist, Diplomat und Päpstliche Vikar Agostino Steffani

Die Familie Steffanis stammte aus dem venezianischen Raum, etwa 80 Jahre vor seiner Geburt am 25. Juli 1654 waren seine Vorfahren von Padua in die zwischen Treviso und Vicenza gelegene Kleinstadt Castelfranco del Veneto gezogen. Agostino scheint eine sehr schöne Stimme gehabt zu haben und schon mit zehn Jahren findet man ihn wieder in Padua als Kirchensänger in der berühmten Basilika des heiligen Antonius mit ihren acht Kuppeln. Schon mit elf Jahren ist auch ein Ausflug in die Stadt bezeigt, wo es zwar weniger, nämlich fünf, dafür aber berühmtere Kuppeln gibt. Er kam nach Venedig allerdings nicht, um im Markusdom zu singen, sondern um in einer Oper aufzutreten. Es könnte Demetrio gewesen sein von Carlo Pallavicino (ca. 1630–1688), einem seiner Zeit berühmten Komponisten, der in Dresden und in Venedig wirkte. Kurfürst Ferdinand Maria von Bayern wurde auf den Jungen aufmerksam und holte ihn nach München. Das war vermutlich sein Glück. Er ist dort zwar immer noch als Knabensopran aufgetreten, aber niemand wollte dort die Sopranstimme für alle Zeiten erhalten. Hier irrt Donna Leon definitiv, wenn sie in ihrem Roman Himmlische Juwelen aus Steffani einen Kastraten macht. Seien wir trotzdem froh, dass Donna Leon den Roman geschrieben hat und Cecilia Bartoli eine CD dazu herausgegeben. Ohne dies wäre es vielleicht nicht zu einer Wiederentdeckung der Oper Amor vien dal destino gekommen, der wir jetzt in der Staatsoper im Schillertheater entgegensehen können. Ein beschwingtes Duett und eine Szene mit Chor aus dieser Oper singt La Bartoli mit Philippe Jarroussky auf der CD. Das wird sicher mit René Jacobs und einem Ensemble mit u. a. Robin Johannsen und Katarina Bradić anders klingen.
In München bekam Steffani vermutlich nach dem Stimmbruch Orgelunterricht bei Johann Caspar Kerll (1627–1693), den alle Organisten als Wegbereiter Johann Sebastian Bachs kennen. Kerll schrieb auch eine Reihe von Opern, die allerdings bis auf eine einzige verloren sind. Vermutlich ist Steffani 1667 noch in Le pretensioni del sole aufgetreten. 1672 ging er zum weiteren Studium nach Rom. Als sein Lehrer Ercole Bernabei (1622–1687) zwei Jahre später als Kapellmeister nach München berufen wird, geht er mit und bleibt nun weitere 14 Jahre. Er lässt sein erstes Werk drucken, Psalmodia vespertina, das 100 Jahre später von dem berühmten »Padre Martini«, Giovanni Battista Martini (1706–1784), in seiner Kompositionslehre Saggio fondamentale pratico di contrapunto sopra il canto fermo zitiert wird. 1678 und 1679 reiste Steffani nach Paris, wo er die Musik Lullys kennen lernte und vielleicht auch bei der Premiere dessen Bellérophon dabei war. 1681 wurde der offizielle Posten des Kammermusikdirektors für ihn geschaffen und in diesem Jahr wurde auch seine erste Oper aufgeführt, Marco Aurelio. Er schrieb noch vier weitere Opern für München, aber er entwickelte hier auch ein neues, ganz anderes Betätigungsfeld. Er wurde ausgeschickt, die Möglichkeiten einer Heirat des Kurfürsten Max II. Emanuel mit der Prinzessin Sophie Charlotte von Hannover auszuloten. Es machte ja dann ein ganz anderer das Rennen, wie wir geschichtsbewussten Charlottenburger wissen, aber Steffani, der zu Geheimverhandlungen nach Hannover, Düsseldorf und Wien gereist war, knüpfte dabei auch für sich wichtige Kontakte. Max Emanuel musste dann auf Drängen des Kaisers Leopold Maria Antonia von Österreich heiraten – und Steffani schrieb die Krönungsoper dafür, Servio Tullio (1686).
1688 verließ Steffani München, nachdem nicht er, sondern der Sohn von Bernabei zum neuen Kapellmeister ernannt wurde. Er ging für die nächsten 15 Jahre nach Hannover, wo er für das neu gebaute Theater im Schloss Henrico Leone (Uraufführung am 30. Januar 1689) schuf. Auch hier wurde er bald mit diplomatischen Aufgaben betraut und fuhr in offiziellen Missionen nach Wien, wo er erreichte, dass Hannover zum Kurfürstentum wurde, und nach Brüssel, wo er die Positionen im spanischen Erbfolgekrieg sondierte. Die Oper Il turno nach Vergils Aeneis hat er vermutlich in Hannover komponiert. Zu einer Aufführung ist es allerdings nicht gekommen. Es wird darüber spekuliert, ob die Aufführung 1694 der »Königsmarck-Affäre« zum Opfer gefallen ist, oder ob sie einfach nicht mehr aufgeführt wurde, weil Ernst August von Braunschweig-Calenberg (1629–1698), der Kurfürst, starb. Die »Königsmarck-Affäre« um den verschwundenen Liebhaber der Erbprinzessin Sophia Dorothea wäre ein wunderbarer Opernstoff, aber in der künstlerisch hat sie sich nur in Romanen und Filmen niedergeschlagen. In der Wanderungen durch die Mark Brandenburg zitiert Theodor Fontane ein Volkslied dazu. I trionfi del fato, ebenfalls nach Vergils Aeneis und Ab urbe condita von Titus Livius, wurde in Hannover 1695 aufgeführt und kam in deutscher Übersetzung auch in der Hamburger Gänsemarkt-Oper zur Aufführung.
Steffani blieb noch bis 1703 als Diplomat in Hannover, dann ging er in die Dienste des »Kurfürsten von der Pfalz« Johann Wilhelm II. nach Düsseldorf. In der ersten Zeit war er auch hier vor allem als Diplomat tätig und seine geistliche Karriere kam zu ihrem Höhepunkt mit der Ernennung zum Apostolischen Vikar in Norddeutschland im Jahre 1709. In diesem Jahr kam in Düsseldorf auch die nach Henrico Leone berühmteste Oper von Steffani zur Uraufführung, Il Tassilone. Außerdem wurde Il turno jetzt unter dem Titel Amor vien dal destino gespielt. 1720 knüpfte er Kontakt mit London, wo der Plan bestand, seinen Tassilone aufzuführen, ein Vorhaben, das allerdings nicht umgestezt wurde. 1722 zog er sich nach Padua zurück, doch der Papst schickte ihn 1725 wieder nach Hannover. Die Einkünfte, die aus seinen weit verstreuten geistlichen Ämtern kamen, flossen spärlich, seine Stellvertreter vor Ort waren offensichltich unzuverlässig. So entschloss er sich, einige Besitztümer zu verkaufen und begab sich 1727 nach Frankfurt, wo er im Winter 1727/1728 erkrankte und am 12. Februar 1728 starb.

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