Die 13 Aufführungen des Propheten an der Städtischen Oper Berlin in der Zeit von 1927 bis 1931 dürften zu den letzten gehört haben, bevor das Werk für lange Zeit von den Spielplänen verschwand. Nach dem 2. Weltkrieg gehörte die Deutsche Oper Berlin zu den ersten Bühnen, die es wieder wagten, dem Publikum den von Richard Wagner so geschmähten Komponisten vorzusetzen – mit vorerst durchschlagendem Misserfolg.
Die Produktion von 1927 war eine typische für die Ära Bruno Walters. Im Vordergrund stand die musikalische Interpretation. In der für Pauline Viardot-García geschriebenen Rolle der Fidès brillierte Sigrid Onegin, die Bruno Walter aus München kannte und schätzte und die inzwischen an der Metropolitan Opera in New York debütiert hatte. Die Arie aus dem 5. Akt hat sie in der Originalsprache auch auf Schallplatte aufgenommen (hier auf Youtube zu hören). Erik Enderlein sang den Propheten Johann von Leyden, 1930 gastierte offenbar Lauritz Melchior (einen entsprechenden Besetzungszettel habe ich nicht, aber in der Enzyklopädie des Musiktheaters gibt es einen diesbezüglichen Hinweis). Von Lauritz Melchior, der wie Erik Enderlein ein berühmter Siegfried war, gibt es nur eine Meyerbeer-Aufnahme, nämlich die berühmte Arie aus der Afrikanerin. Bertha wurde von Grete Stückgold gesungen, ebenfalls von Bruno Walter engagiert und nur in seiner Zeit im Ensemble der Städtischen Oper. Sie stand zu dem Zeitpunkt unmittelbar vor ihrem Met-Debüt (Eva in Die Meistersinger von Nürnberg).
Ob man die Inszenierung von Eberhard Müller nach heutigen Maßstäben überhaupt als Neuinszenierung durchgehen lassen würde, ist fraglich. Bühnenbilder und Kostüme stammten aus dem »Fundus der Städtischen Oper«. Aber neu war gegenüber der Vorgänger-Inszenierung von 1920 (Regie: Felix Lagenpusch; Bühne und Kostüme: Atelier Hartwig / Leopold Verch) die Nennung einer Choreographin für das Schlittschuhläufer-Ballett, Lizzie Maudrik. Die Protagonisten 1920 waren Rudolf Laubenthal und Emma Vilmar-Hansen.
1962 sang James McCracken die Rolle zum ersten Mal in Zürich und das war vermutlich die erste Aufführung der Oper nach dem 2. Weltkrieg überhaupt. Die Rolle der Fidès sang seine Gattin Sandra Warfield, die wie er fest am Stadttheater Zürich (so hieß das Opernhaus damals) engagiert war. Beide sangen auch in der legendär erfolglosen Aufführung an der Deutschen Oper Berlin 1966. 1970 wagte die RAI in Turin eine konzertante Aufführung mit Marilyn Horne und Nicolai Gedda unter der musikalischen Leitung von Henry Lewis. Dieser dirigierte 1977 das Werk auch an der Metropolitan Opera (nach einer Pause von 49 Jahren) mit Marilyn Horne und James McCracken. Die Premiere ist als Stream auf der Homepage der Met (gegen Geld) herunterzuladen, eine Schallplattenaufnahme wurde im Anschluss daran produziert, die jedoch derzeit nicht lieferbar ist.
In neuerer (?) Zeit gab es noch eine Aufführung an der Wiener Staatsoper mit Agnes Baltsa und Placido Domingo, der Regisseur war Hans Neuenfels, es dirigierte Marcello Viotti. Und natürlich gehört die Oper auch in die neue Meyerbeer-Werkausgabe von Ricordi. Der Herausgeber Matthias Brzoska, der auch am Meyerbeer-Symposion der Deutschen Oper Berlin Ende September teilnahm, hat bereits 2004 eine Aufführung in Münster auf die Beine gestellt, die einige der neuen Erkenntnisse über die Gestalt des Werks zur Diskussion stellte. Und vor kurzem ist jetzt in Braunschweig eine (auf 3 1/2 Stunden inklusive Pause gekürzte) Inszenierung herausgekommen. Obwohl es sich beim Prophet um eines der zentralen Werke Meyerbeers handelt, ist die Aufführungsgeschichte der letzten hundert Jahre recht dünn.
Wie bei allen Opern, die im 19. Jahrhundert an der Pariser Opéra herauskamen, ist auch beim Prophet die letzte Probenphase ganz entscheidend für die endgültige Gestalt des Werks. Die Gesangspartien wurden den aktuellen Sängern angepasst, instrumentale Stücke, die bei ersten Proben nicht die erwartete Wirkung hervorbrachten, wurden gekürzt oder ganz weggelassen. So ging es dem Komponisten gleich bei der Ouvertüre, er ließ sich schnell überreden, sie wegzulassen. Bei manchen anderen Stücken ist die Sache komplizierter, wie wir sehen werden.
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