Montag, 10. März 2014

Donizetti: L'elisir d'amore

In einer Woche beginnen die Proben für L'elisir d'amore, den Liebestrank von Gaetano Donizetti. Es inzeniert Irina Brook, die Tochter des Theatermagiers Peter Brook. Wie angekündigt, schauen wir uns das Werk daher schon etwas näher an. Auf den ersten Blick scheint es , dass hier einmal im Italien des 19. Jahrhunderts ein Stoff verarbeitet wird, der für die Oper erfunden wurde und nicht vorher schon als Theaterstück oder Roman existierte. Als Vorlage ist nämlich zuallererst eine französische Oper zu nennen, die von Eugène Scribe getextet und von D. F. E. Auber komponiert wurde. Le philtre (Der Zaubertrank), soll aber ihrerseits auf eine italienische Vorlage zurückgehen, eine Komödie von Silvio Malaperta, von dem sonst nichts weiter bekannt ist. Bekannt aber ist eine französische Nachdichtung dieses Il filtro. Kein Geringerer als Stendhal hat den Gegenstand in eine Novelle gefasst, Le philtre »imité de l'italien de Silvia Malaperta« kam 1830 noch vor der Julirevolution und wenige Monate vor dem Meisterwerk Le rouge et le noir heraus. Danach also ist es eine Silvia und nicht ein Silvio Malaperta und wenn man die Novelle liest, so kommen einem weitere Zweifel. Es gibt sie auch in deutscher Sprache und es gibt sogar ein Hörbuch von Anna Thalbach, auf dem sie zu hören ist unter dem Titel Der Liebestrank. Mit Auber und Donizetti hat diese Geschichte allerdings nur gemeinsam, dass darin ein Liebestrank und ein Offizier vorkommt. Eine Frau, Léonore, erzählt einem Offizier, Liéven die Geschichte ihrer Untreue. Sie hat mit 15 einen vierzig Jahre älteren Mann, Ferrandez, geheiratet, den sie nicht liebt. Im Variéte lernt sie einen Gaukler kennen, Mayral, in den sie sich verliebt. Sie liebt ihn auch noch, als er sie bestiehlt und abhaut. Deswegen glaubt sie, er habe ihr einen Liebestrank eingeflößt.
Von Stendhal (und Malaperta, vorausgesetzt, ihn oder sie gibt es tatsächlich und nicht nur als Feigenblatt von Stendhal) haben Scribe und Auber also nur die Idee, eine an sich konventionelle Handlung durch das Motiv eines Liebetranks, wie es in der alten Legende von Tristan und Isolde vorkommt, zu würzen. Schon im Juni 1831 (15. oder 20. je nach Quelle) kam Le philtre an der Opéra heraus und blieb 31 Jahre im Repertoire. Nicht an der Opéra-Comique wie fälschlicherweise da und dort verbreitet. Es ist nämlich keine opéra comique (es gibt keine Dialoge) wenn auch natürlich weder eine tragédie noch eine historische oder Revolutionsoper. Die ersten Kräfte der Opéra waren an der Premiere  beteiligt, den Guillaume (Vorbild für Nemorino) sang Adolphe Nourrit, der auch die großen Opern der Zeit zum Erfolg geführt hatte und führen wird - La muette de Portici, Guillaume Tell, Robert le diable, Les huguenots. Julie Aimée Dorus-Gras, die noch am Anfang ihrer Karriere stand, später aber die Rollen der Laure Cinti-Damoreau übernahm und 1836 in der Premiere der huguenots die Marguerite sang, war Térézine, das Vorbild für Adina. Nicolas Levasseur, der zukünftige Marcel (in Les huguenots) war Docteur Fontanarose, der Scharlatan. Henri-Bernard Dabadie (Sergeant Jolicœur) war es vielleicht, der Felice Romani auf die Oper von Auber aufmerksam machte. Er gehörte nämlich 1832 zum Ensemble des Teatro Canobbiana, von dessen Impresario, Alessandro Lanari, Donizetti den kurzfristigen Auftrag erhielt. Er erhielt die Rolle des Belcore, die einzige Hauptrolle, deren Name dem Original von Scribe entnommen ist.
Einige der Unterschiede zwischen dem Libretto Scribes und dem Libretto Romanis gehen auf die Intevrention Donizettis zurück. So die berühmteste Nummer der Oper, die Romanze Una furtiva lacrima. Donizetti hatte 1830 in Mailand mit Anna Bolena im Teatro Carcano Fuß gefasst, das war sein größter Erfolg bis dahin und machte ihn mit einem Schlag berühmt auch im Ausland. Gianni di Parigi (1831) und Ugo, conte di Parigi (1832) an der Scala waren jedoch eher Misserfolge. Lanari, dessen Truppe auch an der Scala sang (Giuditta Pasta und Giulia Grisi traten sowohl in Norma als auch in Ugo, conte di Parigi auf) glaubte aber offensichtlich an Donizetti mit der Komposition einer neuen Oper für das Teatro Carcano. Auch hier war die Besetzung erstklassig. Die Adina wurde von Sabine Heinefetter gesungen, eine der wenigen deutschen Gesangsstars in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das Damen-Konversations-Lexicon von 1834 weiß zu sagen: »Ihre Darstellungen werden durch eine schöne, imposante Persönlichkeit gehoben. Ihre Figur ist schlank, das Gesicht edel, voll Ausdruck und Feuer, Augen und Haare rabenschwarz; ihre Gesammtwirkung hat beinahe etwas Männliches.« Der 25-jährige Giambattista Genero erhielt in letzter Minute von Donizetti die Romanze mit der er brillierte. Giuseppe Frezzolini, der Bassbuffo, der den Dulcamara sang, war der Vater von Erminia Frezzolini, Verdis Giovanna d'Arco und Giselda (I Lombardi alla prima crociata). Daonizetti selbst war allerdings nicht begeistert von der Besetzung und äußerte sich brieflich sehr abschätzig. Doch aller widrigen Umstände zum Trotz errang er mit der Premiere einen riesigen Erfolg, der Bellinis La sonnambula, ein Jahr davor am Teatro Carcano uraufgeführt, in nichts nachstand.
Zwei komische Opern des 18. Jahrhunderts haben bereits mit dem Motiv der Quacksalberei und der Magie operiert: Le devin du village von Jacques Rousseau und Bastien und Bastienne von Wolfgang Amadeus Mozart. Diese beiden Opern werden wir ebenso in die Betrachtungen über L'elisir d'amore einbeziehen wie Gilbert und Sullivans große Paraphrase der Donizetti-Oper The Sorcerer.

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