Melville gibt gleich im ersten Satz seines Romans eine Zeitangabe: »Das Jahr 1797, in welchem diese Geschichte spielt, eröffnete eine neue Epoche für die
Welt und brachte für die Christenheit eine Krise herauf, von einer
damals noch unabsehbaren Gewalt, wie sie die Völker seither nicht wieder
erlebt haben. Die Zeit forderte die Beseitigung der Erbübel, an denen
die alte Welt krankte.« Das ist das letzte Jahr des ersten Koalitionskrieges, den Österreich und Preußen seit 1792 gegen Frankreichs Revolutionäre führten. England trat dem konservativen Bündnis bei und bekam am 1. Februar 1793 die Rechnung aus Paris. Der französische Nationalkonvent erklärte ihm und gleichzeitig den Niederlanden elf Tage nach der Hinrichtung Ludwigs XVI. den Krieg. Die englische Marine blockierte nun die französische Küste, zurst nur, um die Landeinheiten zu unterstützen, aber spätestens mit der Schlacht am 13. Prairial am 1. Juni 1794 begann auch ein Seekrieg, wo die Engländer die französischen Kriegsschiffe angriffen, die einen Versorgungskonvoi aus Amerika begleiteten. An der Seeschlacht bei Kap St. Vincent im Februar 1797, die offenbar den Hintergrund für Melvilles Roman bildet, waren allerdings keine Französen beteiligt. Es handelte sich um eine Schalcht zwischen der britischen und der spanischen Flotte am Norwestzipfel Spaniens. Zum Setting Melvilles passt, dass es in diesem Jahr in der britischen Flotte auch zu Meutereien kam. Was aber eben nicht passt ist, dass die Gegner Franzosen sind. Es ist die Schlacht, in der Nelson einen Befehl des Admirals Jervis missachtete und dadurch den Sieg errang. Anders als der Prinz von Homburg wird er nicht vor ein Kriegsgericht gestellt, sondern sofort belobigt, zum Knight erhoben und zum Rear Admiral of the Blue befördert. Da hatte er noch beide Arme, erst auf den Kanaren verlor er den rechten im Sommer des gleichen Jahrs. Die nächste große Schlacht, bei der er den nächsten großen Sieg errang, fand am 1. August 1798 in der Nilmündung statt; jetzt waren wirklich die Franzosen die Gegner. Vielleicht ist das der Grund, weswegen die Bühnenfassung von Louis O. Cox und Robert Chapman, die 1951 am Broadway herauskam und die dem Film mit Peter Ustinov (Die Verdammten der Meere) zugrundeliegt, nicht 1797 wie Brittens Oper, sondern 1798 spielt. Ein Schiff mit dem Namen Indomitable war an keiner der beiden Schlachten beteiligt, der Name wurde offenbar erst im 20. Jahrhundert in der britischen Marine verwendet, zuerst (1907) für einen Kreuzer, dann (1940) für einen Flugzeugträger. 1797 allerding gab es ein Schiff mit dem Namen Irresistible, das Melville vielleicht zu seiner Namensgebung inspirierte (in einer anderen Fassung des Romans heißt es Bellipotent).
Entscheidend für die Interpretation der Oper ist all das natürlich nicht, aber interessant ist es schon, zu sehen wie ein Romanautor verschiedene Elemente aus der realen Geschichte übereinanderschiebt, um eine Situation zu schaffen.
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