Die Sage von Tristan und Isolde ist uns hauptsächlich durch Gottfried von Straßburg überliefert, musikalisch steht Richard Wagners »Handlung in drei Aufzügen« Tristan und Isolde für unser Verständnis dieses unsterblichen Liebespaares. Dabei bietet uns Wagner eigentlich nur einen Ausschnitt aus der Lebens- und Entwicklungsgeschichte dieses Helden, ja Helden, so wird es mehrfach betont im Libretto – und man fragt sich, wieso Tristan denn überhaupt ein Held ist. Weil er zur See fahren kann? Das können viele andere auch. Weil er sich so gut verstellen kann? Das wäre ein eher zweifalhaftes Heldentum? Nein, die Sagengestalt des Tristan hat durchaus Züge typischer Helden wie etwa des Siegfried. So tötet er nicht nur einen Riesen (den Onkel, nicht den Verlobten wie Wagner sagt) Isoldes. Und er befreit Irland von eine gefährlichen Drachen. Das alles kommt bei Wagner nicht vor. Und vor allem gibt es bei Wagner nur eine Isolde, während in fast allen anderen Bearbeitungen eine zweite Isolde, Isolde Weißhand, auftaucht, die Tristan schließlich heiratet, nachdem er ohne Isolde (die blonde genannt, wenn zwischen den beiden unterschieden wird) vom Hof Markes ziehen musste.
In Cronwall musste ein DRVSDANVS seit dem 6. Jahrhundert bekant gewesen sein, aus dieser Zeit stammt eine Stele mit der genannten Inschrift. Literarisch gefasst begegnen wir der Sage von Tristan und Isolde erstmals im 12. Jahrhundert. Sowohl der altfranzösische Dichter und Spielmann Béroul wie auch der bretonsiche Dichter Thomas d'Angleterre (auch: Thomas de Bretagne), der für den englischen Hof schrieb, verfassten ind den 1170er-Jahren Tristan-Dichtungen, die zumindest in Teilen erhalten sind. Die erste deutsche Fassung schrieb unter dem Einfluss von Béroul zwischen 1170 und 1200 Eilhart von Oberg. Auch Chrétien de Troyes (ca. 1140 – ca. 1190), den wir vor allem als Verfasser eines Perceval (und damit Vorbild für Gottfried) kennen, schrieb einen Tristan-Roman, der jedoch verschollen ist. Die Romane von Béroul wie von Thomas sind nur unvollständig erhalten, von Béroul existiert das Mittelstück, von Thomas der Schluss. Béroul jedoch wurde zusammengefasst ins Altnordische übersetzt, was erhalten ist und Thomas war die Vorlage für Gottfried von Straßburg, dessen Roman jedoch unvollendet blieb. Wer sich ohne die Mühe, ins Mittelhochdeutsche eindringen zu müssen, einen Überblick über die gesamte Handlung des Tristan, wie sie von Gottfried von Straßburg und dem ergänzenden Ulrich von Türheim überliefert ist, verschaffen will, dem sei das Taschenbuch Tristan und Isolde: Neu erzählt von Günter de Bruyn ans Herz gelegt. Interessant ist, dass es aus der Zeit Bérouls und Thomas' auch eine persische Variante des Stoffes von der unglücklichen Liebe gibt.
Mit dem neu erwachten Interesse an mittelalterlichen Dichtungen Ende des 18. Jahrhunderts kamen auch die Tristan-Romane wieder ins Bewusstsein und wurden erstmals in der Neuzeit ediert. Eine ganze Reihe von Dramen und epischen Dichtungen entstanden ab der Zeit bis ins 20. Jahrhundert, jedoch wurden alle überstrahlt durch die Oper Richard Wagners. In den 1940er-Jahren jedoch kam es zu zwei bedeutenden Neubearbeitungen des Stoffes, beide aus dem französischen Sprachraum. Jean Cocteau schrieb das Szenario und die Dialoge für den Film L'Eternel retour, der 1943 von Jean Delannoy gedreht wurde und 1946 unter dem Titel Der ewige Bann in die deutschen Kinos kam. Der Pullover, den Jean Marais darin trug, wurde zu einer Mode, er selbst zum Star. Seit 1938 hatte der junge französisch-schweizerische Komponist Frank Martin bereits an seiner Version des Stoffes gearbeitet: Le vin herbé, weltliches Oratorium. Als Oratorium wurde das Werk 1942 in Zürich uraufgeführt, 1948 kam es in szenischer Form in Salzburg heraus. Es dirigierte Ferenc Fricsay, Oscar Fritz Schuh inszenierte in einer Ausstattung von Caspar Neher.
Nach seinen eigenen Worten hat Frank Martin mit Le vin herbé seinen Personalstil gefunden. Das Werk stellt den größt möglichen Gegensatz zu Wagners Musikdrama dar. Es erinnert in seiner Verknappung und Konzentration der Mittel an ein anderes Werk, das während des Krieges in der Schweiz entstand, als Igor Strawinskys L'histoire du soldat. Wie dieses ist es primär musikalisch gedacht und ist eher eine Erzählung als ein Bühnenwerk. Das Orchester ist noch konzentrierter als bei Strawinsky, es umfasst nur acht Spieler, darunter gar kein Schlagzeug und keine Bläser, nur ein Streichsextett aus je zwei Violinen, Bratschen und Violoncelli sowie Kontrabass und Klavier. Aus dem zwölfstimmigen Kammerchor, der nach antikem Vorbild eine Art Spielleitung übernimmt mit Erzähltexten, treten einige Solostimmen heraus: die Mutter der Isot (Alt), Isot die Blonde (Sopran), Brangäne (Mezzosopran), Isot die Weißhändige (Alt), Tristan (Tenor), Kaherdin (Tenor), Mark (Bariton).
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