Heute haben die Proben für die Neuproduktion Lohengrin an der Deutschen Oper Berlin begonnen, Premiere ist in sechs Wochen, am 15. April. Das ist Anlass genug die nächsten beiden Zehlendorfer Operngespräche mit Wagners letzter »Romantischer Oper« zu verbingen. Ein Wort zur Romantik vorweg: 1845, als Wagner im Sommer, wenige Wochen vor der Uraufführung des Tannhäuser, den ersten Prosaentwurf zum Lohengrin verfasste, haftete diesem Begriff noch nichts Retrospektives an. Eine Oper als »romantisch« zu bezeichnen, bedeutete auch, sie als zeitgemäß, zeitgenössisch zu verankern.
Loherangrîn und sein Zwillingsbruder Kardeiz sind in Wolfram von Eschenbachs Parzival die Söhne des Titelhelden und seiner Frau Condwîr âmûrs. Sehr viel erfahren wir allerdings aus dem Epos nicht über die beiden, außer dass Kardeiz die weltlichen Länder Parzivals erbt und Lohengrin sein Nachfolger im Dienst am Gral wird. Es ist ein anonymes Lohengrin-Epos aus dem 13. Jahrhundert, das Wagner in diesem Sommerurlaub in Marienbad neben dem Parzival und der Literaturgeschichte von Gervinus liest, und das ihn drei Wochen nach dem Prosa-Entwurf für Die Meistersinger von Nürnberg auch zum Prosaentwurf Lohengrin inspiriert. Im Geburtsjahr Wagners, 1813, veröffentlichte Joseph von Görres dieses Gedicht nach einer Abschrift in der vatikanischen Bibliothek. Hier ist das Buch online zu lesen. Es erzählt die Gschichte von Lohengrin, der auf einem Schiff, das von einem Schwan gezogen wird, nach Brabant kommt, um der Herzogin beizustehen. Bedingung für die Hilfe ist, dass sie ihn niemals fragt, wie er heißt. Wie jedes Verbot im Märchen, wird es natürlich gebrochen und Lohengrin verlässt die Herzogin wieder.
Auf die Sagengestalt des Lohengrin ist Wagner vermutlich schon einige Jahre früher aufmerksam geworden, bei der Vorbereitung des Tannhäusers. Dazu hatte ihn – insbeondere zur Gleichsetzung von Tannhäuser mit Heinrich von Ofterdingen – eine Schrift Über den Krieg von Wartburg von 1837 inspiriert. Autor dieser Schrift war der Theologe und Archivar Dr. Christian Theodor Ludwig Lucas. Er spekuliert darin unter anderem über ein Lohengrin-Gedicht von Wolfram von Eschenbach, das dieser für den Thüringer Landgrafen zum Vortrag in Gegenwart Klinsors verfasst haben soll. Hier gibt es auch einen Hinweis auf die Herkunft des Namens Lohengrin: Garin le Loherain (Garin der Lothringer), dem eine anonyme »chanson de geste« (episches Gedicht) des 12. Jahrhunderts gewidmet ist. Das ist vor allem ein Kriegsepos, in dem es u. a. um Kämpfe gegen die Ungarn und Vandalen geht. Eine wichtige Quelle für Wagner waren immer die Sagen- und Märchensammlungen der Brüder Grimm. Die Lohengrin-Sage findet man hier unter der Nummer 536 und 537 online. Umschlossen sind die beiden Teile der Lohengrinsage (nach Parzival der erste, nach Titurel der zweite) von 535 »Das Schwanschiff am Rhein« und 538 »Der Schwanritter« nach Konrad von Würzburg. Ferner zog Wagner eine »Flandrische Staats- und Rechtsgeschichte bis 1305« zu Rate, die ebenfalls online nachzulesen ist, hier, und ebenfalls von Grimm die »Deutsche Rechtsaltertümer.«
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