Montag, 19. März 2012

Doch noch einmal Lohengrin

Dem allgemeinen Wunsch entspreche ich gern und gehe noch einmal näher auf Lohengrin ein. Besonders interessant ist das Duett im Brautgemach. Es ist eines der ausgedehntesten Duette der Oper (natürlich hat Wagner selbst das dann in Tristan und Isolde und auch im Ring des Nibelungen noch einmal übertroffen, doch davon soll jetzt nicht die Rede sein). Wagner selbst spricht so gut wie nie über Vorbilder, trotzdem sind sie vorhanden. Und sicher geht man nicht fehl, wenn man bei Meyerbeer sucht. Die großen Chorszenen im Lohengrin erinnern eindeutig an die »grand opéra«, aber auch die fast uferlose Ausdehnung des Liebesduetts hat eine Entsprechung in den Hugenotten von Meyerbeer. Der hat das große Duett im vierten Akt ganz zuletzt geschrieben und ist damit musikalisch in Neuland vorgedrungen. Die Situation ist natürlich eine ganz andere: Raoul und Valentine sind ein heimliches Liebespaar. Der Protestant Raoul hat eben die Schwerterweihe der Katholiken mitbekommen und will seine Brüder warnen, Valentine muss sich zwischen ihm und ihrer Familie entscheiden. Dennoch gibt es einige Entsprechungen im formalen Aufbau, der in beiden Duetten vier dramturgisch bedingte große Formteile aufweist. Beschränken wir uns hier aber auf das Duett im Lohengrin, das ich im Schnelldurchgang letzten Mittwoch vorgestellt habe.
A) E-Dur. (1) Die ersten 22 Takte gehören Lohengrin allein (»Das süße Lied verhallt«), der in den Nachklang des Brautliedes einsteigt und die Modulation von A-Dur nach E-Dur vollzieht. E, zuerst E-Dur, dann e-Moll ist der zentrale Ton in dem gesamten Duett, er klingt auch in den anderen Tonarten prominent mit, in F-Dur ist er der Leitton, der zum F führt, in C-Dur die helle, klare Terz. (2) Elsa antwortet kürzer und vor allem zweigeteilt, zunächst sind es sechs Takte liebevolle Antwort (»Wie wär ich kalt«), doch dann (3) schlägt sie 8 Takte ein neues Thema an (»Fühl ich zu dir«), das mit dem berühmten Doppelschlag endet. (4) Lohengrin nimmt seinen Faden in nun nur noch fünf Takten wieder auf (»Vermagst Du, Holde«) und übernimmt dann (5) Elsas Gedanken in ebenfalls fünf Takten (»Fühl ich zu dir«). Der Abschnitt wird beschlossen (6) durch ein fast konventionell wirkendes »Duett« (»Fühl ich so süß«), bei dem sich die Stimmen ineinander verschränken und zuletzt gemeinsam den Doppelschlag ausführen, der bereits in die neue Tonart führt.
B) A-Dur (1) Lohengrin macht nun 15 Takte Konversation (»Wie hehr erkenn ich«), er schließt mit einer Fermate (ohne Doppelschlag). (2) Elsa antwortet manierlich (»Doch ich zuvor«), bereitet ihre Erinnerung auf, berührt dabei entferntere Gedanken und Tonarten. Erst mit (3) »Ist dies nur Liebe« kehrt sie für 26 Takte zum A-Dur zurück. Lohengrin kommt nur zwei Mal (»Elsa«, »Mein süßes Weib«) dazwischen im 13 und 22. Takt. Der Schluss bereitet den Übergang zum C-Dur vor.
C) C-Dur/F-Dur (1) Lohengrin setzt nun an zu den 56 Takten seiner großen lyrischen »Arie« (»Atmest Du nicht«) mit der typischen durchgehenden Bläser-Triolen-Bewegung, die man aus der »Hallen«-Arie der Elisabeth im Tannhäuser kennt und die einen auch ein wenig an Mendelssohns 4. Satz der Italienischen Sinfonie erinnert. Elsa antwortet (2) (»Ach, könnt ich deiner Wert«) mit 54 Takten, wobei Lohengrin zwei Mal eingreift und vor allem im 18. Takt drohend das Frageverbotsmotiv aufscheint. Daran schließt sich (3) die große heldische »Arie« Lohengrins an (»Höchstes Vertraun«), die in F-Dur beginnt und nach 35 Takten nach A-Dur geht. In die 34 Takte des zweiten Teils bricht dann noch drohender in a-Moll das Frageverbotsmotiv ein. Mit »Aus Glanz und Wonne komm ich her« beschließt Lohengrin diesen Abschnitt und es geht sofort in den dramatischen Teil über.
D) e-Moll (1) Elsa fühlt sich jetzt zum ersten Mal betrogen (»Hilf Gott, was muss ich hören«) und singt sich 43 Takte in Rage, nach 25 Takten geht Lohengrin dazwischen (»Halt ein, dich so zu quälen«) . (2) Lohengrin versucht die Temperatur etwas zurückzunehmen (»Nie soll dein Reiz«), doch Elsa ist nicht mehr zu beruhigen. Etwas Übersinnliches bricht herein (3), Elsa hält in einer Fermate inne (»Hörtst du nichts?«), es folgt der einzige rezitativische Teil des Duetts. Noch bedrohlicher wird das Frageverbotsmotiv (4), zum ersten Mal in dem Duett nimmt es auch die Singstimme auf, Lohengrin: »Elsa, was willst du wagen?« Doch es ist zu spät, Elsa stellt die Frage und die Katastrophe bricht herein.

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