Dienstag, 15. März 2011

Wozzeck / Drei Schwestern

Zwei Werke des 20. Jahrhunderts stehen diese Woche auf dem Plan. Ob es über die zeitliche Parallele weitere Gemeinsamkeiten gibt, müssen wir erst noch herausfinden. 73 Jahre stehen zwischen den Uraufführungen von Wozzeck und Drei Schwestern. Rechnen wir von Wozzeck, 1925, den gleichen Zeitraum zurück, dann landen wir mitten in der Uraufführungsserie Rigoletto, Troubadour, Traviata. 8 Jahre nach dem Tod von Alban Berg wurde Peter Eötvös geboren, 18 Jahre waren da schon seit der spektakulären Uraufführung des Wozzeck in Berlin vergangen.

Bei aller zeitlichen Distanz, Parallelen stellen sich nach und nach heraus: zunächst einmal sind beides "Literaturopern". Wozzeck (wie auch die zweite, unvollendete Oper von Berg, Lulu) kommt darin sogar eine Art Modellcharakter zu. Waren schon im 19. Jahrhundert Stoffe beliebt, die schon von den großen Dramatikern für die Schauspielbühne bearbeitet worden waren (von Verdi gibt es nur ganz wenig, was nicht von Schiller, Shakespeare oder einem zeitgenössischen Dramatiker kommt), so waren es doch Leoš Janáček mit Jenůfa 1904 und Richard Strauss mit Salome die ersten, die nicht ein komplett neues Libretto schrieben oder schreiben ließen, in das sie dann allenfalls ein paar Zeilen des Originals einfließen ließen, sondern Wort für Wort eine literarische Vorlage (natürlich mit Auslassungen, denn ein Libretto ist immer kürzer als ein Dramentext) verarbeiteten. Wozzeck ist insofern noch ein Sonderfall, als es sich dabei nicht um ein bereits mehrfach erprobtes und bewährtes Bühnenstück handelt, sondern um ein nachgelassenes Fragment, von dem nicht einmal die korrekte Szenenfolge feststand. Zu der Zeit, als Berg an der Oper arbeitete, gab es zwei Editionen, die mehr bearbeitende von Karl Emil Franzos, die auch der ersten Aufführung im Münchner Residenztheater 1913 zugrunde lag, und eine Reedition für die Gesamtausgabe von Paul Landau.

Während Berg sein Libretto noch im Sinne einer traditionellen, linearen Dramaturgie baute, die das Fundament lieferte für ein Experiment in der musikalischen Form, dekonstruierte Eötvös zusammen mit Claus H. Henneberg den Text von Tschechow bis auf den Kern. Tri Sestri (Drei Schwestern) ist denkbar weit von jeder traditionellen Operndramaturgie entfernt. Eine zeitliche Linearität ist von vornherein nicht gegeben. Die drei "Sequenzen" stellen den Grundkonflikt aus verschiedenen Perspektiven vor. Vorgänge wiederholen sich also und diese Wiederholungen dienen sogar (wie in der Sinfonie) der Orientierung.

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