28 Szenen aufgeteilt in 5 Akte verzeichnet die "Folio-Ausgabe", der Erstdruck der Werke Shakespeares. 7 Szenen fallen auf den I. Akt, 4 auf den II., 6 auf den III., 3 auf den IV. und 8 auf den letzten. Verdi destillierte daraus 10 Bilder für 4 Akte, und zwar 2 für den I., 3 für den II., 1 für den III. und 4 für den IV. Es fallen Parallelen auf: Auch bei Verdi ist der letzte Akt am dichtesten gefüllt und der vorletzte am flachsten. Neu ist die Symmetrie, 1. und zweiter Teil der Oper enthalten je 5 Bilder.
Da haben wir nun Äpfel mit Birnen verglichen, denn Shakespeare macht bekanntlich keine Angaben über die Schauplätze, das haben erst die Bearbeiter und Übersetzer hinein gebracht. Und Verdis I. Akt besteht zwar aus 2 Bildern, aber aus 19 Szenen. Das liegt daran, dass in der Oper im Gegensatz zum Schauspiel jeder Auftritt und jeder Abgang einer Person mitgezählt wird. Der I. Akt von Shakespeare kann man sich aber an genau den Schauplätzen denken, die Verdi in seinem I. Akt vorsieht, im Wald die Begegnung mit den Hexen und die folgende wundersame Beförderung Macbeths. In der Vorhalle der Burg die Lady, die den Brief liest, das folgende Duett und das Finale. Das allerdings ist eine Erfindung Verdis – und eine typische Opernszene. Der Mord am König wird entdeckt und alle, auch Macbeth selbst, verfluchen den Mörder. Die Szene in Simon Boccanegra, wo Paolo Albiani dazu gezwungen wird, sich selbst zu verfluchen, scheint hier vorweg genommen.
Der II. Akt Verdis besteht aus der 2. Szene des II. und der 3. und 4. Szene des III. Aktes, die jeweils ein Bild (und zusammen diesmal nur 7 Szenen, dank des Finales, das nur durch die Erscheinungen von Banquos Schatten unterbrochen wird, die aber nicht als Auftritte gezählt werden.
Auch im III. Akt hat Verdi etwas hinzu erfunden. Auf die große Hexenszene (IV,1 bei Shakespeare, in der Pariser Fassung noch durch ein Ballett erweitert) folgt wieder eine "Verschwörungsszene" (Guillaume Tell von Rossini und Les huguenots von Meyerbeer sind die Vorbilder): die Lady sucht Macbeth auf dem Feld auf, wo er die Hexen erneut befragte und sie verabreden sich zum letzten Gefecht.
Spätere englische Shakespeare-Ausgaben vermerken, dass das Ende des 4. Aktes in England spielt und der Rest in Schottland, meist auf dem Schloss Macbeths. Eben, "the scottish play." Mit diesem Ausflug nach England beginnt Verdi seinen IV. Akt und er leitet die Verschwörung zum Tyrannenmord durch einen bewegenden Chor ein, der die patriotischen Chöre, begonnen mit dem Gefangenenchor in Nabucco, vorläufig abschließt. Das 2. und 3. Bild des IV. Aktes zeigen Lady und Macbeth in jeweils großen Soloszenen: das 2. Bild ist die berühmte Wansinnsszene; beobachtet vom Arzt und der Kammerfrau versucht sie das Blut von ihrem Händen abzuwaschen (bei Shakespeare V,1); im 3. Bild bereitet sich Macbeth auf die letzte Schlacht vor, die Nachricht vom Tod der Lady berührt ihn kaum (Shakespeare V,3). Schon eher die Nachricht, dass sich der Wald von Birnam auf das Schloss zubewegt. Und das löst dann die offene Verwandlung zum Schlachtfeld aus.
Den Schluss hat Verdi 1865 für Paris vollständig umgestaltet. 1847 ließ er Macbeth auf der Bühne sterben und gab ihm eine Aria Finale. Später verlegte er den Zweikampf hinter die Bühne und ließ die Oper mit einem Triumphchor enden. Eigentlich sind die beiden Konzepte unvereinbar, aber in letzter Zeit haben viele Inszenierungen hier einen Kompromiss gesucht und die 1847-er Arie in eine sonst dem Text von 1865 folgende Fassung integriert.
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