Ort und Zeit sind laut Libretto und Partitur: Theben und Memphis als die Pharaonen an der Macht waren. Die Orte sind ganz gut auszumachen: Theben (das hunderttorige nach Homer im Gegensatz zum siebentorigen Theben in Griechenland, wo viele andere Theaterstücke und Opern spielen) ist heute als Luxor ein beliebtes Reiseziel in Oberägypten. Ab der 11. Pharaonendynastie, also etwas mehr als 2000 v. Chr. diente die seit der mittleren Altsteinzeit besiedelte Stadt als Hauptstadt, Memphis hingegen, südlich des heutigen Kairo, soll schon um 3000 v. Chr gegründet worden sein und diente im »Alten Reich« (3. bis 6. Dynastie) als Hauptstadt. Djoser, erster Pharao der dritten Dynastie, und sein Kanzler Imhotep bauten die erste Pyramide. Khufu (griechisch Cheops), der zweite Pharao in der vierten Dynastie baute die berühmte Große Pyramide von Gizeh und sein Nachfolger Djedefre die große Sphinx, die später im Sand versank und von Thutmosis IV. aus der 18. Dynastie im »Neuen Reich« wieder ausgegraben wurde. Unter Khufu gab es auch wieder Expeditionen nach Nubien, die es schon in der frühdynastischen Zeit in der 1. Dynastie gegeben hatte. Nubische Könige aber gewannen aber auch einmal die Oberhand. Die 25. Dynastie (8./7. Jh. v. Chr.) bestand gar nicht aus Ägyptern, sondern aus »Kuschiten«, also Nubiern. Die Rückeroberung durch die 26. Dynastie währte nicht lange, denn danach eroberten die Perser Ägypten; gelegentliche Revolten brachten kaum etwas, denn ab 332 v. Chr. stand Ägypten endgültig unter Fremdherrschaft. Alexander III. von Mazedonien (Alexander der Große) eroberte nach Persien auch Ägypten. Auf seine Herrscherlinie der Argeaden folgten die Ptolemäer, also ebenfalls Griechen, als Pharaonen. Zu ihnen gehört auch Kleopatra VII., die 30 v. Chr. die Macht an die Römischen Kaiser abgeben musste. Der letzte römische Kaiser, der noch den Titel eines Pharao trug, Maximinus Daia, starb im Kampf gegen seinen Konkurrenten Licinius 313. Danach war Ägypten eine oströmische Provinz bis die Araber 639–642 im Zuge ihrer Eroberung ganz Nordafrikas Ägypten unterwarfen. Später herrschten die Mamluken und Osmanen, auch für die Eröffnung des Suez-Kanals und des erten Opernhauses in Kairo war ein osmanischer Vizekönig verantwortlich. Nur Napoleon hatte Ägypten 1798 kurz unter seine Herrschaft gebracht und war damit seit den Römern der erste europäische Eroberer.
Mit der »Expedition« Napoleons begann ein besonderes Interesse der Europäer an Ägypten 1799 wurde der »Rosetta-Stein« gefunden, ein Verwaltungstext in drei Sprachen, der helfen konnte, Hieroglyphen zu verstehen; es dauerte allerdings noch 23 Jahre, bis dem Sprachwissenschaftler Jean-François Champollion die Entzifferung gelang. Auguste Mariette war ein Kunstwissenschaftler, der am Louvre in der ägyptischen Abteilung arbeitete und 1850 nach Ägypten geschickt wurde, wo er sich an Ausgrabungen beteiligte. Zuerst brach er Gräber noch mit Sprengstoff auf, aber er sah bald ein, dass er damit mehr zerstörte als entdeckte. Er wurde in Ägypten Konservator der Kunstschätze und präsentierte das Land bei der Weltausstellung in Paris 1867. Der Diplomat und Feldherr Ismail Pascha (1861 unterwarf er einen Aufstand im Sudan) wurde 1863 als Nachfolger seines verstorbenen Vaters zum Khediven (Vizekönig) ausgerufen; die hohe Pforte erkannte das aber erst 1867 an, dafür musste er mehr Tribut zahlen. Er brachte den Bau des Suez-Kanals zum Ende und baute ein Opernhaus in Kairo (nicht das erste in Afrika, wie manchmal behauptet wird, schon seit 1850 gab es eins in Algier). Für all das brauchte er viel Geld, das er sich von den Engländern und Franzosen lieh, die sich dafür immer mehr in die Finanzgeschäfte Ägyptens einmischten. Insofern also war der Ägyptische Vizekönig sowohl ein Vasall der Osmanen wie auch der westlichen Großmächte. Die Geister, die er rief, wurde er nicht mehr los, von 1882 bis 1922 stand Ägypten unter britischer Herrschaft, danach formten seine Nachfahren das erstmals unabhängige Königreich Ägypten.
Zunächst zum Kanal: Schon zur Pharaonenzeit gab es Schifffahrtsverbindungen zwischen dem Mittelmeer und dem Roten Meer. Diese führten zuerst über das Nildelta bis auf die geografische Breite der Bitterseen und von dort über das Tuilat-Tal zum Großen Bittersee. Später gab es auch eine Verbindung nach Kairo. In der Kalifenzeit wurde der Kanal aus militärischen Gründen geschlossen. Viele hundert Jahre später schlugen etwa die Venezianer vor, doch da einen Kanal zu bauen, um den Weg nach Indien abzukürzen und auch Ludwig XIV. (beraten von Gottfried Wilhelm Leibniz, der ihm auch vorschlug, Ägypten gleich ganz zu erobern) fand die Idee gut. Auch die »Expedition« Napoleons hatte den Auftrag, die Möglichkeiten zu erkunden, doch sie irrten sich bei der Vermessung gewaltig und dann mussten ihnen die Techniker sagen, es sei unmöglich bei diesem enormen Höhenunterschied einen Kanal zu bauen. 1846 endlich wurde in Frankreich eine Gesellschaft für die Studien zu einem Suezkanal gegründet; als 1855 Muhammad Said, der Vater von Ismail Pascha, Vizekönig wurde, holte er den bereits pensionierten französischen Beamten Ferdinand Lesseps als Berater an seinen Hof, der nun die weiteren Planungen und den Bau mit Hilfe der Privatwirtschaft (Aktiengesellschaft) vorantrieb. Die Engländer waren lange dagegen und versuchten den Bau zu verhindern, etwa indem sie Druck auf die Hohe Pforte ausübten, die denn auch die Genehmigung lange hinauszögerten und sie erst nach einer Intervention durch Napoléon III. erteilten. Zu der Zeit war schon Ismail Pascha auf dem ägyptischen Thron und konnte den Erfolg für sich reklamieren.
Er plante ein großes Fest im Umkreis der Eröffnung, die sich auf den 17. November 1869 terminieren ließ. Er bat Giuseppe Verdi, eine Hymne zu diesem Anlass zu schreiben, doch der lehnte empört ab; er schreibt keine Gelegenheitskompositionen. Einer, der das sehr wohl tat, war Johann Strauß. Er schrieb den Egyptischen Marsch zu diesem Anlass, den Sie hier aus einem Neujahrskonzert hören können – nein, nicht aus Wien! Barenboim und Thielemann können Sie selber raussuchen bei YouTube – es spielt das Collegium Musicum Basel im Theater Uri, Altdorf. Das Opernhaus wurde knappe zwei Wochen nach der Eröffnung des Kanals mit Rigoletto eröffnet. Man wünschte sich aber von Verdi auch eine neue Oper, die dann zum Jahrestag hätte aufgeführt werden können, Verdi gab dem Khediven auch dafür einen Korb. Erst als ihm im Mai 1870 Camille du Locle, Co-Librettist von Don Carlos und neuer Direktor der Opéra-Comique, den Entwurf des Ägyptologen Auguste Mariette zu Aida übergab, näherte sich Verdi der Idee. Für Dezember 1870 wäre es auch jetzt schon knapp geworden, man plante mit Januar 1871. Verdi wurde rechtzeitig dafür fertig, aber inzwischen war Paris, wo die Dekorationen unter der Aufsicht von Auguste Mariette hergestellt wurden, durch den Deutsch-Französischen Krieg blockiert; die Ausstattung der Oper konnte nicht rechtzeitig nach Kairo gebracht werden. So hatte Verdi noch Zeit, einige Korrekturen vorzunehmen, u. a. entstand erst jezt die berühmte Romanze (alle Arien heißen in diesem Werk Romanze) »O cieli azzurri« der Aida am Anfang des 3. Aktes. Bei der Uraufführung am 24. Dezember 1871 war der Suezkanal schon über zwei Jahre im Betrieb.
Aida folgt dem Schema einer »Grand Opéra« nach dem Vorbild Meyerbeers und Aubers mit großen »Tableaus« und Ballett; die Handlung hat einen historischen oder pseudohistorischen Hintergrund mit einem (wie auch beim späten Meyerbeer: L'Africaine) exotischen Flair. Die vier Akte (in Frankreich hätten es fünf sein müssen) sind in sieben Bilder eingeteilt, lediglich im dritten Akt gibt es keinen Umbau.
1. Akt, 1. Bild: Alles wartet darauf, dass der junge Offizier Radamès zum Heerführer ernannt wird, der die Nubier unterwerfen soll; er selbst ist ganz heiß darauf und stellt sich naiv vor, er könne damit genug Ruhm erlangen, dass ihn dann keiner mehr daran hindern kann, die Sklavin Aida zu heiraten. Die ist aber selber Nubierin. Da sieht er ganz schön blöd aus in der Romanze, die er da singt. Und Verdi hat es dem Sänger noch extra schwer gemacht: kaum geht die Oper los, hat er schon sein Solo, für das er ordentlich eingesungen sein muss; zuviel darf er allerdings auch nicht machen, denn er muss ja noch drei Stunden durchhalten; außerdem verlangt Verdi auf dem hohen Schlußton ein »morendo« ausgehend von einem Pianissimo, also leise und dann noch leiser. Das gelingt kaum einem. Die meisten werden auf dem Schlusston eher noch lauter – und der Applaus scheint ihnen recht zu geben. Hier hat jemand für YouTube eine Reihe verschiedener Annäherungen an das Ende der Romanze zusammengestellt. Arturo Toscanini, der sich wie immer auf Verdi selbst beruft, hat noch eine weitere Möglichkeit aufgezeigt: Der Schlusston wird durchaus heldentenorig forte gesungen, danach aber gibt es eine Wiederholung der Schlussworte eine Oktave tiefer und leise wie das Murmeln schon ein paar Takte früher. Für zwei konzertante Aufführungen im März 1949 beim New Yorker Rundfunksender NBC hatte er Richard Tucker zur Verfügung. Die Aufführung ist später auf Schallplatte und schießlich auf CD veröffentlicht worden, Sie finden sie bei Spotify & Co. Die Aufführungen wurden aber auch von Fernsehkameras begleitet und hier können wir die ganze Introduktion mit Norman Scott als Ramfis und Richard Tucker als Radamès sehen und hören. –– Ganz heiß auf eine Entsendung Radamès' in den Krieg ist auch die Königstochter Amneris, denn sie hätte einen besonderen Anspruch auf die Hand des siegreichen Helden (es gehen eigentlich von Anfang an alle davon aus, dass er den Krieg gewinnen wird). Aida kommt hinzu und in einem Terzett wird das ungleiche Verhältnis der drei vorgeführt. Weil wir bald den hundertsten Geburtstag von Maria Callas feiern können, hier eine Studio-Aufnahme, noch einmal mit Richard Tucker, aber jetzt mit dem Orchester der Mailänder Scala und außer Maria Callas in der Titelpartie mit Fedora Barbieri als Amneris. In diesem Terzett ist Verdi ganz nah bei Meyerbeer, hören Sie einen Ausschnitt aus dem Terzett im letzten Akt von Le prophète. –– Aufgeheizt durch einen Botenbericht, der das Vorrücken Amonasros, des Vaters der Aida, brschreibt, wird das Volk angestachelt und das Kriegsgeschrei endet mit einem »Ritorna vincitor« (»Als Sieger kehre heim«), in das auch Aida einstimmt. Doch gleich tut es ihr leid, denn das hieße ja, dass Ihr Vater vernichtet würde, Gelegenheit für eine zweite Romanze, diesmal für die Sopranistin, die leidend ihrer Stellung zwischen allen Stühlen gewahr wird. Dafür gehen wir weiter zurück in der Schallplattengeschichte: Nachdem schon 1907 und 1920 mehr oder weniger vollständige Aufnahmen auf jeweils 20 78er Schallplattren oder noch mehr veröffentlicht worden waren, ging das Geschäft Mitte der 20er Jahre richtig los, als die elektrische Tonaufnahme mit Mikrofonen und Röhrenverstärkern zur Verfügung stand. Lorenzo Molajoli, der künstlerische Direktor des italienischen Zweigs der »Columbia«-Gesellschaft (ab 1931 EMI) und Carlo Sabajno, sein Gegenpart bei »His Master's Voice« von »Victor Talking Machine« (ab 1929 RCA) jagten sich gegenseitig die besten Besetzungen ab für Aufnahmen, die sie jeweils mit dem Chor und Orchester der Mailänder Scala produzierten und auch dirigierten. Molajoli bekam die Haus-Sängerin als Aida ab, Giannina Arangi-Lombardi, die wir hier mit »Ritorna vincitor« hören, Sabajno musste sich mit eoinem Import aus Hamburg bzw. Berlin »begnügen« Dusolina Giannini, natürlich eine ebenbürtige Sängerin.
1. Akt, 2. Bild: Nun wird der junge Feldherr eingeschworen und balsamiert mit Soprangesang und religiösen Tänzen, hier in einer Aufführung aus Palermo mit Daniel Oren am Dirigentenpult. –– Alsbald nimmt sich der Oberpriester Ramfis den Jungen vor und spricht ihm vor, was er zu schwören hat: »Nume custode e vindice«. Damit kommen wir wieder auf die beiden bald hundert Jahre alten Schallplattenaufnahmen zurück. Sabajno hatte sich »den Tenor Toscaninis« geschnappt, den internationalen Star Aureliano Pertile, für Molajoli blieb der schwedische Tenor Aroldo Lindi, der 1925 in Aida an der Scala debütiert hatte und nun am Anfang einer großen Karriere stand, die allerdings 1944 auf der Bühne von San Francisco ein jähes Ende fand, als er während einer Vorstellung I Pagliacci einen Herzinfarkt erlitt. Lindi ist ein wunderbarer Tenor und es lohnt sich natürlich, die Schallplattenaufnahme komplett anzuhören, aber warum nicht Francesco Merli? Den hat er 1930 für Manon Lescaut und Il trovatore bekommen. Und hier hören wir ihn in einer wunderbaren Einzelaufnahme des »Nume, custode e vindice« zusammen mit Tacredi Pasero, der den Ramfis auch auf der Gesamtaufnahme mit Molajoli singt. Da diese Schallplatte ebenfalls von Columbia ist, ist anzunemhen, dass ebenfalls Molajoli dirigiert und dass Chor und Orchester der Scala beteiligt sind.
2. Akt, 1. Bild: Da nicht mehr explizit gesagt wird, dass die Szene in Memphis spielt, haben wir uns vermutlich auf den Weg nach Süden gemacht und sind in Theben näher am Kampfgeschehen. Herrin und Untergebene, umringt von Hofdamen, Arie, Chöre, Duett, vielleicht auch Tänze, das ist eine Standardsituation nicht nur für die französische Oper, auch für die italienische. Zu Anna Bolena von Gaetano Donizetti kommen wir ja noch in diesem Semester, deshalb gibt es jetzt kein Musikbeispiel daraus, nicht einmal von Maria Callas. Amneris will von Aida ein Liebesbekentnis zu Radamès, damit sie die Rivalin fertigmachen kann. Aida ist auch leicht aufs Glatteis zu führen, sie jubelt über die Nachricht, dass Radamès den Kampf doch überlebt hat. Hier die Aufnahme mit Carlo Sabjno von 1928, Dusolina Giannini und Irene Minghini-Cattaneo singen. –– Nun muss sich Aida aufs Bitten verlegen, »Pietà ti prenda del mio dolore«, das kann Montserrat Caballé besonders gut, hier in der Gesamtaufnahme mit Riccardo Muti, Fiorenza Cossotto hat die paar Worte von Amneris zu singen. Den Schluss des Bildes hören wir uns hier in schwedischer Sprache an, aus einer Aufführung der Stockholmer Oper 1956 mit Birgit Nilsson und Brita Hertzberg als Aida und Amneris.
2. Akt, 2. Bild: Musikalisch ist kaum eine Unterbrechung vorgesehen für den Szenenwechsel, die Musik des Triumphes klingt schoh in der vorherigen Szene an, auch das lässt darauf schließen, dass die Gemächer der Amneris, in denen wir uns am Anfang des Aktes befinden, auch in Theben sind. So sah der Anfang des Triumphbildes 2012 in der Arena di Verona aus. Alle strömen auf den Platz, um die Siegesnachricht zu hören, großes Aufmarsch, Daniel Oren dirigiert ein ziemlich flottes Tempo. –– Aber jetzt kommt der Clou: Die »ägyptischen« Trompeten, die Verdi hat anfertigen lassen. Dafür gehen wir an einen etwas kleineren Ort, hier, die Metropolitan Opera in New York. Pferde, die offenbar wichtig sind für diese Szene, können da auch drauf. Nur, die Trompeten auf der Bühne hat der Kameramann nicht gefunden, also müssen wir noch an die Scala gehen, wo Zubin Mehta 2015 dafür sorgte, dass die Trompeten auch zu sehen sind. Wenn Sie ganz genau schauen, erkennen Sie, dass es mittlerweile keine reinen Naturtrompeten mehr sind, wie Verdi es sich vorgestellt hat, die Musiker in aller Welt haben ein Ventil hineingeschummelt, was das Spielen vereinfacht und den Klang nicht zu sehr beeinträchtigt. Für den Triumphmarsch musste Verdi eine Marke überspringen: den Krönungsmarsch aus Le prophète von Meyerbeer (schon wieder?!) hier gespielt von der New York Philharmonic unter Leonard Bernstein. Ist ihm gelungen, ohne bei Meyerbeer Schaden anzurichten, finde ich. –– Im Finale muss noch einiges abgearbeitet werden nach dem Marsch und en Tänzen. Der Sieger muss geehrt werden, dafür gibt Ramfis die Stimme an den König ab, der zweite Bass kommt zum Zug, bei Lorenzo Molajoli ist das Salvatore Baccaloni, der später eine große Karriere als Bassbuffo hatte. Hier der Ausschnitt, an dessen Ende das Aufregende des Finales passiert: Aida erkennt ihren Vater Amonasro, gesungen von Armando Borgioli, der aber möchte nicht erkannt werden. Für die Fortsetzung, in der Amonasro peinlich darauf hinweist, dass der Krieg ja auch anders hätte ausgehen können, schreiten wir fort in der Schallplattengeschichte; fast zwanzig Jahre nach Sabajno und Molajoli, wurde Aida in einem römischen Schallplattenstudio aufgenommen. Maria Caniglia und Benjamino Gigli sind die Stars dieser Aufnahme unter Tullio Serafin von 1946, wir hören die beiden auch im Laufe des Ausschnitts, zuerst aber kommt Gino Bechi, der den Amonasro singt. Außerdem sind noch Ebe Stignani, Tancredi Pasero (wieder) und Italo Tajo beteiligt.
3. Akt: Was sich Verdi in der Instrumentation für den Anfang des »Nilaktes« (Mondschein, Uferstimmung) ausgedacht hat, hat er zehn Jahre später in seine Zweitfassung von Simon Boccanegra übertragen. Dort ist es nicht das Ufer des Nils, sondern das Mittelmeer bei Genua, aber das macht nichts. Wie haben hier schon darüber gesprochen anlässlich von Simon Boccanegra (die Oper kam in letzter Zeit an der Deutschen Oper und an der Staatsoper). Für dieses Stimmungsbild nehmen wir Herbert von Karajan. Dessen erste Aida-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern kam 1958 heraus. in diesem Ausschnitt kommen außer dem Singverein der Musikfreunde Giulietta Simionato als Amneris und Arnold van Mill als Ramfis vor. –– Nach der Introduktion, die die Stimmung vorgibt, besteht der dritte Akt aus einer Arie, Entschuldigung! Romanze, zwei Duetten und einem Finalterzett. Aida wartet am Nil auf ihren Geliebten Radamès. Wenn Sie sich wirklich an ihn bindet, wird sie nie wieder ihre Heimat sehen, sie nimmt Abschied von ihrer Sehnsucht danach – »Qui Radamès verrà... O patria mia«. Manche von ihnen werden Martina Arroyo in Erinnerung haben, auf eine Schallplatengesamtaufnahme im Studie hat sie es nicht geschafft, aber hier ist ein Mitschnitt unter Claudio Abbado von 1972 in Wien. –– Als erstes kommt jedoch nicht Radamès, sondern Aidas Vater, Amonasro, der aus seinem Gefängnis entwischt sein muss. Er malt ihr aus, wie schön sie es zu Hause haben wird, dafür muss sie aber zuerst Radamès zum Verrat bringen, mit Drohen und Locken bringt er sie dazu, dass sie es sich zumindest überlegt. Keiner rollt das »R« so schön wie Gian Giacomo Guelfi (»strrrrrrruggete le nostre città«), hier in einer weiteren Geamtaufnahme, die auch zu meinen Schätzen gehört, 1956 von der RAI Torino aufgenommen, Maria Curtis-Verna singt Aida, Angelo Questa dirigiert. Franco Corelli singt den Radamès, den wir in diesem Ausschnitt aber nicht hören. –– In einem langen Duett handeln Aida und Radamès aus, was sie nun in der verfahrenen Situation tun können, Flucht wäre eine Möglichkeit. Radamès steigt nicht so recht ein. Für diesen Abschnitt kommen nur Carlo Bergonzi und Renata Tebaldi in Frage, hier in der schon einmal verwendeten ersten Karajan-Aufnahme. Für den letzten kurzen Abschnitt des Duetts, in dem Aida Radamès dazu bekommen wird, den Weg zu verraten, über den sie fliehen können und über den dann Amonasro angreifen kann, nehmen wir nun doch Corelli, »Si; fuggiamo« singt er mit einem unnachahmlichen Stimmschmelz. Hier mit Gabriella Tucci in einer Live-Aufnahme der Met. –– Den Schluss des Aktes, Amonasro kommt aus seinem Versteck und triumphiert, will Amneris umbringen, die den Verrat entdeckt hat, das verhindert Radamès, der sich dem Urteil der Priester für seinen Verrat stellt. Hier noch einmal ein kleines Stück mit Maria Canigia und Benjamino Gigli, Gino Bechi und Ebe Stignani.
4. Akt, 1. Bild: Die »Sala nel palazzo del Re« ist wohl wieder in Memphis anzunehmen, dahin sind wohl alle zurückgekehrt. Für den eingesperrten Landesverräter Radamès sieht es übel aus. Amneris hofft noch, ihn retten zu können, doch da müsste er mitmachen, und so sieht es am Ende des langen Duetts nicht aus. Renata Tebaldi, die immer Aida gesungen hatte, überredete am Ende ihrer Karriere Franco Corelli dazu, mit ihr einige Duette für die Schallplatte aufzunehmen, darunter auch welche, wo sie Mezzo-Partien singt. Hier das Duett aus Aida, das ich nicht nur wegen Corelli mag, sondern weil beide eine unglaubliche Energie versprühen und jedes Wort zu verstehen ist. –– Amneris verfolgt die Gerichtsverhandlung, aber sie kann nichts ausrichten, denn Radamès schweigt und verteidigt sich nicht, also wird er zum Tod durch Einmauern verurteilt. Für diese Szene, die eine große Bühne braucht, gehen wir noch einmal in die Arena von Verona. Fiorenza Cossotto ist Amneris, Bonaldo Giaiotti Ramfis, den schweigenden Carlo Bergonzi sieht man gar nicht.
4. Akt, 2 Bild: Verdi bestand darauf, dass das Bühnenild zwei Ebenen hat, die untere für Radamès und die zuerst versteckte Aida in dem Verlies in dem sie eingemauert werden, und darüber eine für die überlebende Amneris. Das Einmauern als Todesstrafe musste Auguste Mariette nicht aus Hieroglyphen lesen oder gar selbst erfinden, das gibt es in der Oper schon – und vor allem in der römischen Kultur. Da war eine Möglichkeit der Todesstrafe, vor allem für fehlbar gewordene Pristerinnen, das Lebendig Begraben. Und so endet La vestale von Gasparo Spontini. »Impitoyables Dieux« (it. »O nume tutelar«), ist der Schlussgesang der Julia, hier gesungen von Maria Callas. –– Radamès ist also zum Tode verurteilt und in das Verlies eingemauert, nicht lange dauert es jedoch bis sich Aida rührt, die es geschafft hat sich auch in dieses Grab zu begeben. Sie heben zu einem Duett an, das in gewisser Weise die Sehnsucht nach Utopie von Gilda im Rigoletto evoziert. Hier eine Aufnahmesitzung von einer neueren CD-Aufnahme, Antonio Pappano dirigiert das Orchester der Accademia di Sta. Cecilia, Rom, es singen Jonas Kaufmann und Anja Harteros. –– Für den letzten Abschied der beiden von der Welt, »O terra addio« muss noch einer der berühmtesten Tenöre aller Zeiten kommen: Hier Mario del Monaco mit Renata Tebaldi, das Dirigat von Alberto Erede (ebenfalls mit dem Sta. Cecilia Orchester, 1952) scheint gar nicht aufhören zu wollen, etwas schneller hatte es ich Verdi schon vorgestellt, aber es ist wunderscchön so. Ebe Stignani ist noch einmal ganz leise als Amneris zu hören.
Bis Mittwoch, Ihr Curt A. Roesler
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