Sonntag, 31. Mai 2020

Beethoven und seine Interpreten

Vor über hundert Jahren nahmen die Berliner Philharmoniker unter ihrem Chefdirigenten Arthur Nikisch zum ersten Mal eine komplette Sinfonie durch einen Schalltrichter auf, es handelte sich um die 5. Sinfonie von Beethoven. Seither ist diese Sinfonie natürlich unzählige Male nicht nur von den Berliner Philharmonikern, sondern von jedem Orchester der Welt, das sich für bedeutend genug hält, aufgenommen worden. Veröffentlicht wurde die Aufnahme auf vier doppelseitigen Schellackplatten mit 30 cm Durchmesser, das war bereits Standard. Auf YouTube gibt es hier eine Digitalisierung davon. Viereinhalb Minuten konnten auf einer Seite maximal untergebracht werden, für jeden der vier Sätze stand eine Schallplatte zur Verfügung, die gesamte Spieldauer betrug 31 Minuten. 1920 wurden – ebenfalls noch mit der Trichter-Technologie, denn elektrische Mikrofone waren noch nicht erfunden – einige Konzerte des Orchesters der Mailänder Scala unter der Leitung von Arturo Toscanini aufgenommen; auch hier stand die 5. Sinfonie von Beethoven auf dem Programm, erhalten ist aber nur der letzte Satz. Von der fünften Sinfonie gibt es mehrere Aufnahmen mit Toscanini, auch eine Fernsehaufzeichnung gibt es, da ist allerdings der Ton nicht nur typisch scheppernd wie in frühen Aufzeichnungen vom Fernsehen auf Zelluloid mit meist optischen Ton, sondern noch zusätzlich von YouTube mit automatischen Auf- und Abblendungen verdorben, daher hier jetzt kein Link.
Wer sich einen Überblick über die frühen Beethoven-Aufnahmen verschaffen will, kann das hier tun, das ist eine Zusammenstellung der Bibliothek der Universität von Santa Barbara, Kalifornien. Die Liste ist allerdings sehr lang; und das sind nur die Aufnahmen, die in Santa Barbara auch vorhanden sind!
Auch die 3. Sinfonie hat eine lange Interpretationsgeschichte auf Schallplatte. In der Linkliste auf der VHS-Cloud (die werde ich dann nach Ende des Kurses exportieren und hier verlinken) haben wir ja schon als exemplarisch gegensätzliche Aufnahmen die von Gielen und die von Furtwängler. Jetzt bin ich noch auf diese Aufnahme von Willem Mengelberg mit den New Yorker Philharmonikern aus dem Jahr 1930 getroffen, die noch viel genauer als die von Furtwängler die Aufführungstradition repräsentiert, die von Wagner zuerst beschrieben wurde. Das Hauptthema wird ebenso schnell gespielt wie bei Gielen (und den meisten heutigen Dirigenten), aber für das Seitenthema wählt Mengelberg ein ganz anderes, viel langsameres Tempo. In der Durchführung gibt es dann einen Wettstreit nicht nur der Tonarten, sondern auch der Tempi.
Die älteste Tonfilmaufnahme mit einem Werk von Beethoven, die ich bei YouTube gefunden habe, ist mit Eurem Zimbalist und Harold Bauer. Sie spielen den zweiten Satz der »Kreutzer«-Sonate. Das ist ein Variationensatz und er beginnt eigentlich mit einer kurzen Einleitung des Klaviers allein, die quasi ein Spiegelbild der Einleitung des ersten Satzes ist, wo die Violine allein spielt. Bauer und Zimbalist lassen diese Einleitung aber weg und beginnen sofort mit dem Thema, was insofern ganz sinnvoll erscheint, weil ja der Witz der Umkehrung des Solos ohnehin nicht zum Tragen kommt, wenn nur der zweite Satz gespielt wird. Mein Lieblingsgeiger dieser Epoche bleibt aber Fritz Kreisler, der natürlich auch die »Kreutzer«-Sonate für die Schallplatte aufgenommen hat, etwas später allerdings, 1936 schon mit wesentlich besserer Aufnahmetechnik, auch in dieser Digitalisierung bei YouTube zur Geltung kommt. Wenn wir schon bei Fritz Kreisler sind, dann muss natürlich die Aufnahme des Violinkonzerts mit der Berliner Staatskapelle unter Leo Blech von 1926 erwähnt werden, die es hier gibt. Auf das Violinkonzert werden wir allerdings aus Zeitnot wohl nicht mehr näher zu sprechen kommen – es sei denn, Sie haben eine Frage dazu. Was wir uns aber noch anschauen bzw. anhören werden, ist die vielleicht berühmteste Komposition von Beethoven, das Klavierstück a-Moll »für Elise« WoO 59 von 1808/1810. Ein scheinbar leichtes Stück, vielleicht hat es jemand von Ihnen, so wie ich, auch schon selbst am Klavier zu spielen versucht. Aber in der Musik ist es oft so, dass das Leichte besonders schwer ist. Viel hängt in diesem Stück vom Fingersatz ab. Aber natürlich nicht nur; wenn der Fingersatz stimmt und keine ungewollten Betonungen von Nebennoten mehr vorkommen, muss man immer noch etwas zu sagen haben mit der Musik. Da werden wir dann ein paar unterschiedliche Interpretationen und auch unterschiedliche Instrumente miteinander vergleichen. Hier gibt der in Ungarn geborene, in der Schweiz lebende Pianist und Klavierlehrer Laszlo Gyimesi eine kurze Einführung für Pianisten. Aber ja, natürlich gibt es auch eine Aufnahme mit Igor Levit.
Und nun zum Schluss noch eine sehr frühe Aufnahme mit Jascha Heifetz. Er spielt 1917 ein Arrangement des Türkischen Marsches aus der Bühnenmusik zu Die Ruinen von Athen.
Bis Mittwoch, ich freue mich,
Curt A. Roesler

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