Der Titel, wie er von der Deutschen Oper Berlin nun verwendet wird, klingt nach originalem Shakespeare. Das ist er aber nicht, in den ersten Drucken hieß die Komödie A Midsommer Night's Dreame – gemäß damals gültigen Englischen Rechtschreibregeln. Als die Komische Oper Berlin vor sechs Jahren das Werk von Benjamin Britten in einer Neuinszenierung des lettischen Regisseurs Viestur Kairish herausbrachte, hieß es selbstverständlich Ein Sommernachtstraum. Vor ziemlich genau sieben Jahren haben wir es aus diesem Anlass in diesem Kurs schon einmal betrachtet. Allerdings habe ich damals die Geschichte der Vertonungen von Purcell bis in die Gegenwart in den Vordergrund gestellt und sogar ein Werk einbezogen, das zwar den Titel, nicht aber den Stoff gemeinsam hat, Le Songe d'une nuit d'été von Ambroise Thomas. Es gibt daher noch viel Dafür können wir jetzt auf eine länger dauernde Einordnung des Werks in die Reihe der mindestens 39 Opern mit diesem Stoff verzichten.
Kurz zu den Quellen Shakespeares: Die Hauptgeschichte aus der Feenwelt um Oberon und Titania geht unter anderem auf einen ganz aktuellen Roman von Edmund Spenser zurück, The Faerie Queene, ab 1590 erschienen und Fragment geblieben. Den Titel The Fairy-Queen übernahm Henry Purcell 1692 für sein opernartiges Maschinen-Spektakel auf einen anonymen Text nach Shakespeares Komödie. Oberon ist aber auch ein zentraler Charakter im französischen Versroman (»chanson de geste«) Huon de Bordeaux aus dem 13. Jahrhundert, den wir in der Bearbeitung von Christoph Martin Wieland (Oberon) und der darauf fußenden englischen Oper von Carl Maria von Weber kennen. Shakespeare kannte eine englische Übersetzung von 1540 und möglicherweise auch deren Dramatisierung, die 1593 aufgeführt wurde. Der Elfenkönig Oberon (ohne eine dazugehörige Elfenkönigin) erscheint auch im Prolog und den Zwischenspielen in The Scottish Historie of James IV des Shakespeare-Konkurrenten Robert Greene von 1592. Den Namen Titania (oder im ersten Druck und auch bei Britten: Tytania) fand Shakespeare in den Metamorphosen von Ovid, aus denen auch der Stoff des Stücks stammt, das die Handwerker zur Hochzeit von Theseus und Hippolyta aufführen, Pyramus and Thisbe. Als Quelle für die Verwandlung Bottoms in einen Esel wird in der Regel der durch den Titel an Ovid gekoppelte Roman von Apuleius genannt Metamorphoseon Libri XI, bekannt unter dem alternativen Titel Asinus aureus (Der goldene Esel). Es gibt aber bei Ovid (dessen Metamorphosen ja alle von Verwandlungen handeln) auch schon eine Verwandlung in einen Esel, in der Geschichte von Midas im elften Buch. Dass sich ein gewöhnlicher Sterblicher mit einer Elfenkönigin verbindet kommt auch in den Canterbury Tales von Geoffrey Chaucer aus dem 14. Jahrhundert vor.
Die Herrscherhochzeit als Rahmen geht ebenfalls auf Chaucer zurück, The Knight's Tale, wurde später von Shakespeare und John Fletcher als The Two Noble Kinsmen dramatisiert. Es spielt am Athener Hof von Theseus und Hippolyta (die schon verheiratet sind ) und endet mit der Hochzeit von Palamon und Emilia.
Benjamin Britten schrieb seine Oper in nur sieben Monaten. Mehr Zeit blieb ihm nicht bis zur Eröffnung der renovierten Jubilee Hall in Aldeburgh, die mit einer festlichen Premiere begangen werden sollte. Die kurze Zeit gab er später als einen der Gründe an, wieso er sich für einen quasi fertigen Text entschied und nicht für eine monatelange Zusammenarbeit mit einem Librettisten. Zusammen mit seinem Lebenspartner Peter Pears nahm er die notwendigen Kürzungen an Shakespeare vor. Was übrig blieb, ist kaum weniger als das, was bei einer landläufigen Schauspielaufführung verwendet wird, allerdings mit dem entscheidenden Unterschied, dass der komplette erste Akt Shakespeares wegbleibt. Das ist in diesem Fall ein deutlich gravierenderer Eingriff als etwa der Boots und Verdis beim Otello, wo auch der erste Akt Shakespeares und damit das ganze Venedig-Kolorit wegbleibt. Die Konstruktion der Komödie A Midsommer Nights Dreame ist symmetrisch aufgebaut, diese Symmetrie, die unter anderem bedingt, dass der Hof des Theseus, wo ja am Ende nicht nur dessen Hochzeit mit Hippolyta, sondern auch die Hochzeit der beiden Liebespaare gefeiert wird, auch den Anfang macht. In diesem ersten Akt Shakespeares ist auch eine plausible Begründung für die Liebeswirren der beiden Paare zu finden, die in der Oper fehlt. Dafür aber werden wir in der Oper von Anfang an verzaubert von der Feenwelt. Das ist ebenso zwingend wie der Sturm am Anfang von Verdis Otello (der ihn auch deutlich von Rossini abhebt, dessen Oper ausschließlich in Venedig spielt.
Aber auch Brittens Oper baut auf Symmetrien auf: jeder Akt hat ein Zentrum, um das sich alles gruppiert. Im ersten Akt sind es die Handwerker, im zweiten das Quartett der Liebenden und ihm dritten Akt das Zwischenspiels as die beiden Bilder trennt.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.