Montag, 12. Februar 2018

Die Ferien sind vorbei

Schon ist die Woche vorübergeflogen und wir wenden uns neuen Werken zu. Eigentlich war verabredet, dass wir gleich nach den Ferien mit Das Wunder der Heliane von Erich Wolfgang Korngold weiter machen. Das hätte auch irgendwie ganz gut gepasst als Fortsetzung von Die Gezeichneten von Franz Schreker. Zwar haben die Proben in der Deutschen Oper schon begonnen, aber vor dieser Neuinszenierung kommt noch eine konzertante Premiere heraus, für die es sonst zu knapp würde: L'Arlesiana von Francesco Cilea. Also sehen wir uns dieses Meisterwerk des Verismo zuerst genauer an. Vielleicht ist es auch ganz gut, Die Gezeichneten und Das Wunder der Heuliane etwas auseinander zu ziehen. Musikalisch stehen sie sich nämlich gar nicht so fern, und sind doch ganz verschiedene Welten; auch wenn der Symbolismus schon bei Schreker hereinspielt,  ist er erst bei Korngold beherrschend. Jetzt aber ganz weg vom Symbolismus, zurück zum Naturalismus.
Alphonse Daudet (1840–1897) wuchs in der Provence zweisprachig auf, okzitanisch und französisch. Mit 17 Jahren zog er nach Paris, wo er sich der »Bohème« anschloss. Das »bac« (Abitur) konnte er aus finanziellen Gründen nicht abschießen, dennoch hatte er kurzzeitig eine Anstellung als Hilfslehrer. Mit 20 wurde er Sekretär des Politikers (und Halbbruders von Napoléon III) Charles Auguste de Morny. Zusammen mit Ernest Manuel schreibt er sein erstes Theaterstück, La dernière Idole (Das letzte Götzenbild), das einen beachtlichen Erfolg hat, den er aber nur aus der Ferne genießen kann. Er befindet sich nämlich auf Reisen, zunächst in Marokko, dann auf Korsika, wo er Linderung für seine Krankheit erhofft. Er hat offenbar das Leben der Bohème zu stark ausgekostet und sich mit der Syphilis angesteckt. Ab 1866 erscheinen seine Erzählungen in verschiedenen Feuilletons, er nennt sie Lettres de mon moulin (Briefe aus meiner Mühle) und veröffentlicht sie später unter diesem Titel gesammelt in Buchform. Es sind realistische Bilder des Landlebens, wie sie von Gottfried Keller bis Anton Tschechow viele europäische Schriftsteller in der Zweiten Hälfte des 19. .Jahrhunderts mitteilen. Mit einigen Romanen (der berühmteste darunter ist Tartarin aus Tarascon) erlangt Daudet einigen literarische Ruhm, in die Académie Française wird er allerdings nicht aufgenommen. Heute sind es vor allem die Lettres de mon moulin, für die Daudet berühmt ist. Und vor allem für die kurze Erzählung von dem Mädchen aus Arles (L'Arlesienne), oder besser von Jan, der sich aus Liebeskummer vom Heuboden stürzt, und seiner Mutter, die er verzweifelt zurücklässt. im Projekt Gutenberg ist die Geschichte hier nachzulesen. 1872 formte Daudet selbst daraus ein Theaterstück, für das Georges Bizet eine Bühnenmusik schrieb. Dem Theaterstück selbst blieb leider der Erfolg versagt, aber die Musik von Bizet schlug sofort ein und begründete auch dessen Ruhm.
Francesco Cilea wurde in dem Jahr geboren, als Daudet die ersten Lettres de mon moulin verfasste. 84-jährig verstarb er, lange nachdem er seine Komponistenkarriere aufgegeben hatte. Von den sieben Opern, die er von 1889 bis 1909 schrieb, haben sich nur die dritte und die vierte, L'arlesiana und Adriana Lecouvreur, durchgesetzt. Die fünfte, Gloria, mit großem Aufwand an der Mailänder Scala unter Arturo Toscanini uraufgeführt, geriet zum enttäuschenden Misserfolg. Die letzten beiden wurden nicht einmal mehr aufgeführt, und so bleibt seine letzte Komposition ein Chorwerk, das er 1913 zum 100. Geburtstag von Giuseppe Verdi schrieb – abgesehen von einigen Umarbeitungen, die er in der 30er Jahren noch an L'arlesiana und Gloria vornahm.
Um den Stoff der Bühne anzupassen, hatte Daudet neue Namen vergeben und weitere Personen eingeführt. Die Hauptperson Jan wird zu Frédéri (ohne »c«, so etwas ins Provenzalische gehend), die Mutter heißt Rosa Mamai, das Mädchen, das der Sohn heiraten soll, nachdem es so aussieht, dass das Mädchen aus Arles einem anderen gehört, heißt Vivette. Der Gutsbesitzer heißt nicht mehr Estève, sondern Patron Marc und der Mann von Rosa bekommt ebenfalls einen Namen: Francet. Der Rivale Frédéris heißt Mitifio. Ganz neue Figuren sind L'Innocent, der zurückgebliebene Bruder Frédéris und der alte Schäfer Balthazar.
Alle diese neuen Personen übernimmt der Librettist Cileas, nur verwendet er natürlich die entsprechenden italienischen Namen. Die drei Akte Daudets verteilt er zunächst auf vier, eine revidierte (und jetzt gültige) Fassung reduziert das aber wieder auf drei. Für den »Innocente« übernimmt Cilea eine Tradition des frühen 19. Jahrhunderts, den »Musico«, eine Mezzosopranstimme in deiner Hosenrolle. Das berühmteste Musikstück aus der Partitur ist »Il Lamento di Federico«: »E la solita storia del pastore«, die Tenorarie schlechthin. Mit der Uraufführung am 27.November 1897 im Teatro Lirico in Mailand, startete auch eine der größten Tenorkarrieren. Es war Enrico Caruso, der die Partie des unglücklichen Federico als Erster verkörperte. Und er sang auch fünf Jahre später den Maurizio in Adriana Lecouvreur.

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