Dienstag, 12. Februar 2013

Mazeppa

Zwei Jahre nach der Uraufführung seiner ersten Puschkin-Oper, Eugen Onegin, begann Tschaikowsky die Arbeit an einer Oper nach dem Gedicht Poltawa, das Puschkin 1829, nach Boris Godunow und während der Arbeit am Eugen Onegin, schrieb. Puschkin reagierte damit auf Voltaire und Lord Byron, die in Mazeppa mehr den Freiheitshelden als den Verräter am russischen Zaren sahen. In Voltaires Geschichte Karls XII. wird die Schlacht bei Poltawa, mit deren Beschreibung der 3. Akt Tschaikowskys beginnt, recht genau beschrieben, aber breiten Raum nimmt auch die Legende von Mazeppas Bestrafung als Ehebrecher ein, die auch Maler wie Théodore Gericault angeregt hat (hier sein Gemälde von 1823). Danach hat er in Polen, wo er seine Ausbildung genoss, mit der jungen Frau eines hochangesehenen Adeligen angebändelt und ist dafür ungewöhnlich brutal bestraft worden: er wurde nackt auf den Rücken eines Pferdes gebunden, das dann in die Wildnis gejagt wurde. Das Pferd aber brachte ihn zurück in die Ukraine, wo er schließlich von Bauern gerettet wurde. Byrons Gedicht beginnt zwar nach der Schlacht von Poltawa, Mazeppa und Karl XII. sind auf der Flucht nach der Niederlage und Mazeppa erzählt dann seine Geschichte in der Rückblende bis zu dem Moment wo er aufwacht und von einem Kosakenmädchen gepflegt wird. 1825 erschien in Paris erstmals eine Bühnenshow nach diesem Stoff, der später im Jahrhundert in Amerika sehr populär wurde, vor allem als Adah Isaac Menken die Rolle des Mazeppa übernahm und für den Stunt nichts als Stiefel trug (darunter natürlich ein Trikot, aber es sah trotzdem so aus, als ob sie nackt wäre). Aber auch in der Klassischen Musik fand das Gedicht Byrons Niederschlag: Franz Liszt komponierte eine Symphonische Dichtung mit diesem Titel und widmete auch die vierte seiner Etudes d'éxecution transcendante dem ukrainischen Kosakenführer, ein Galopp im Dauerforte 120 Jahre vor Erfindung des Heavy Metal.
Puschkin hingegen setzt seinen Fokus auf die Vorbereitung der Schlacht bei Poltawa und führt drei weitere historische Personen ein: Wassily Kotschubey, ein Ukrainer, der seinen Freund Mazeppa beim Zaren Peter I. verriet, dessen Tochter (und Patenkind Mazeppas) Maria und Pylyp (Philipp) Orlik, Stellvertreter Mazeppas und nach dessen Tod auch Nachfolger als Kosakenhetmann. Damit haben wir schon das Hauptpersonal für eine romantische Oper: Mazeppa (Bariton), Maria (Sopran), Kotschubey (Bass) und Orlik (Bass). Dazu kommt Ljubow Kotschubey, die Mutter Marias, als Mezzosopran. Fehlt noch ein Tenor. Den gibt es bei Tschaikowsky natürlich auch. Er heißt Andrej und ist ein junger Kosak, die Sandkastenliebe Marias. Damit ist genug Konfliktstoff vorhanden, der musikalisch verarbeitet werden kann. Ein wenig konventionell ist das sicher, aber es gibt eben Tschaikowsky 'Gelegenheit, seine Begabung auszuspielen. Am Ende des ersten Bildes wird Maria vor die Wahl gestellt, entweder mit Mazeppa wegzuziehen oder ihn niemals wieder zu sehen. Im zweiten Bild stachelt Ljubow ihren Mann zum Aufstand gegen Mazeppa auf. Der Aufstand geht schief und wir finden Kotschubey im zweiten Akt im Verlies, er wird gefoltert und zum Tode verurteilt. Ljubow schleicht sch zu Maria in Marias Schloss, zusammen eilen sie zum Richtplatz, um die HInrichtung aufzuhalten. Sie kommen aber zu spät. Nach dem sinfonischen Gemälde der Schlacht bei Poltawa finden wir Maria ihres Verstandes beraubt. Andrej taucht wieder auf, klagt Mazeppa an, wird von diesem erschossen und von Maria in den Tod gewiegt. Wei bei Puschkin ist Mazeppa nun ein lächerlicher alter Mann auf der Flucht, der nicht einmal mehr von seiner Patentochter und Gelibten erkannt wird.

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