Montag, 10. Oktober 2011

Französische Fagotte, Wiener Oboen

Auch wenn jetzt Ferien sind, gibt es einen neuen Blog: die nächste Sitzung muss vorbereitet werden und vor allem müssen noch einige Tonaufnahmen auf die spezielle Tauglichkeit durchgehört werden. Wir wollten uns mit den Eigenheiten des französischen Fagotts und der Cornets à pistons vertraut machen. Eine französische Aufnahme des Sacre du printemps habe ich gefunden und der Unterschied ist wirklich eklatant. Wenn die Melodie vom Fagott auf die Klarinette übergeht, ist das klangliche Nuance und nicht ein Gegensatz, weil der weiche Klang des französischen Fagotts. Hier ein Beispiel des gewohnten Sacre-Klangs. Vorausgesetzt, man ist der Meinung, dass der Komponist selbst als Dirigent in der Lage ist, genau das zu realisieren, was er auch komponiert hat – hier gibt es zum Vergleich einen Link zu seiner eigenen Aufnahme mit dem Orchestre symphonique de Paris von 1929. Bei Strawinsky gehen die Expertenmeinungen diesbezüglich allerdings weit auseinander. Außerdem ist die alte Aufnahmetchnik natürlich nicht geeignet, das französische Fagott im richtigen Licht zu zeigen. Hier eine Aufnahme von 2002 mit dem Orchestre de Paris. Der Dirigent Pierre Boulez arbeitet jedoch eher die Gegensätze heraus, so dass wir hier zwar den typischen Klang des französischen Fagott hören können, nicht aber den weichen Übergang zu den Klarinetten, die hier ziemlich hart gespielt werden.
Jetzt aber zurück zu Verdi, von wo wir ausgegangen sind. Die Stelle mit den vier Fagotten ist hier bei 1:07. Das ist jetzt das WDR-Sinfonie-Orchester und das sind deutsche Fagotte aus Ahorn und nicht französische aus Palisander. Frei zugänglich ist im Internet derzeit keine Aufnahme des Requiems mit einem französische Orchester zu finden, es gibt aber eine CD mit dem Orchestre du Capitole de Toulouse, das »Libera me« singt Julia Varady, es dirigiert Michel Plassen (EMI, EAN: 0724355645920). Allerdings ist dazu anzumerken, dass Verdi das Requiem nicht explizit für französische Fagotte komponiert hat, er hat nur die Praxis der vier Fagotte aus dem Pariser Orchester übernommen.
So wie die Franzosen ihr Fagott über die Jahrhunderte bewahrt haben, pflegen die Wiener bis heute ihre Oboen und Hörner. Wie das französische Fagott, kommt die Wiener Oboe mit weniger Klappen aus, ist schwieriger zu spielen und kommt in seinem Klang dem Barockinstrument näher als dem modernen Standard. Und wie das Fundament der Fagotte im Holzbläsersatz die Pariser Orchester wesentlich in ihrem Klang bestimmt, ist der helle, klare Klang der Oboe unter anderem für den unverwechselbaren Klang der Wiener Philharmoniker verantwortlich. Die Pointe der Geschichte ist, dass sich bei der Oboe das französische Modell allgemein durchgesetzt hat. Bis in die 60-er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde die Wiener Oboe ziemlich konsequent ohne Vibrato gespielt, heute ist das nicht mehr unbedingt so, aber hier wird die Tradition bewahrt. Es handelt sich um den zweiten Satz des Violinkonzerts von Brahms, das zuerst bei den Geigern nicht so beliebt war, weil sie es für eine Ungehörigkeit des Komponisten hielten, dass sie ruhig auf dem Podium stehen sollten, während der Oboist diese wunderschöne Melodie spielt. Wie diese Melodie mit Vibrato gespielt klingt, hören wir in dieser schon betagten spanischen Aufnahme von Yehudi Menuhin.
Von den Wiener Hörnern und den Cornets à pistons in Bälde.Link

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