Donnerstag, 11. Oktober 2018

Luigi Cherubini

Vielzitiert, bewundert, unbekannt. Das ist der vielsagende Titel eines Kongressberichts aus Weimar, wo 2010 aus Anlass des 250. Geburtstages von Luigi Cherubini Wissenschaftler aus aller Welt zusammenkamen, um Ergebnisse neuerer Forschung zu dem bedeutenden Komponisten aus der Zeit der Französischen Revolution zusammentragen. Nun wird man Medea nicht als eine unbekannte Oper bezeichnen können. Zumindest die Liebhaber des »Belcanto«, die zumeist auch Aufnahmen von Maria Callas horten, kennen wenigstens die  Bearbeitung der »opéra comique« Médée als italienische Oper Medea. Diesen Titel verwendet fälschlicherweise derzeit auch die Staatsoper Unter den Linden, obwohl dort das französische Original gespielt wird.
1760 geboren, kam Cherubini nach dem Studium und ersten Erfolgen mit komischen wie ernsten Opern in Italien 1788 über London nach Paris. Nach einem mäßigen Erfolg mit Démophon in der Opéra bekam er von diesem Haus 15 Jahre keine weiteren Aufträge. Daher kamen seine Opern ab 1791 am Théâtre Monsieur heraus, das nach der misslungenen Flucht des Königs 1792 in Théâtre Feydeau umbenannt wurde. An diesem Haus waren wie in der Opéra-Comique herausragende Schauspieler mit exzellenten Gesangstimmen engagiert und nicht (wie an der Opéra) herausragende Stimmspezialisten mit einer gewissen Begabung fürs Dramatische. Die Opern für diese Häuser wurden nicht durchkomponiert, sondern enthielten auch gesprochene Passagen, wie es im 20. Jahrhundert für Operetten und Musicals Standard wurde. Médée ist daher eine »opéra comique« auch wenn sie durchaus keinen lustigen Stoff hat. So wurde jedes Musiktheaterstück bezeichnet, wenn es gesprochene Dialoge enthielt. Die heute berühmteste opéra comique ist Carmen, in der es auch nicht nur heiter zugeht.
Cherubinis seinerzeit berühmteste Oper, u. a. von Beethoven bewundert und als Vorbild für seinen Fidelio erkennbar, war Les deux journées ou Leporteur d'eau, auf Deutsch Der Wasserträger. Auch dies ist eine für das Théâtre Feydeau geschriebene »opéra comique«. 1803 endlich wieder ein Auftrag der Opéra, Anacréon, ein opéra-ballet. Es wird ein völliger Misserfolg. Faniska, 1806 für Wien komponiert ist noch einmal ein großer Erfolg, aber Cherubini zieht sich mehr und mehr von der Oper zurück und wendet sich der Kirchenmusik zu. 1816 schrieb er ein Requiem zur Erinnerung an die Hinrichtung Ludwigs XVI. 1822 wurde er Direktor des Konservatoriums. Seine Schüler Auber und Halévy trugen Wesentliches zur Entwicklung der Oper im 19. Jahrhundert bei.
Médée wurde 1797 bis 1799 37 Mal gespielt; die Oper war kein sensationeller Erfolg, wurde aber doch von den Kritikern freundlich besprochen und vom Publikum als typisches zeitgenössisches Werk angenommen. Der »schreckliche« Schluss erreichte das Publikum nicht so unmittelbar, wie der Schluss der Lodoiska, der an den Sturm auf die Bastille erinnerte. Médée gehört zu diesen Opern der Nachrevolutionszeit, die als »Schreckensopern« oder »Rettungsopern« (das trifft auch mehr auf Lodoiska zu), auf die Fidelio ein deutsches Echo gibt. Es gibt eine fast durchgehende Aufführungstradition, vergleichbar der von Don Giovanni oder der Zauberflöte, die ebenfalls seit ihrer Uraufführung für exemplarische Werke der Gattung genommen wurden, die es von Zeit zu Zeit auf die Bühne zu bringen verlangt. Wie auch bei den Werken von Mozart geht das einher mit einer Bearbeitungsgeschichte, deren Höhepunkt der deutsche Komponist und Kapellmeister Franz Lachner 1855 in Frankfurt setzte, als er die Dialoge vollständig in Rezitative umwandelte. Diese Fassung, ins Italienische übersetzt, lag auch den wichtigen Aufführungen 1909 in Mailand (unter der musikalischen Leitung von Arturo Toscanini) und 1953 in Florenz mit Maria Callas zugrunde. Dazwischen gab es 1925 in Erfurt einen Versuch mit der Dialogfassung, der allerdings keine Konsequenzen hatte. Erst seit 1984 wird die Oper wieder in der originalen französischen Dialogfassung gespielt.

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