Montag, 28. Januar 2013

Ein Sommernachtstraum

The New Grove Dictionary of Opera, erschienen 1992, zählt nicht weniger als 39 musikalische Bühnenwerke auf, die auf Shakespeares A Midsommer nights dreame (genauso schreibt sich der Titel in der Erstausgabe) basieren. Brittens Kammeroper ist die 22. davon. Dabei sind zwei bekannte Kompositionen – völlig zu Recht – gar nicht erwähnt: Felix Mendelssohn Bartholdys Bühnenmusik und ein französisches Werk, das den Titel Le Songe d'une nuit d'été trägt, aber eher etwas mit The merry wives of Windsor zu tun hat, die Hauptpersonen sind nämlich Shakespeare, Elizabeth I. und Falstaff; Ambroise Thomas ist der Komponist, Adolphe de Leuven schrieb das Libretto, der auch Le postillon de Lonjumeau geschrieben hat.
A Midsummer Night' Dream ist die einzige Oper von Britten, die er ganz ohne Librettist, nur in Zusammenarbeit mit Peter Pears geschrieben hat. Er hat sich ziemlich kurzfristig zur Komposition entschlossen, als er nach einem Werk suchte, mit dem die renovierte Jubilee Hall in Aldeburgh 1960 wiedereröffnet werden sollte. Es blieb gar keine Zeit, lange nach einem Stoff und einem Librettisten zu suchen, daher diese Lösung.
Die Quellen Shakespeares sind in der Antike wie in der mittelalterlichen und der zeitgenössischen Dichtung zu suchen. Pyramus und Thisbe, das Stück, das die Handwerker aufführen, geht auf Ovids Metamorphosen zurück, die Verwandlung Zettels zum Esel hat in dem Roman von Apuleius sein Vorbild, der ebenfalls den Titel Metamorphosen trägt. Die Feenwelt stammt aus dem zwischen 1590 und 1596 geschriebenen Epos The Faery Queene von Edmund Spenser. Ferner haben Motive aus der französischen Romanzendichtung aus dem 13. Jahrhundert Eingang gefunden: Huon de Bordeaux und darin speziell der Roman d'Auberon.
Die erste »Vertonung« trägt den Titel The Fairy Queen und war Britten sehr wohl vertraut. Henry Purcell, sein großer Vorgänger, hatte sie fast ein Jahrhundert nach Shakespeare geschrieben. Britten hat das Werk als Dirigent für die Schallplatte aufgenommen, mit einer Besetzung, die viele Parallelen zur Uraufführung A Midsummer Night's Dream aufweist. Er wählte dafür die Fassung von Gustav Holst, die er seinerseits noch weitere bearbeitete, und die nach heutigen Begriffen sehr stark von Purcell abweicht.
Christoph Martin Wieland veröffentlichte 1780 die erste Fassung seines Versepos Oberon, das sehr stark von Shakespeare und seinen Vorlagen (neben Huon de Bordeaux auch The Merchants Tale von Geoffrey Chaucer) beeinflusst ist. Friederike Sophie Seyler (auch unter dem Namen Sophie Friederike Hensel bekannt) fabrizierte daraus ein Libretto, Hüon und Amande, das Karl Ludwig Giesecke für Paul Wranitzky als Oberon bearbeitete. Das war die erste Märchenoper, die Emanuel Schikaneder in seinem Theater auf der Wieden produzierte und aus deren Reihe heute lediglich noch Mozarts Zauberflöte verbreitet ist.
Wranitzkys Oper fehlt in der Aufzählung im Groove's ebenso wie Carl Maria von Webers. Dafür trifft man auf Komponisten wie Henry R. Bishop, Alexander Alabieff, Franz von Suppé, Ruggero Leoncavallo etc. Ein Komponist, der – ebenfalls vergessen – für uns noch interessant ist, ist Marcel Delannoy. Er komponierte seinen Puck 1943–45. 1949 in Straßburg uraufgeführt, kam das Werk schon 1951 nach Berlin, an die Städtische Oper. Allerdings nur für drei Aufführungen.
A Midsummer Night's Dream ist eine Oper ohne Protagonistenrolle. Vor allem ohne eine Protagonistenrolle für Peter Pears. In der Uraufführung sang er einen der Handwerker, Flute. Für die etwas exponiertere Tenorpartie, den jungen Liebhaber Lysander engagierte man den 16 Jahre jüngeren George Maran. In der Studioaufnahme sechs Jahre später allerdings sang Pears dann sehr wohl Lysander. Die Partie des Oberon schrieb Britten Alfred Deller auf den Leib bzw. in die Stimmbänder. Er war einer der ersten Countertenöre und hat mit seinem Deller-Consort viel für die Wiederbelebung barocker Musik, vor allem der Musik von Purcell beigetragen.
Die Partitur Brittens ist außergewöhnlich farbenreich. Der Stoff bietet mit seinen unterschiedlichen Handlungsebenen reichlich Gelegenheit verschiedene Klänge gegeneinander zu stellen. Mit Kontrabass-Glissandi beginnt das Werk, die Zaubereien werden mit Harfen- und Celestaklängen begleitet, die Handwerker bringen eine Parodie auf italienische Oper und die Liebhaber singen in Brittens ureigener Musiksprache.

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