Dienstag, 30. Oktober 2012

Parsifal in historischen Tonaufnahmen

Ein kleiner Fehler hat sich im letzten Blogeintrag eingeschlichen. Lilli Lehmann war natürlich nicht ein Blumenmädchen bei der Parsifal-Uraufführung. Sie war sechs Jahre früher in Bayreuth, bei der Uraufführung des Ring des Nibelungen, wo sie eine Rheintochter sang. Unter den Blumenmädchen 1882 war jedoch eine andere Sängerin, auf die wir noch kommen werden.
Vermutlich die früheste Aufnahme eines Ausschnitts aus dem Parsifal wurde 1903 in New York gemacht. Mit Klavierbegleitung singt Robert Blaß, der Gurnemanz in der Aufführung des Metropolitan  Opera House »Du siehst, das ist nicht so.« Sehr viel mehr Aufnahmen gibt es von diesem Sänger nicht, trotzdem verdient er unsere Aufmerksamkeit, weil er den Gurnemanz auch in der Erstaufführung des Deutschen Opernhauses gesungen hat. Von Melanie Kurt war schon die Rede, sie hat beide Soloszenen, »Ich sah das Kind« und »Seit Ewigkeiten harre ich deiner« schon 1913 aufgenommen. Das Orchester und der Dirigent sind auf der Schallplatte nicht angegeben. Ausgeschlossen ist nicht, dass es sich um Eduard Möricke und das Orchester des Deutschen Opernhauses handelt, schließlich bereiteten sie die Premiere vor. Ebenso möglich aber ist, dass es sich um ein Studio-Orchester handelt und der Dirigent ein auf Schallplatten spezialisierter Kapellmeister ist. Wenn wir auch von Paul Hansen keine Aufnahme aus dem Parsifal besitzen, können wir trotzdem einen Parsifal hören, der in der Inszenierung von Georg Hartmann aufgetreten ist, Alexander Kirchner. Er sang die Partie am Deutschen Opernhaus vermutlich erst 1919, aber schon 1914 erscheint er in einem Ausschnitt zusammen mit Rudolf Moest, wo er die bedeutende Frage stellen kann: »Wer ist der Gral?«
Zehn Jahre nach der Erstaufführung gab es am Deutschen Opernhaus, das schon in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten steckte (Währungskrise 1923/24), eine »Neuinszenierung« des Parsifal. Ein Bühnen- und Kostümbildner wurde auf dem Besetzungszettel nicht genannt, die Dekoration stammte danach »aus dem Fundus«. Selbstverständlich handelte es sich um die Dekorationen von Gustav Wunderwald, aber eine Regisseurin hatte sich der Inszenierung angenommen. Es ahndete sich dabei um Luise Reuß-Belce, die 1882 in Bayreuth ein Blumenmädchen gesungen hatte, also für eine gewisse Authentizität bürgen konnte. Sie hatte 1916 ihre Gesangskarriere nach 35 Jahren beendet und hatte schon die Götterdämmerung und Tristan und Isolde am Deutschen Opernhaus inszeniert. Die Titelpartie sang Adolf Lußmann, der nur für eine Spielzeit am Deutschen Opernhaus blieb. Von ihm gibt es nur sehr wenige Schallplatten, neben Operettenaufnahmen aus seiner früheren Zeit nur die Tenorarie aus Martha und zwei Ausschnitte aus Siegfried und Tristan und Isolde. Die im heutigen Bosnien geborene Bella Fortner-Halbaerth hatte eine sehr lange Karriere; zwischen 1922 und 1926 trat sie regelmäßig am Deutschen Opernhaus auf, später u. a. in der Waldoper Zoppot und an Covent Garden. Noch bis 1950 war sie an der Komischen Oper in Berlin zu sehen. Schallplattenaufnahmen scheint es von ihr jedoch nicht zu geben. Dafür umso mehr von drei weiteren Herren in der Besetzung: Emanuel List (Gurnemanz), Wilhelm Rode (Amfortas) und Desider Zador (Klingsor), allerdings leider auch nicht in diesen Partien. Dennoch können wir ein Tondokument mit dieser Produktion verbinden. Paul Breisach, der Dirigent, hat wenig später mit Lauritz Melchior »Amfortas! Die Wunde!« aufgenommen, allerdings leider auch nicht mit dem Orchester des Deutschen Opernhauses, sondern mit dem der Staatsoper.
Zehn Jahre später wurde Wilhelm Rode Intendant (das ist eine andere Geschichte) und inszenierte 1938 den Parsifal neu. Der »Reichsbühnenbildner« Benno von Arent baute ihm ein Bühnenbild nach des »Führers« Geschmack. Es dirigierte Artur Rother und es sangen Eyvind Laholm (Parsifal), Elsa Larcén (Kundry), Wilhelm Schirp (Gurnemanz), Hans Reinmar (Amfortas), Ludwig Windisch (Klingsor) und unter den Blumenmädchen befand sich Elisabeth Schwarzkopf. 1942 ist der dritte Akt dieser Produktion vom Rundfunk aufgenommen worden, allerdings sind von der Besetzung nur Elsa Larcén und Hans Reinmar übrig geblieben und es dirigiert Hans Knappertsbusch. Von Elsa Larcén ist das die einzige bekannte Aufnahme (die es auch als CD gibt), aber aus mehr als »Dienen, dienen« besteht die Partie akustisch im dritten Akt nicht. Eyvind Laholm ist ein Künstlername, der richtige Name dieses frühen international tätigen amerikanischen Tenors war John Edwin Johnson. Man kennt ihn vor allem wegen des zweiten Akts von Tristan und Isolde, den er mit Kirsten Flagstad unter der Leitung von Sir John Barbirolli 1939 in der Carnegie Hall gesungen hat. Die Tonaufzeichnung ist bei Youtube hier zu hören.
Erst 1955 gab es in der Städtischen Oper in der Kantstraße wieder einen Parsifal. Wolf Völker inszenierte in einer Ausstattung von Wilhelm Reinking. Es dirigierte wieder Artur Rother. Parsifal war Hans Beirer, von dem es kaum Studioaufnahmen gibt, dafür umso mehr Rundfunkmitschnitte, gerade auch vom Parsifal, den er viele Male auch in Bayreuth gesungen hat. Helene Werth war die Kundry, von ihr gibt es eine Gesamtaufnahme von Marschners Hans Heiling auf CD. Josef Greindl (Gurnemanz), Dietrich Fischer-Dieskau (Amfortas) und Mathieu Ahlersmeyer (Klingsor) braucht man kaum als Schallplattensänger vorzustellen.
Damit endet die historische Zeit der Schallplatten, de nächsten Neuinszenierungen kamen 1975 (Filippo Sanjust) und 1998 (Götz Friedrich). Christian Thielemann dirigierte die letztere, Heinrich Hollreiser die frühere, zwei Vorstellungen 1979 Erich Leinsdorf.

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